15.06

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Schade, dass der zuständige Bundesminister bei dieser Debatte nicht anwesend sein kann. Worum geht es dabei? Es heißt in Österreich nun offiziell HinweisgeberInnenschutzgesetz, es ist aber nichts anderes als die Whistleblowerrichtlinie der EU. Diese wäre schon bis Novem­ber 2021 in innerstaatliches Recht umzusetzen gewesen, sie kommt nun mit mehr als einem Jahr Verspätung auch zu uns hier ins Parlament.

Whistleblower, wissen wir, haben vor allem im Zusammenhang mit großen Skandalen Bedeutung erlangt. Denken wir an die Panamapapers! Vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in den letzten Jahren ist es wichtig, eine sichere Möglichkeit zu schaffen, um Hinweise auf Rechtsverletzungen weiter­zugeben.

Worum geht es bei diesem Gesetz? – Zukünftig sollen sogenannte Meldestellen für die Hinweisgebung in Unternehmen, aber auch im öffentlichen Bereich eingerichtet werden. Whistleblowing oder Hinweisgebung bedeutet, dass Menschen mit Insiderwissen Rechtsverletzungen mit beträchtlichem Schaden für die Allgemeinheit aufdecken. Whistleblower sind Personen, die aus ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Betrug, Korruption, Gesundheits- und Umweltgefährdungen haben und diese Informationen weitergeben wollen, um diese Missstände zu bereinigen.

Mit dem vorliegenden Gesetz wäre eigentlich die Intention da, genau diese Hinweisgeber:innen zu schützen. Bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie wurde aber der Gestaltungsspielraum aus unserer Sicht zuungunsten dieser Hinweis­geber:innen, der Whistleblower, und zugunsten der Unternehmen ausgeschöpft. Eine interne Meldestelle muss zum Beispiel erst ab 50 Arbeitnehmer:innen im Betrieb eingerichtet werden. Das bedeutet in der Praxis, dass Arbeitnehmer:in­nen von 98 Prozent der Betriebe in Österreich sich an eine Meldestelle außer­halb des Unternehmens wenden müssen – und damit beginnt ein wahrer Spieß­ruten­lauf für diese Hinweisgeber:innen.

Das Gesetz ist nämlich so kompliziert und wirr gestaltet, dass man selbst als Juristin ganz genau lesen muss, um verstehen zu können, wann man denn über­haupt geschützt ist und wo und wie man die vorliegenden Informationen melden kann. Im Sinne einer Rechtssicherheit müssen wir Gesetze aber schon so ausgestalten, dass alle Menschen in unserem Land die Möglichkeit haben, sie zu verstehen und damit auch zu befolgen.

Ins Auge fällt auch, dass insbesondere Tatbestände, die den Beschäftigten auffallen, nämlich systematische Arbeitszeitverletzungen, Lohndumping oder gefährliche Arbeitsbedingungen, im Schutzbereich des Gesetzes fehlen, ebenso wie sexuelle Belästigung oder Mobbing. Auch die Straftatbestände außerhalb des Korruptionsstrafrechts wie zum Beispiel Untreue sind von diesem Gesetz nicht erfasst. Damit ergibt sich für diese Hinweisgeber:innen eine wesentliche Differenzierung. Melden sie einen Sachverhalt, der in den sachlichen Geltungs­bereich dieses Gesetzes fällt, sind sie geschützt. Melden sie aber einen Sach­verhalt, der ausgenommen ist, besteht kein Schutz.

Aus unserer Sicht ist diese Differenzierung sachlich nicht gerechtfertigt und widerspricht auch dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz unserer Bundesverfassung.

Auch sind von diesem Hinweisgeber:innenschutz nur Meldungen umfasst, die das EU-Recht betreffen, und keine reinen innerstaatlichen Sachverhalte. Auch das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.

Weiters sieht die Richtlinie klar und ausdrücklich eine Beweislastumkehr und nicht bloß eine Beweiserleichterung für den Hinweisgeber oder die Hinweis­geberin vor. Eine Glaubhaftmachung wird von der Richtlinie nicht gefordert, in unserem Gesetz ist das aber so vorgesehen. Wir sehen dieses Gesetz zumindest als nicht richtlinienkonform an.

Zu diesem Gesetzentwurf sind viele kritische Stellungnahmen von Experten, von verschiedensten NGOs, aber auch aus dem Bereich der Justiz und der Rechts­anwaltskammer eingelangt; sie haben Änderungsvorschläge gemacht. Leider wurden diese Expert:innen nicht gehört. In den Entwurf sind die Stellung­nahmen nicht eingearbeitet worden.

Für uns fehlt in diesem Gesetz der Gesamtschutz für Hinweisgeber:innen. Auch die sprachliche Umsetzung und die komplizierte Schreibweise spiegeln die gewünschte Transparenz in dieser wichtigen Materie nicht wider. Daher werden wir diesem Gesetzentwurf keine Zustimmung geben können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte sehr.