15.35

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich auf der Besucher­galerie recht herzlich die Kolleg:innen von der Arbeiterkammer Steiermark begrüßen – herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte zum Tagesordnungspunkt 14 Stellung nehmen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Herr Loacker, was war das? (Abg. Loacker:  ... ist bei der Arbeiterkam­mer! – Abg. Krainer: ... politische Bildung! ... beleidigt, weil sie bei deiner Rede nicht zuhören?) Das ist wichtig für die Demokratie, Herr Abgeordneter Loacker.

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 14, es geht um die Angleichung der unterschiedlichen Altersgrenzen bei Pensionen von männlichen und weiblichen Versicherten bis 2033. Dabei ist eine Klarstellung des jeweiligen Stichtages notwendig. Dazu wird sich meine Kollegin Abgeordnete Gabi Heinisch-Hosek hier noch einbringen.

Was wir aber kritisieren: Was heute die Chance der Bundesregierung bezie­hungsweise der Regierungsparteien wäre, ist, dass man gerade in einer Zeit der Rekordteuerung – die Medien haben heute von plus 11,1 Prozent Inflation berichtet; der ORF hat auch berichtet, er wird eine Spendenaktion mit NGOs machen, weil viele Menschen sich diese Teuerung nicht mehr leisten können, nur weil die Regierung versagt – die Aliquotierung bei den Pensionsneuzugängen abschaffen könnte.

Herr Bundesminister, es kann nicht gewollt sein: Je früher man in Pension geht, zum Beispiel im Jänner, umso höher ist die Pensionsanpassung im Folgejahr, und je später im Kalenderjahr man in Pension geht, umso niedriger ist die Pensions­anpassung im Folgejahr. Die meisten Arbeitnehmer suchen sich ja ihren Pen­sionsstichtag nicht aus, und die wenigen, die sich das aussuchen können, gehen jetzt früher in Pension, weil sie natürlich finanziell aufgrund der derzei­tigen, unverständlichen Regelung in Zeiten einer Rekordteuerung profitieren.

Fakt ist: Geht man im Jänner in Pension, bekommt man die volle Pensions­erhöhung im Folgejahr; geht man im Juni in Pension, bekommt man die halbe Pensionserhöhung im Folgejahr; geht man im November, Dezember in Pension, bekommt man null Pensionserhöhung im Folgejahr. Das heißt – das sind Zahlen aus einer Berechnung –, bei der nächsten Pensionsanpassung von 9 Prozent haben Menschen, die im November und Dezember in Pension gehen, bei einer Bruttopension von 1 600 Euro in 20 Jahren einen Pensionsverlust von 50 000 Euro. Das geht nicht, Herr Bundesminister! Allein heuer wären das 90 000 betroffene Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann doch nicht sein, dass der Geburtsmonat entscheidet, ob Personen eine Pensionserhöhung bekommen oder nicht. Hinsichtlich der Aliquotierung der Pensionsanpassung kann man jetzt von einer Sternzeichenpension sprechen. (Abg. Stöger: Pensionsraub!) Es kann doch nicht sein, dass ein Wassermann, der im Jänner geboren ist, die volle Pensionsanpassung bekommt, ein Zwilling, der im Juni geboren ist, die Hälfte der Pensionsanpassung, und dass derjenige, der Schütze ist und im Dezember geboren ist, keine Anpassung bekommt. Das ist ein weiterer Pensionsraub, Herr Bundesminister, ein weiterer Pensionsraub, nachdem Sie bereits die Hacklerregelung, die Langzeitversichertenregelung, die Abschlagsfreiheit abgeschafft haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt kündigen Sie aber noch einen weiteren Pensionsraub an, indem Sie die Blockvariante bei der Altersteilzeit abschaffen wollen. (Abg. Zarits: 2030!) Was ist Ihnen da eingefallen? Was hat das mit längerem Arbeiten zu tun, wenn Menschen es nicht schaffen, über diese Blockvariante in ihre Alterspension zu kommen? Das können Sie nicht wollen.

