12.17

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Kollege Hauser, es ist schlichtweg einfach nur grindig, wenn Sie ein Volksbegehren zur mentalen Gesundheit von jungen Menschen für Ihre total skurrile Coronashow mit Tafeln, die schon vor zwei Jahren faktenwidrig waren, zu instrumentalisieren versuchen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Wurm: Was heißt da „grin­dig“! – Abg. Belakowitsch: „Grindig“ ist aber bitte, seien Sie mir nicht böse - -! Was soll denn das?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist nicht nur peinlich, das ist extrem respektlos. Es ist respektlos gegenüber den jungen Menschen, die diesem wichtigen Thema mittels Volksbegehren Aufmerksamkeit geben. (Abg. Belakowitsch: Nein, respektlos wart ihr, ihr habt sie ja aus der Schule rausgesperrt! Das ist respektlos gewesen! Ganz einfach, es war ...! – Abg. Amesbauer: Ihr seid ja schuld! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist extrem respektlos denjenigen gegenüber, die von diesem Thema betroffen sind, und es ist extrem respektlos, dass Sie ein solch wichtiges Thema zu instrumentalisie­ren versuchen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Sagen Sie einfach, es war falsch! – Abg. Deimek: ... die Gesundheit von jungen Kindern! – Abg. Amesbauer: Eine grindige Rede! – Rufe bei den Grünen: Hallo! – Abg. Leichtfried: Also der Einzige, der da grindig ist, seid ihr! – Abg. Amesbauer: Sie hat es ja zuerst gesagt!)

So, jetzt aber: Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Wie geht es dir? – Gut, denke ich zumindest, ehrlicherweise habe ich schon länger nicht mehr darüber nachge­dacht. – Das ist, glaube ich, die ehrlichste Antwort auf diese Frage, die ich in letzter Zeit bekommen habe. Auf die Frage, wie es uns geht, muss die Antwort nicht immer „gut“ sein. Das Leben muss auch nicht immer großartig laufen, wie es beispielsweise beim Lucky-Girl-Syndrome propagiert wird. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Bei diesem Tiktok-Trend wollen sich vor allem junge Frauen mit Mantras und positiven Gedanken einreden, dass ihnen das Glück einfach zufliegt. Ich halte das für höchst problematisch.

An Optimismus ist nichts verkehrt, das kann ich als unverbesserliche Optimistin auch im politischen Kontext sagen. Allein durch die Kraft der Gedanken kommt man aber nicht zu mehr Glück oder zu einem besseren Leben. Mit dieser toxischen Positivität unterdrücken wir etwas sehr Wichtiges, und das sind negative Erfahrungen und negative Gefühle. Es ist nicht so, dass immer alles toll sein muss. Es braucht negative Erfahrungen, es braucht Fehler, damit man daran wachsen kann. Wir müssen kein künstliches von Glück verfolgtes Selbst schaffen, es ist ganz okay so, wie man ist, auch mit den negativen Episoden, an denen man wächst. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Himmelbauer und Schmuckenschlager.)

Zu den Zahlen: Junge Menschen waren bereits vor 2020 psychisch enorm belastet. Dann kam es Schlag auf Schlag: Corona, Teuerung, Krieg in Europa, die Klimakrise. Gerade bei der Klimakrise geht es um Zukunftsängste. Junge Menschen gehen nicht auf die Straße, weil sie sonst nichts Besseres zu tun ha­ben, sondern junge Menschen gehen auf die Straße, weil es um nichts Ge­ringeres als den Erhalt ihrer Lebensgrundlage geht und sie Sorge haben, dass manche Verantwortungsträger das immer noch nicht verstanden haben. Das, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist die Lebensrealität von jungen Menschen.

Ich bin sehr dankbar, dass das Volksbegehren zur mentalen Gesundheit direkt von jungen Menschen kommt und somit breit mitgetragen wird, weil wir zum Teil in unserer Gesellschaft immer noch nicht verstanden haben, dass das Leben mit einer psychischen Erkrankung sehr viel Stärke bedarf und psychi­sche Erkrankungen immer wieder mit Schwäche verwechselt werden. Sätze wie beispielsweise: Alles halb so wild!, oder: Das wird schon wieder, da muss man sich halt zusammenreißen!, sind mehr oder minder gut gemeint, helfen aber absolut nicht.

Ich glaube, wir alle sind gefordert, dass wir psychische Probleme nicht klein­reden. Wir hier herinnen sind gefordert, dass wir Strukturen schaffen, damit alle die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Wir alle hier wissen, dass wir aufgrund großen Reformstaus in der Vergangenheit massive Defizite haben. Wir sind dabei, dieses kränkelnde, unterfinanzierte System auf sichere Beine zu bekommen, mit wichtigen Punkten – der Kollege von der ÖVP hat es schon an­gesprochen – wie eben auch, dass mentale Gesundheit ab dem Schul­jahr 2023/24 als Unterrichtskompetenz in allen Schulformen in allen Lehrplänen verankert wird (Abg. Belakowitsch: Da müsst ihr die Schulen offen lassen!), dass das Supportpersonal aufgestockt wird, die Finanzierungsvereinbarung fixiert wird und – das freut mich ganz besonders – dass das Erfolgsprojekt Gesund aus der Krise, das wir wieder mit 20 Millionen Euro aufgestockt haben, fortgeführt wird, durch das sich wirklich jeder und jede anonym niederschwellig Hilfe holen kann, die er oder sie braucht. Da bekommt man wirklich Psychotherapie, unabhängig vom Geldbörsl.

Danke nochmals an die Initiatoren und Initiatorinnen für das Wachrütteln, nicht nur politisch, sondern auch dafür, dass sie diesem Thema gesellschaftlich die Aufmerksamkeit gebracht haben, die es dringend braucht! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Leichtfried.)

12.22

Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich würde Sie ersuchen, dass wir im weiteren Verlauf der Debatte den Aus­druck „grindig“ wieder aus unserem Wortschatz streichen. (Abg. Stögmüller: Sehr gut!)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Yannick Shetty das Wort. – Bitte.