9.06

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Einen wunderschönen guten Morgen! In einer Zeit so vieler Krisen muss unser Anspruch sein, mit allen Bestrebungen dafür Sorge zu tragen, Österreich wieder an die Spitze zu bringen – vor allem wirtschaftlich –, dass der Wohlstand und damit auch unser Sozialsystem, auf das wir zu Recht stolz sind, für die Zukunft gesichert sind. Ich bin überzeugt davon, dass das nur funktioniert, wenn wir alle zusammenarbeiten, wenn jeder und jede, der oder die kann, auch einen Beitrag leistet und in dieser Zeit die Ärmel hochkrempelt und zusammensteht.

Wir brauchen aber gerade jetzt den Blick für die arbeitenden Menschen, die die­sen Beitrag leisten, die täglich aufstehen und ihre Arbeit erbringen, die viel­leicht sogar sagen: Ach, was die Politik da macht! Ich weiß schon, was zu tun ist, ich habe das schon oft erlebt. Ich strenge mich jetzt an, ich arbeite mehr. Es wird schon irgendwie gehen, dass wir durch diese Krise kommen. – Ich habe aber den Eindruck, dass genau diese arbeitenden Menschen in den letzten Jahren durch das Krisenmanagement dieser Bundesregierung völlig im Stich ge­lassen worden sind.

Die Bundesregierung, ÖVP und Grüne, hat vor drei Jahren, zu Beginn der Coronapandemie, eine Losung ausgegeben, die geheißen hat: „Koste es, was es wolle“. Dieses „Koste es, was es wolle“ ist nicht nur sehr teuer – jeder Steu­erzahler weiß, dass die Förderungen von heute die Steuererhöhungen von mor­gen sind und es wenig Sinn hat, dass wir einander die Stromrechnung sub­ventionieren –, es ist auch absolut nicht treffsicher. Sie gehen mit der Gießkanne durchs Land, bewerfen alle Probleme, die Sie sehen, mit Geld – aber was ist der Effekt davon? Glauben deshalb die Menschen mehr daran, dass sie sich durch ihr eigenes Arbeitseinkommen, durch ihre Leistung etwas aufbauen können? – Nein, überhaupt nicht! Wir sehen das in allen Untersuchungen, dass gerade die Mitte sehr stark unter Druck ist. Und dieser Glaube daran, auch in einem Generationenvertrag, der Österreich starkgemacht hat, dass man sich etwas durch eigene Arbeit, durch eigene Leistung aufbauen kann, vielleicht ein bescheidenes Vermögen auch für die eigenen Kinder erarbeiten kann, geht immer weiter verloren.

Das Resultat dieser Gießkannenpolitik ist auch eine dahingaloppierende Infla­tion. In Österreich werden die Preise für das tagtägliche Leben schneller höher als im Rest Europas. Es gab im Jänner in Österreich eine Inflationsrate von 11,2 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 70 Jahren. Schauen wir auf den Wert beispielsweise im Euroraum: Dort haben wir eine Inflation von etwa 8,6 Prozent.

Es gibt manche, die sagen: Na ja, das sind natürlich die Energiepreise in Österreich! Dass auch diese nicht hausgemacht sind, wissen wir, sie fußen auf falschen politischen Entscheidungen in der Vergangenheit, von ÖVP und vor allem SPÖ, aber auch FPÖ, Stichwort: Abhängigkeit von russischem Gas.

Selbst wenn man die Energiepreise außen vor lässt und sich sozusagen die Kerninflation anschaut, sieht man, dass diese in Österreich deutlich höher liegt als im Euroraum. Die Bundesregierung zieht – so funktioniert die Gießkanne – den Steuerzahlern das Steuergeld auf der einen Seite aus der Tasche und gibt es ihnen auf der anderen Seite gnädigst in Form von Förderungen zurück, wofür man hübsch dankbar sein muss. Das befeuert die Inflation, und zwar in einem ungeheuren Ausmaß. Ein viertel Kilogramm Butter ist in Österreich um 25 Prozent teurer als in Deutschland. Das ist das Ergebnis Ihrer völlig verfehlten Krisenmanagementpolitik! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Angerer.)

Jeder weiß, dass man gerade in solch einer Zeit der Teuerung – die Mieten werden teurer, die Stromrechnung droht, die Gasrechnung droht, beim täglichen Einkauf merke ich an der Kassa, dass die Rechnung deutlich höher ist als in den Jahren zuvor – jeden Cent, jeden Euro zweimal umdrehen muss. Sorgt der Staat dafür, dass den Menschen mehr bleibt? – Ich weiß schon, Sie haben die kalte Progression teilweise abgeschafft, aber bitte verbreiten Sie da keine Märchen, das ist ein Verzicht auf eine weitere Steuererhöhung.

Die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit, auf Löhne und Einkommen, ist in Österreich so hoch wie in kaum einem anderen Land. Wenn Sie arbeiten gehen, dann kommt der Staat und nimmt Ihnen – aufgrund von Steuern und Abga­ben in Höhe von 48 Prozent – von dem, was Sie verdient haben, 48 Prozent ein­fach so weg und verteilt das dann in einem intransparenten, bürokratischen und bisweilen sogar strukturell korrupten Umverteilungsapparat um. Aber wie gesagt, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dafür müssen Sie hübsch dankbar sein. (Beifall bei den NEOS.)