Herr Bundesminister, eine Frage: Ist diese Aliquotierung der Pensionsanpassung verfassungsrechtlich zulässig? Wir glauben es nicht und wir werden das auch prüfen. So weit muss es aber nicht kommen, Herr Bundesminister! Politisch ist die Aliquotierung der Pensionsanpassung in Verbindung mit der Rekordteuerung jetzt einfach nicht vertretbar. Herr Bundesminister, schaffen wir diese Aliquotie­rung bei den Pensionsneuzugängen ab! Beenden wir diese Geburtslotterie!

Ich bringe dazu einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Holzleitner, Keck, Kolleginnen und Kollegen zu den angeführten Gesetzen gemäß 1922 der Beilagen ein.

Der generelle Inhalt ist, erstens die Aliquotierung in Zukunft abzuschaffen und zweitens die Aliquotierung 2023 rückwirkend mit 1.1.2023 abzuschaffen, die nicht geleisteten Pensionsleistungen aufzurollen und mit April 2023 zur Aus­zahlung zu bringen.

Beenden Sie diesen Pensionsraub, stimmen Sie unserem Antrag zu! Der Präsi­dent des Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, sagt: Weg damit! Die ÖVP-Chefin bei den Pensionisten (Abg. Zarits: Senioren, bitte! Senioren!), Ingrid Korosec, sagt: Weg damit! – Herr Bundesminister, weg damit! Stimmen Sie unserem Antrag heute zu! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

15.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Eva-Maria Holzleitner, Dietmar Keck

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3073/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungs­gesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (1922 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I.          Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1.         Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 108h Abs. 1a entfällt.“

2.         Die bisherigen Z 1 und 2 erhalten die Bezeichnung Z 2 und 3.

3.         Z 4 lautet wie folgt:

 „4. § 775 Abs. 6 entfällt.“

4.         Die bisherigen Z 3 und 4 erhalten die Bezeichnung Z 5 und 6.

5.         In Z 6 lauten § 782 Abs. 1 und 2 wie folgt:

„§ 782. (1) § 108 h Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 775 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft.

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 180 h Abs. 1a und § 775 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 775 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 1. April 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 776 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.“

6.         In Z 6 erhalten in § 782 die bisherigen Abs.1 und 2 die Bezeichnung Abs. 3 und 4.

II.         Artikel 2 wird wie folgt geändert:

1.         Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 50 Abs. 1a entfällt.“

2.         Die bisherigen Z 1 und 2 erhalten die Bezeichnung Z 2 und 3.

3.         Folgende Z 4 wird eingefügt:

„4. § 401 Abs. 6 entfällt.“

4.         Die bisherige Z 3 erhält die Bezeichnung Z 5.

5.         In Z 5 lauten § 406 Abs. 1 und 2 wie folgt:

„§ 406. (1) § 50 Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 401 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft.

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 50 Abs. 1a und § 401 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 401 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 1. April 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 402 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.

6.         6. In Z 5 erhalten in § 406 die bisherigen Abs. 1 und 2 die Bezeichnung Abs. 3 und 4.

III.        Artikel 3 wird wie folgt geändert:

1.         Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 46 Abs. 1a entfällt.“

2.         Die bisherigen Z 1 und 2 erhalten die Bezeichnung 2 und 3.

3.         Folgende Z 4 wird eingefügt:

„4. § 395 Abs. 6 entfällt.“

4.         Die bisherige Z 3 erhält die Bezeichnung Z 5.

5.         In Z 5 lautet § 401 Abs. 1 und 2 wie folgt:

„§401. (1) § 46 Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 395 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft.

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 46 Abs. 1a und 395 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 395 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 1. April 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direkt­zahlungen nach § 396 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.“

6.         In Z 5 erhalten in § 401 die bisherigen Abs. 1 und 2 die Bezeichnung Abs. 3 und 4.

Begründung

Die meisten Arbeitnehmer*innen können es sich nicht aussuchen, wann sie in Pension gehen. Wenn sie Glück haben, können sie bis zum Erreichen der gesetzlichen Alters­pension in Beschäftigung bleiben und werden zum frühestmöglichen Pensionsantritts­zeitpunkt gekündigt.

