15.20

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte heute im Nationalrat einmal mehr die Gelegenheit nutzen, um Sie alle über die Fakten in Bezug auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu informieren und Ihnen einfach ein aktuelles Bild zur tatsächli­chen Situation zu geben. (Abg. Wurm: Das hat eh der Hafenecker schon gemacht! – Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Ich möchte gerne damit beginnen, Ihnen zu erklären, warum wir diese Debatte überhaupt führen, warum wir überhaupt vor der Herausforderung stehen, eine neue Finanzierungsform erstellen zu müssen. (Abg. Belakowitsch: Haben wir schon alles gehört! – Abg. Michael Hammer: Na dann braucht’s eh keine Dring­liche zu machen!)

Der Verfassungsgerichtshof hat vor einigen Monaten in seinem Erkenntnis festgestellt, dass auch das ORF-Streaming, also wenn jemand den ORF nur über digitale Formate konsumiert, kostenpflichtig sein muss und aufgrund des Gleichheitssatzes alle Formen der Finanzierung auch gleichermaßen in die Fi­nanzierung miteinzubeziehen sind.

Die derzeitige Regelung ist also verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat bis Ende 2023 Zeit, eine neue Regelung umzusetzen, sodass auch jene, die den ORF nicht nur über TV und Radio beziehen, sondern auch über das Handy, über das Tablet, über den Laptop, also über das Internet, dafür zahlen müssen. Das ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Es ist keine politische Ent­scheidung, sondern eine höchstgerichtliche Entscheidung. (Abg. Belako­witsch: Nein, es ist eine politische!)

Manche politischen Mitbewerber mögen jetzt ignorieren wollen, was Höchst­gerichte in Österreich entscheiden. Wir tun das nicht. Wir wollen das auch nicht tun, das ist auch nicht mein Verständnis von Demokratie, denn wir leben in einem Rechtsstaat. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Scherak: Das hat Kurz noch ganz anders gesehen! – Abg. Leichtfried: Aber nicht nur der Kurz! – Ruf: Der be­sonders!)

In der Umsetzung dieses Urteils ist es für mich aber sehr wohl wichtig, dass wir eine Lösung finden, mit der wir für die Österreicherinnen und Österreicher, die mit ihrem GIS-Beitrag über viele Jahre, ja Jahrzehnte brav den ORF finanziert haben, eine spürbare finanzielle Entlastung zustande bringen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sodass es günstiger wird. Das ist für mich eine absolute Vorbedingung in der Lösung dieser Finanzierungsfrage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dafür ist es notwendig, dass der ORF, der in den letzten Jahren definitiv ein Rie­sentanker am österreichischen Medienmarkt geworden ist, gerade in Zeiten wie diesen auch spart – so wie das alle Menschen in unserem Land derzeit tun müssen, so wie das andere Unternehmen in unserem Land tun müssen, so wie das auch besonders Medienunternehmen in der aktuellen Situation tun müssen.

Dass der ORF jetzt selbst Sparmaßnahmen setzt, ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, und wir werden uns das im Zuge der Überlegungen zu einer neuen Finanzierungsform auch genau ansehen, denn der Sparkurs ist die Grundlage dafür (Abg. Belakowitsch: Sparen müssen nur die Menschen!), dass es für die Menschen günstiger werden kann und dass es am Ende einen ORF-Rabatt für die Menschen gibt. (Abg. Belakowitsch: Was für ein ORF-Rabatt? – Abg. Kassegger: ... ORF-Rabatt gibt’s von ...!)

Wo und wie der ORF sparen will, ist letztlich Sache des ORF und des ORF-Ma­nagements. Seine Aufgabe ist es, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu er­füllen (Abg. Belakowitsch: Hat er das getan?) und innerhalb dieses Rah­mens effizient und kostengünstig sowie eben sparsam zu wirtschaften. Gerade wenn es um Steuergeld geht, ist die Sparsamkeit die oberste Prämisse. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Krisper: Hört, hört!)