Mit diesen 48 Prozent hat Österreich den dritthöchsten Wert der OECD-Länder, was die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen betrifft – den dritthöchsten Wert! In Italien werden weniger Steuern gezahlt, in Frankreich werden weniger Steuern gezahlt, in Spanien werden weniger Steuern gezahlt, in Ungarn werden weniger Steuern gezahlt, in Finnland werden weniger Steu­ern gezahlt, in Österreich aber muss man 48 Prozent abgeben. (Abg. Lukas Ham­mer: Wo ist die Lebensqualität am höchsten? Wollen Sie uns mit Ungarn ver­gleichen?!)

Sie, Herr Wirtschaftsminister, haben jetzt eine Teilzeitdebatte vom Zaun gebro­chen. Das ist grundsätzlich richtig, weil man in einer Zeit, in der Arbeits­kräfte fehlen, auch darüber reden können muss. Ich glaube aber, so wie Sie das gemacht haben, war es grundlegend falsch. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf Teilzeit arbeitende Menschen zu zeigen und sich zu überlegen, dass man die bestraft. Man sollte sich eher die Frage stellen – und das ist für uns NEOS der Ansporn –: Warum lohnt es sich eigentlich nicht mehr, in Öster­reich Vollzeit zu arbeiten?

Wir haben uns das angeschaut: Nehmen wir einen Herr Müller her. Herr Müller hat im Jahr 1975, er war – das war ja durchaus üblich – in der Familie Allein­verdiener, er hat gut verdient, er war damals in der Höchstbeitragsgrundlage. Er hat also durchaus sehr gut verdient, er hat einen Kredit aufnehmen können, er hat auch etwas ansparen können und sich so eine Wohnung, ein Eigenheim kaufen können.

Nimmt man dieses Niveau der Abgabenbelastung – natürlich inklusive Lohn­steuer, Sozialversicherungsbeiträge und so weiter – des Herrn Müller aus dem Jahr 1975 her und vergleicht man das anhand einer Person, das ist Herr Meier, die heute über der Höchstbemessungsgrundlage ist, so zeigt sich, dass Herr Müller im Vergleich zu Herrn Meier 15 000 Euro weniger an Steuern gezahlt hat. Oder anders gesagt: Wenn die Steuerbelastung so wäre wie 1975, würden jedem, der über der Höchstbemessungsgrundlage ist, heuer 15 000 Euro mehr netto übrig bleiben. (Beifall bei den NEOS.) 15 000 Euro pro Jahr! Damit ist ein Kredit in Höhe von 300 000 Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren durchaus möglich. Es ist ja kein Wunder, dass die Menschen sagen: Ich kann mir mit meiner eigenen Leistung nichts mehr aufbauen, weil sich das nicht auszahlt!

Zur Teilzeitdebatte: Sie wollen Teilzeit arbeitende Menschen bestrafen. Wir halten das für den falschen Ansatz, zumal davon auch Frauen betroffen sind, die gar nicht anders können. Was wäre zu tun? – Vollzeitarbeit muss belohnt werden. Deshalb werden wir heute einen Antrag für einen Vollzeitbonus einbrin­gen. Das ist eine steuerliche Gutschrift im Ausmaß von 100 Euro pro Monat für alle, die Vollzeit arbeiten. Das sind 1 200 Euro pro Jahr. (Abg. Disoski: Gießkanne! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist ein Beitrag dazu, dass die enorme Steuer- und Abgabenlast in Österreich gesenkt wird.

Was braucht es noch? (Abg. Disoski: Wie finanzieren Sie das?) – Das ist keine Gießkanne, es geht ja um die eigenen Steuern, das sind ja keine Förderun­gen. Wissen Sie, wir sind ja nicht die Grünen, die gerade jetzt eine Förderung für Elektrofalträder auflegen. Der Arbeiter in einem Industriebetrieb, der Hackler kann also jetzt für den Bobo im 7. Bezirk, der die Grünen wählt, das Elektrofalt­rad zahlen. (Beifall bei den NEOS.) Danke vielmals! Das ist Umverteilungs­politik von unten nach oben, liebe Grüne!

Die Frage ist ja, warum viele nicht mehr Vollzeit arbeiten können. Da müssen wir natürlich auf die Frauen, auf die Mütter schauen. In einem reichen Land wie Österreich muss ich doch auch die Frage stellen: Was bekomme ich für mein Geld? Was bekomme ich für mein Geld in einem Hochsteuerland? Bekomme ich flächendeckende Kinderbetreuung? Bekomme ich verlässlich das bes­te Bildungssystem oder müssen die Eltern weiterhin mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr für private Nachhilfe ausgeben? Müssen Mütter und Väter mehr als 180 Euro pro Monat für einen Hortplatz ausgeben?

Gute Politik investiert gerade jetzt, gerade in solch einer Krise, in flächende­ckende, ganzjährige, ganztägige hochqualitative und am besten kosten­lose Kinderbetreuung mit einem Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag. (Beifall bei den NEOS.) So lassen wir keine Frau zurück, so lassen wir keine Familie zurück, so lassen wir kein Kind zurück, damit ermöglichen wir auch den Kin­dern alle Chancen.

Es geht darum, dass die arbeitenden Menschen wieder das Gefühl haben müssen, eine Regierung zu haben, einen Staat zu haben, der sagt: Ich wertschätze das, was du machst! Ich lasse dir auch genug, dass du dir mit deiner eigenen Leistung etwas aufbauen kannst! Ich verspreche dir, dass ich dafür sorge, dass du die besten Leistungen des Staates bekommst und wir nie­manden – niemanden! – zurücklassen! – Es ist nämlich eine Schande, dass in einem reichen Land wie Österreich 36 Prozent der Einelternhaushalte – davon sind meistens alleinerziehende Frauen betroffen – armutsgefährdet sind. Das ist auch ein Ergebnis Ihrer Gießkannenpolitik. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

9.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. – Bitte sehr.