Für diese Personen hängt es in Zukunft vom Geburtstag ab, ob sie einen lebenslangen Verlust ihrer Pension hinnehmen müssen, denn Türkis/Grün hat die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung eingeführt. Damit hängt es vom Pensionsstichtag ab, wie viel Pensionsanpassung man im nächsten Jahr bekommt. Hat man das Glück mit Jänner eines Jahres in Pension zu gehen, bekommt man im nächsten Jahr die volle Anpassung, mit Juli nur mehr die Hälfte und mit November oder Dezember gar keine Anpassung mehr.

Wenn die Inflation sich irgendwo zwischen Null und zwei Prozent bewegt, mag man das weniger spüren. Doch gerade jetzt in der Krise wirkt sich die Minder- oder gar Nichtanpassung stark aus und zwar bis ans Lebensende.

Bei der Pensionsanpassung zieht man die Inflation von Mitte des Vorvorjahres bis Mitte des Vorjahres heran. Das heißt: Man weiß schon jetzt, dass die Anpassung 2024 zwischen 8 und 10 Prozent liegen wird. Wer also erst im Herbst oder Winter in Pension geht, fällt um diese Anpassung fast oder gänzlich um. Dieser Verlust bleibt und summiert sich über die gesamte Bezugsdauer.

Je höher die Pensionsanpassung ist, desto größer die Ungerechtigkeit – im Jahr 2024 führt das dazu, dass Menschen, die ab November oder Dezember 2023 ihre Pension erstmals antreten, wahrscheinlich eine dauerhafte Pensionskürzung in der Höhe von rund acht Prozent in Kauf nehmen müssen. Daraus kann ein gewaltiger finanzieller Nachteil entstehen: Bei einer Bruttopension von 1.600 Euro würde der Verlust in 20 Jahren beispielsweise satte 35.000 Euro ergeben. Auch die Zahl der Betroffenen ist nicht klein: Pro Jahr gehen in Österreich rund 100.000 Menschen neu in Pension, 90.000 davon nicht im Jänner – sie hätten von der aliquoten Pensionsanpassung finanzielle Nachteile.

Bereits heuer erleiden Pensionist*innen durch die Aliquotierung einen erheblichen Nachteil. Nicht nur, dass die Anpassung 2023 nur einen Teil der tatsächlichen Inflation abgegolten hat, wurde diese durch die Aliquotierung weiter gekürzt. Zwar wurde die Regelung für heuer etwas abgemildert, sodass zumindest die halbe Pensionsanpassung gewährt wird, es macht aber einen Unterschied, ob man 5,8 Prozent oder nur 2,9 Prozent Anpassung in Zeiten einer Inflation zwischen 8 und 10 Prozent erhält. Und zusätzlich bedeutet die Regelung eben einen lebenslangen Pensionsverlust.

Ein weiterer besonderer Aspekt entsteht nunmehr durch die Anhebung des Frauen­pensionsalters. Für die nächsten 10 Jahre, beginnend mit 2024, werden durch die halbjährliche Erhöhung des Antrittsalters um ein halbes Jahr, die Pensionsantritte für Frauen vorwiegend in die zweite Jahreshälfte fallen. Damit werden ihre Pensionen automatisch durch die Aliquotierung gekürzt. Bei den ohnehin relativ niedrigen Frauen­pensionen ist diese Auswirkung eine weitere Benachteiligung.

Damit nicht ein einziger Jahrgang von Neupensionist*innen benachteiligt ist, nämlich jener mit Pensionsantritt im Jahr 2022, soll die Aliquotierung rückwirkend aufge­hoben werden. die Pensionsanpassung soll spätestens bis Ende März 2023 von Amts wegen berichtigt werden und die Nachzahlung mit der März-Pensionsauszahlung erfolgen.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, in den Grundzügen erläutert und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.