9.39

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde geht es heute – man würde es nach den Vorredner:innen nicht glauben – um das Thema Teilzeit, Vollzeit, Problemlagen, Problemstellungen: Wie sieht die Situation der Betroffenen aus, und wie kann man die Situation der Betroffe­nen verbessern? – Das ist eigentlich das Thema. (Abg. Holzleitner: ... Rechts­anspruch auf Kinderbetreuung!)

Es wird ständig über Teilzeitbeschäftigung gesprochen, mir kommt aber vor, eigentlich immer über die Köpfe der unmittelbar Betroffenen hinweg – die sind überhaupt nicht das Thema. Darum sollten wir uns damit vielleicht einmal intensiv auseinandersetzen und schauen, wo tatsächlich dringender Verbesse­rungsbedarf ist, wo der wirklich dringende Handlungsbedarf ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, fangen wir einmal mit den Zahlen, Daten und Fakten in diesem Land zum Phänomen Teilzeitbeschäftigung an, das längst kein Phänomen mehr ist, sondern für wahnsinnig viele Menschen in diesem Land, vor allem für viele Frauen, ganz einfach alltägliche berufliche Reali­tät und Normalität! Das muss man vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben in Österreich aktuell circa 3,8 Millionen Beschäftigte – das war im Jahr 2021 –, davon waren 29,9 Prozent teilzeitbeschäftigt, das heißt, fast 30 Prozent waren teilzeitbeschäftigt.

Wie schaut das bei den Frauen aus? – Bei den Frauen waren im dritten Quartal 2022 mehr als die Hälfte der unselbstständig beschäftigten Frauen, nämlich 51,1 Prozent, teilzeitbeschäftigt! Es wird ja immer so getan, als gäbe es so etwas wie ein normales Arbeitsverhältnis, ein Idealarbeitsverhältnis von 40 Stunden, ganzjährig, Vollzeit, und das über mehrere Jahre hindurch – meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses sogenannte Normalarbeitsverhält­nis war vielleicht in den Siebziger-, Achtzigerjahren einmal normal! Dieses Nor­malarbeitsverhältnis war ausschließlich für die Männer normal, für die Frauen ist in Wirklichkeit das normal, was über weite Strecken ihre Realität ist, und das ist für die meisten inzwischen Teilzeit. Das bitte auch einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen.)

Es haben sich die Arbeitswelten, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsverhält­nisse in den letzten Jahren verändert. Es hat sich auch der Zugang der Men­schen zum Thema Arbeit, zum Thema Freizeit, zum Thema, wie man le­ben soll, wie man den Lebensunterhalt verdienen soll, einfach geändert. Das kann man jetzt bedauern, das kann man beklagen, und es gibt Rahmen­bedingungen, die schlichtweg für sehr viele Menschen nichts anderes als Teil­zeitbeschäftigung zulassen – vor allem für sehr viele Frauen.

Man darf ja eines nicht vergessen – der Herr Minister hat es ohnehin erwähnt –: Die Beschäftigungszuwächse der letzten Jahrzehnte, die immer wieder ge­feiert wurden – worauf gingen die zurück? – Das war der Anstieg der Frauenbe­schäftigung, das war der Anstieg von Teilzeit! Diese Entwicklung, der An­stieg von Teilzeit, ist in Österreich mit einem relativ konservativen Familienbild einhergegangen – man darf ja nicht vergessen, erst seit 1975 dürfen Frauen überhaupt ohne die Zustimmung ihrer Männer arbeiten! Man hat gesagt: Ja, Frauen, geht bitte schon arbeiten, die Frage der Kinderbetreuung aber, die Frage der Pflege, das ist schon eure Angelegenheit, also macht es bitte in Teilzeit! – Und jetzt auf einmal soll diese Teilzeit so furchtbar böse, so furchtbar hemmend für die Wirtschaft sein? Nein, das ist eine ausgesprochen unfaire Diskussion, das ist eine unehrliche Diskussion! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man vom Thema Arbeit spricht, vom Thema Vollzeit und Teilzeit, darf man auch zur Frage der unbezahlten Arbeit nicht schweigen, denn es ist schlicht­weg Fakt: Zwei Drittel der bezahlten Arbeit machen die Männer, zwei Drittel der unbezahlten Arbeit machen die Frauen. Wenn wir über Arbeit reden, über die Verteilung von Vollzeit und Teilzeit, dann müssen wir vor allem über die gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Män­nern und Frauen reden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, da gibt es tatsächlich einige An­sätze, die man verfolgen kann, da gibt es wirklich Lösungsmöglichkeiten. Eine wurde schon erwähnt: Natürlich müssen wir die Kinderbetreuungsplätze ausbauen, natürlich müssen wir die Pflegeplätze ausbauen. Ja, und das tut diese Regierung auch, nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, das braucht Zeit! Das, was in den letzten Jahrzehnten verabsäumt worden ist, ist nicht von heute auf morgen lösbar.

Es gibt aber auch andere Ansätze. Schauen wir in andere Länder in Europa: Frankreich zum Beispiel hat eine gesetzliche Mindestarbeitszeit von 24 Wochenstunden, in Dänemark beispielsweise gibt es in Kollektivverträgen teilweise Mindestarbeitszeiten von 18 Wochenstunden. Was haben diese beiden Länder noch gemacht? – Sie haben auch die Arbeitszeit verkürzt; und wenn ich die Arbeitszeit unten anhebe und oben verkürze, dann schließt sich natürlich auch die Einkommenslücke und die Zeitlücke besser. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) – Kollege Wurm lacht, denn Kollege Wurm lacht viel, lacht gerne, es sei ihm gegönnt, dass er lacht, er ist ein fröhlicher Mensch, das ist ganz toll. (Abg. Wurm: Das ist das ...stechen der Grünen, natürlich! Eins plus eins ist sechs, oder? – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Das Wunderbare in Dänemark – das hat sich schön gezeigt – war: Dort hat sich auch der Anteil von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen gerechter verteilt. (Bei­fall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann einiges tun, man kann auch bei Abgaben und Steuern etwas tun. Es geht immer um die gerechte Vertei­lung von Arbeit. Packen wir es an, im Sinne der Frauen, im Sinne der Männer, im Sinne aller in Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeord­neten Steinacker und Wöginger.)

9.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.