Wenn sie mich auch als Staatsbürgerin fragen, dann wünsche ich mir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der natürlich schlanker ist, der österreichischer ist und der auch digitaler ist, um auch die Jugend zu erreichen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, das zerstören Sie doch gerade!)

Als Bundesregierung setzen wir insofern an, als der ORF sich auch im digitalen Raum weiterentwickeln können soll. (Abg. Heinisch-Hosek: 300 Millionen Ein­sparung? – Abg. Leichtfried: Ja, und was machen Sie dafür? Bist jetzt haben Sie überhaupt nichts dafür gemacht!) Der ORF soll künftig, natürlich unter Rück­sichtnahme auf den privaten Markt, mehr Möglichkeiten im digitalen Be­reich erhalten und mehr Inhalte auch online anbieten können. (Abg. Leichtfried: Ja, deswegen die blaue Seite einschränken, das ist sinnvoll! – Abg. Heinisch-Hosek: Orchester streichen!) Den dafür notwendigen gesetzlichen Rahmen wer­den wir mit einer sogenannten ORF-Digitalnovelle schaffen, die wir mög­lichst rasch auch dem Nationalrat vorlegen wollen. Ich werde dazu natürlich vertiefende Gespräche mit dem Koalitionspartner führen, die derzeit beginnen.

Ich möchte gerne noch etwas Grundsätzliches sagen, weil in dieser Debatte auch immer wieder der Ruf nach einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hören ist: Alle Länder in Europa haben einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und das aus gutem Grund. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist grundsätzlich eine sinnvolle Einrichtung, auch wenn ich – und es geht sicher vielen Menschen in diesem Land genauso wie mir – nicht alles gut finde, was im ORF gemacht wird. Aber: Ein öffentlich-rechtlicher Sender stellt einen Mehrwert für unser Land dar, er ist eine ganz tragende Säule eines soge­nannten dualen Medienstandortes, an dem wir eben öffentlich-rechtlichen Rundfunk und private Medien haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Gerade in einem kleinen Land, wie wir es sind, brauchen wir regionale, österreichische Inhalte; gerade in Zeiten von Fakenews, in Zeiten von Verun­sicherung brauchen wir öffentlich-rechtliche Inhalte, auf die wir uns ver­lassen können. Ich denke, das ist auch das, was sich viele Zuseherinnen und Zuseher wünschen: einen ORF, der sie objektiv und unabhängig informiert (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Dafür sollte die Politik einmal ...!), der über Kultur und Sport in unserem Land und über die Grenzen hinaus berichtet, insbeson­dere regionale und österreichische Inhalte transportiert und nah bei den Men­schen ist, bei ihrem täglichen Leben, und darüber auch berichtet. (Abg. Be­lakowitsch: Heißt das, dass Sie ORF 1 auflösen?)

Wenn wir, sehr geehrte Damen und Herren, einen solchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wollen, der das ermöglicht – und ich bin davon überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen in unserem Land das möchte –, dann müssen wir als Gesellschaft auch entsprechende Finanzierungsformen gesetz- und verfassungsmäßig sicherstellen.

Um zum Aspekt der Finanzierung zu kommen: Dass jetzt gewisse Medien – es ist ja heute schon angeklungen – schon eine Einigung bei der Finanzierung herbei­schreiben oder herbeireden, ist schlichtweg falsch. Die Gespräche mit dem Koalitionspartner haben jetzt begonnen (Abg. Brandstötter: Entschuldigung, aber die Grünen haben ja schon gesagt, dass sie ganz erfreut sind über diese Finanzierungsform!), wir sind am Anfang der Gespräche und nicht am Ende, und ja, die Variante eines neuen, günstigeren ORF-Beitrages für die Menschen liegt auf dem Tisch. (Abg. Leichtfried: Was liegt da am Tisch? Es liegt gar nichts am Tisch!) Natürlich gibt es auch noch andere Varianten, über die man reden muss. Fest steht jedenfalls, dass die derzeitige Finanzierung der GIS über TV-Ge­räte und Radio verfassungswidrig ist.

