09.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es haben alle westeuropäischen Staaten ein Demografieproblem, die einen haben es stärker, die anderen weniger stark. Es kommen überall weniger Junge nach, als Alte in den Ruhestand gehen.

In keinem westeuropäischen Land aber ist der Arbeitskräftemangel so eklatant wie in Österreich. Im Schnitt machen in der Eurozone die offenen Stellen 3 Prozent der Arbeitsplätze aus, in Österreich sind es 5 Prozent. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach viel, der Unterschied macht aber 82 000 besetz­te Stellen aus! Wenn wir im Schnitt der Eurozone wären, hätten wir also 82 000 offene Stellen besetzt.

Da stimmt irgendetwas nicht. Warum fällt dieses Problem bei uns eklatanter aus als beispielsweise in Deutschland, obwohl die Deutschen ein stärkeres Demo­grafieproblem haben? – Weil sich Arbeit in Österreich nicht ausreichend rentiert!

Nehmen wir den Durchschnittsangestellten her, den Durchschnittsangestellten in Vollzeit, der ein bisschen mehr als 3 000 Euro verdient! Wenn dieser auf 60 Prozent Teilzeit zurückgeht, dann behält er 70 Prozent von seinem Netto. Jetzt wird es aber interessant: Jetzt kann er um Wohnbauhilfe ansuchen, um Heizkostenzuschuss ansuchen. Und das ist der Punkt, warum sich arbeiten nicht rentiert: Wenn er Vollzeit arbeitet, dann muss er buckeln für das, was er sonst alimentiert bekäme. Das ist der Fehler! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist gut, wenn jemand Teilzeit arbeitet, und das soll auch jeder frei entscheiden können, man muss aber schon auch eines sehen: Die meisten Leute, die in Teilzeit arbeiten, verdienen steuerfrei – von den Erwerbstätigen in Österreich verdienen ungefähr 40 Prozent steuerfrei, das muss auch einmal gesagt werden –, und diese Teilzeitkräfte sind dann auch noch vom Arbeitslosenversi­cherungsbeitrag befreit, bei voller Leistung – ich frage mich, warum –, und dann bekommen sie noch eine Negativsteuer. Und – da bin ich anderer Meinung als der Herr Minister – die Vorteile der Teilzeit liegen nicht bei der Sozialleis­tung, sie liegen auf der Beitragsseite. Dort sind die Goodies, weil diese Erwerbs­tätigen weniger zahlen müssen, und das sind die Nachteile, die die Vollzeit­beschäftigten haben.

Die Vollzeitbeschäftigten haben diese Nachteile, und das führt dazu, dass die Jungen sich aus eigener Kraft nichts mehr aufbauen können. Das ist die Perspektive, die den jungen Menschen fehlt. Wenn sie ihre Ausbildung fertig haben, wenn sie ins Berufsleben einsteigen und es zu etwas bringen wol­len, dann sehen sie: Ups, zwischen meinem Brutto und meinem Netto ist eine riesige Schere! – Die wollen aber zu etwas kommen, und daher muss es sich voll auszahlen, wenn jemand voll arbeitet!

Wir bringen daher einen Antrag für einen Vollzeitbonus von 100 Euro monatlich ein; und es müssen Überstunden günstiger werden! Wenn sich jemand anstrengt, wenn jemand mehr arbeitet, soll ihm der Staat das nicht abschöpfen, sondern er soll dann etwas davon haben! (Beifall bei den NEOS.) Daher muss auch der Steuerfreibetrag für die Überstunden massiv angehoben werden, und zwar der Eurobetrag und nicht nur die Zahl der Stunden.

Wir müssen uns genauer anschauen, wo der Staat den Menschen etwas ab­schöpft, wenn sie arbeiten. Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenversicherung an! Ich nehme ein Beispiel von vielen heraus, das in die Kategorie Lohn­nebenkosten fällt: Die Arbeitslosenversicherung kostet in der Schweiz den Ar­beitgeber und Arbeitnehmer zusammen 2,2 Prozent; in Deutschland: 2,6 Prozent, und in Österreich: 6,0 Prozent. – Mehr als das Doppelte im Ver­gleich zu den Deutschen reißen wir den Leuten aus der Tasche, wenn sie arbeiten gehen, für eine kaum bessere Leistung.

Wir haben jetzt die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren, und das AMS hat um ein Drittel mehr Mitarbeiter als vor 14 Jahren. Wenn es nach den Grü­nen ginge, würde man noch mehr Geld in dieses Fass ohne Boden schütten. Das ist der Grund, warum die Menschen vom Arbeiten nichts haben: weil wir alle möglichen Abgaben haben, mit denen wir Dinge finanzieren, denen nicht ausreichend Leistung gegenübersteht. (Abg. Wurm: ... Wahrheit ...! Was finanzieren wir denn alles, Gerald?)

Was der Staat den Menschen durch Steuern und Abgaben wegnimmt, fehlt ihnen, um aus eigener Kraft zu Wohlstand zu kommen, um sich aus eigener Kraft etwas aufzubauen. Das hat zu einer Schieflage geführt, die das Arbeiten in Österreich unattraktiv macht. So kann aber auf Dauer kein Sozialstaat bestehen, wenn es attraktiver ist, weniger statt mehr zu arbeiten, weil die Abgaben so hoch sind.

Das ist aber in Wirklichkeit das Konzept von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen (Abg. Wurm: Ha, ha, ha!): die Menschen in Abhängigkeit vom Staat zu halten, sie mit einer hohen Abgabenlast zu drücken und ihnen nachher gnädig irgendwelche Zuschüsse und Boni und Ersatzzahlungen und Hilfszahlungen zu geben. Stattdessen wäre es richtig, den Menschen netto mehr von ihrem sauer verdien­ten Geld zu lassen, damit sie aus eigener Kraft weiterkommen können. (Bei­fall bei den NEOS. Abg. Ottenschläger: Ihr wollt jetzt auch einen Bonus verteilen!)

9.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.