11.08

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Uns allen ist ja wohl bewusst, dass wir derzeit so viele Krisen gleichzeitig erleben wie seit 1945 nicht mehr – eine multiple Krise.

Die Pandemie und Putins Angriffskrieg, die Digitalisierung und die notwendigen Anstrengungen gegen die unseren Lebensraum gefährdende Klimakrise haben eine Zeitenwende ausgelöst; eine Zeitenwende, die einer umfassenden Transformation unseres Wirtschaftssystems und neuer, nachhaltiger politi­scher Rahmenbedingungen bedarf; eine Zeitenwende, die wir als Chance für den Standort Europa begreifen müssen; eine Zeitenwende, die Mut zum Gestalten, Mut zur Ehrlichkeit benötigt. Es darf kein Weiter-wie-Bisher mehr geben!

Unser Anspruch in der Standortpolitik und bei der grünen Wende muss ein ambitionierter sein. Europa muss zum Weltmarktführer bei den grünen Technologien werden. Das ist vor allem deshalb entscheidend, weil wir nach der Digitalisierung und der Telekommunikation nicht einen weiteren zukunfts­trächtigen Markt an die USA oder an China verlieren dürfen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Dieses Ziel zu erreichen, meine Damen und Herren, wird uns aber nicht mit einer Liste von neuen Verboten gelingen. Dieses Ziel erreichen wir nur dann, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft und damit Innova­tionen und Investitionen ankurbelt. Nur so gelingt uns die Wende hin zu einem nachhaltigen, wettbewerbsfähigen, sozial verträglichen, innovativen Wirt­schafts- und Industriestandort Europa.

Einige der Lösungen für diese Herausforderungen haben wir ja bereits gefunden, aber leider noch nicht konsequent genug umgesetzt: auf der einen Seite den Binnenmarkt und auf der anderen Seite die ökosoziale Marktwirtschaft. Der Bin­nenmarkt wird mittlerweile als Selbstverständlichkeit angesehen, obwohl wir es in 30 Jahren nicht geschafft haben, ihn fertig zu bauen. Ich denke jetzt nur an die Energiepolitik, an die Infrastruktur, an Schengen, an Forschung, Sicher­heit, Verteidigung, Soziales oder Gesundheit. Die ökosoziale Marktwirtschaft auf der anderen Seite findet sich als Leitmotiv auch im Vertrag von Lissabon, wobei die Debatte, was ökosozial eigentlich bedeutet, nämlich, dass der Markt auch eine Verantwortung für Mensch und Natur hat, viel zu kurz kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als letzten Punkt möchte ich Ihnen in meiner Funktion als Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der auch für die Kommunikation zuständig ist, mitteilen, dass das Europäische Parlament in diesen Bereichen bereits – wie schon angesprochen wurde – viel auf den Weg gebracht hat. Aber auch da sind wir noch nicht fertig, das zeigen die Debattenbeiträge. Wir haben in den letz­ten beiden Tagen in Brüssel bei der European Parliamentary Week, bei der auch viele Kolleg:innen aus diesem Haus dabei waren – wofür ich danke –, mit Vertreter:innen von insgesamt 39 parlamentarischen Kammern aus 27 Mitglied­staaten der Europäischen Union darüber diskutiert, wie wir die Wirtschaft, die Industriepolitik und die Fiskalpolitik neu gestalten und diesem Transforma­tionsprozess unterordnen müssen.

Wir haben bei der letzten Plenarsitzung des Europäischen Parlaments eine umfassende EU-Strategie zur Förderung industrieller Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf den von Ursula von der Leyen vorgelegten Grünen Industrieplan diskutiert. Darin geht es vor allem – wie bereits angeschnitten wurde – darum, bürokratische Hürden abzubauen und damit unseren Industriestandort ge­genüber dem milliardenschweren Subventionsprogramm der USA und dem Fünfjahresplan aus China wettbewerbsfähig und innovativ zu machen.

Außerdem steht die Energiepreiskrise natürlich auch bei uns weiterhin im Fokus. Mit dem Repower-EU-Plan investieren wir 20 Milliarden Euro an Zuschüssen und bis zu 222 Milliarden Euro an Krediten.

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt bitte den Schlusssatz formulieren!

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (fortsetzend): Ich komme zum Schluss: Damit ermöglichen wir unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren und eine stärkere Stromproduktion innerhalb der EU.

Meine Damen und Herren! Wir werden all das aber nur gemeinsam, geeint und entschlossen schaffen, und die Parlamente spielen dabei eine große Rolle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Petra Oberrauner zu Wort. – Bitte.