Ein Wort möchte ich auch gerne noch zur GIS generell sagen: Unabhängig vom Verfassungsgerichtshoferkenntnis ist die GIS aus meiner Sicht ein schlicht­weg nicht mehr zeitgemäßes Modell. Dass GIS-Kontrolleure an Wohnungstüren läuten, um dort zu kontrollieren, ob Geräte im Haus oder in der Wohnung sind, ist in Wahrheit ein Wahnsinn, das ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. (Abg. Belakowitsch: War noch nie zeitgemäß!) Die Österreicherinnen und Österrei­cher zahlen Zigmillionen Euro für dieses veraltete Kontroll- und Strafsystem, und deshalb ist es mehr als legitim, darüber nachzudenken, wie man das verändern kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns diese Diskussion nicht ausgesucht, aber wir müssen und werden sie führen. Das mag vielleicht eine Aufgabe sein, die nicht sonderlich populär ist, aber der Verfassungsge­richtshof hat entschieden, und dem werden wir uns auch stellen. Das ist eine Verantwortung, die man als Regierungspartei tragen muss, und diese Ver­antwortung werden wir auch übernehmen, wenngleich wir wie gesagt am Beginn der Gespräche stehen und nicht am Ende.

Meine Bedingungen sind ganz klar: Der ORF muss sparsamer werden; der ORF muss für die Menschen, die ihn über viele Jahre finanziert haben, günstiger werden.

Zum Schluss möchte ich noch zur Medienpolitik im Generellen ein paar Worte finden. Ich darf die Medienagenden nun seit einem Jahr verantworten, und es ist ein Bereich, in dem es über viele Jahre Stillstand gegeben hat. (Abg. Brand­stötter – erheitert –: Ja, der Kurz war der zuständige Minister! – Abg. Loacker: Wer hat da regiert eigentlich? – Abg. Brandstötter: Ja, wer war denn Medienminis­ter? Wer war Medienstaatssekretär? Es war der Herr Kurz!) Zehn Jahre lang gab es faktisch Stillstand, wenngleich sich die Rahmenbedingungen am Medien­markt sehr stark geändert haben, insbesondere aufgrund der Digitalisierung. Die Geschäftsmodelle der klassischen Medien verlagern sich Schritt für Schritt in die Digitalisierung, vom Print ins Internet, was natürlich neue Fragen der Transformation und auch der Finanzierung aufwirft. Und durch den Markteintritt von Onlinegiganten wie Google und Facebook wird natürlich der Wettbe­werb am österreichischen Medienmarkt auch härter. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Die Medienpolitik hat jetzt die Aufgabe, da zu unterstützen, auch ein duales Mediensystem zu unterstützen, das wie gesagt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den privaten Markt aufrechterhält. Es ist unsere Verantwortung, da auch die Stärkung der österreichischen Identität über den Medienmarkt darzustellen. Deshalb haben wir unter anderem auch eine Digitalförderung für Medien, die sich ins digitale Zeitalter transformieren müssen, auf den Weg gebracht.

Wir arbeiten derzeit an einer Journalismusqualitätsförderung zur Stärkung der Meinungsvielfalt und der Medienvielfalt in Österreich, die die journalisti­sche Qualität in den Mittelpunkt stellt, denn offene und freie Gesellschaften sind ohne unabhängige und pluralistische Medien unvorstellbar. Daher unterstützen wir auch finanziell.

Eine weitere Neuerung wird es auch im Bereich der Inseratenvergabe durch die öffentliche Hand geben, denn nur durch lückenlose Transparenz und Be­richtspflichten (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Dafür ist die ÖVP bekannt!) ist gewährleistet, dass das Steuergeld der Menschen richtig eingesetzt wird.

All diese medienpolitischen Vorhaben sind jetzt bereits umgesetzt (Zwischenruf des Abg. Scherak), befinden sich derzeit in Umsetzung – mit dem Ziel der Stärkung der Meinungs- und Medienvielfalt und der Transparenz. Ich sehe das als Aufgabe einer wertvollen Medienpolitik in unserem Land, die letztlich auch einen Mehrwert für jede und jeden Einzelne:n darstellt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steger. – Bitte sehr.