15.53

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie, aber auch vor den Bild­schirmen auf ORF III im ORF! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (neuerlich das Glockenzeichen gebend): Darf ich Sie bitten, wieder etwas gemäßigter zu sein und die Rednerin nicht zu stören?! – Danke.

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Also in meinem Redemanuskript steht zu Beginn, ich weiß nicht, ob ich heute über diesen Dringlichen Antrag, den wir jetzt diskutieren, lachen oder weinen soll. Die Antwort ist aber leider ein­deutig: Es gibt hier nichts zu lachen, es ist ausschließlich zum Weinen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Die Ibiza-Partei möchte also nun auch dem ORF seine finanzielle Grundlage entziehen. Wir erinnern uns: Wie war denn das? (Abg. Wurm: Reden wir wieder über Ibiza oder über was reden wir jetzt?) Ihr Parteichef, der auch die vom Kollegen vorgelesenen SMS zur politischen Umfärbung des ORF geschrieben hat (Abg. Belakowitsch: Reden wir etwas über den Pius Strobl!), Ihr Parteichef Heinz-Christian Strache hat versucht, die größte Tageszeitung des Landes zu ver­scherbeln (Abg. Belakowitsch: Bleiben wir beim ORF, es geht um den ORF!) und sich Zeitungen und Medien zu kaufen. (Abg. Belakowitsch: Reden wir über den ORF!) – Ja, ich verstehe schon, dass das sehr unangenehm ist, Frau Belakowitsch. Da können Sie jetzt ganz viel dazwischenschreien.

Es ist aber leider Tatsache: Man bekommt H.-C. Strache offensichtlich aus der FPÖ heraus, aber seinen Geist gibt es in der Freiheitlichen Partei nach wie vor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Und dieser Geist geht gegen die Pressefreiheit und letztlich gegen die Demokratie. Das ist leider nichts Neues, aber es verschärft sich zunehmend, was man leider an diesem Dringlichen Antrag hier heute sieht.

Ihr ehemaliger Parteivorsitzender hat auf Ibiza darüber fantasiert, wie er die „Kronen Zeitung“ verkaufen kann, um eigenes politisches Kapital daraus zu schlagen, und in der gleichen Denke gehen Sie jetzt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. Offensichtlich reicht es den Freiheitlichen nicht, auf ihrem eige­nen FPÖ-TV Propaganda zu verbreiten; Russia Today, wir kennen das alle. Sie hätten wahrscheinlich am liebsten Fox News in Österreich, das würde Ihnen gefallen – mit uns gibt es das aber selbstverständlich nicht.

Die Chats wurden verlesen, die zeigen, wie sich der ehemalige Parteichef der Freiheitlichen das mit dem ORF und der Umfärbung vorgestellt hat, wir erinnern uns aber an den ewigen Zyklus, wie das mit den Freiheitlichen ist: Opposi­tionsbank, Regierungsbank, Anklagebank. (Beifall bei den Grünen.) Das ist die Ge­schichte der Freiheitlichen und ihrer Regierungsbeteiligungen. Wir haben nach Ibiza in zwei Ausschüssen ganz ausführlich darüber diskutiert und auch all die Chats gekriegt, die offenlegen, wie Sie mit der Demokratie, mit dem Geld der Republik, mit dem Geld der Steuerzahler:innen umgehen wollen.

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema dieses heutigen Dringlichen An­trages! (Abg. Belakowitsch: Sie kommen jetzt zum Thema! Gratuliere!) Worum geht es hier eigentlich? Nach dem Ende der Schreckensdiktaturen von National­sozialismus und Faschismus sind öffentlich-rechtliche Medien, die der freien und unabhängigen Berichterstattung verpflichtet waren, ganz essenzielle Bau­steine der Demokratie. (Abg. Belakowitsch: Reden Sie nicht über Demokratie!) Und es wundert mich natürlich nicht, dass die Freiheitliche Partei, die es nicht ein­mal geschafft hat, bei der Rede des Bundespräsidenten bei den Worten „nie wieder“ zu klatschen, diese Tradition in Europa, diese demokratische Errun­genschaft nicht verteidigt und anstrebt, diese weiter zu stützen. Es ist letzt­lich nicht nur feindlich gegenüber der Presse-, der Medienfreiheit, es ist feindlich der Demokratie gegenüber. Das ist der wahre Geist der Freiheitlichen, er war es damals und er ist es bis heute. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: ... schlecht! Wird nicht besser!)

Nach dem Ende von NS-Zeit und Faschismus sind in ganz Europa öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gegründet worden, die mit ihrem Bildungsauftrag und mit einer breiten und tiefgehenden Berichterstattung ein ganz wesentli­cher Motor und Katalysator für die Demokratisierung waren, wie es Massenme­dien ganz allgemein waren. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Es ist also die FPÖ, die heute erneut antritt, um diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich zu beschneiden.

Glücklicherweise gibt es aber in Österreich genug Menschen, die es anders se­hen als die FPÖ. (Abg. Amesbauer: Wo sind die?) Jeden Tag nutzen 6,4 Mil­lionen  Menschen den ORF, 6,4 Millionen. (Abg. Wurm: Dann können die auch zahlen! ... Freiwilligkeit, Frau Kollegin Maurer! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dort holt sich ein Großteil der Bevölkerung Tag für Tag seine Informationen. Der ORF besteht natürlich nicht nur aus ORF 1 und ORF 2 (Abg. Amesbauer: Ein Netflix-Abo ist günstiger!), der ORF bietet Inhalte in TV, Radio, auf orf.at und nahezu allen großen Social-Media-Plattformen.

Durch seinen gesetzlich festgeschriebenen Auftrag hat der ORF für die Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung und Bildung bereitzu­stellen. Das unterscheidet ihn von den Privaten, die im Grunde zeigen kön­nen, was sie wollen. Die können ihr Programm in erster Linie nach wirtschaftli­chen Gesichtspunkten gestalten. Themen wie Kunst, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Inklusion oder auch Volksgruppen würden ohne den ORF kaum Sicht­barkeit erhalten. (Abg. Deimek: Das ist falsch, das wissen Sie! Das ist grundle­gend falsch, aber das wissen Sie!)

Da muss ich schon sagen, Frau Steger, Ihre Rede ist leider komplett – ich weiß nicht – gespalten wieder einmal. Auf der einen Seite beschweren Sie sich über den ORF im Allgemeinen und dann beschweren Sie sich über die Beschnei­dung der Sportberichterstattung. Also wie jetzt? Das geht sich insgesamt nicht aus. Ebenso wie es sich nicht ausgeht, dass Sie sich wieder einmal nicht auskennen, was denn überhaupt im ORF-Gesetz drinnen steht und wer denn für allfällige Sparprogramme zuständig ist. Es ist nämlich ausschließlich der Stiftungsrat und nicht die Politik (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) – der Stiftungsrat, bei dem Sie ja einen Verwandten haben, der da eigentlich sehr viel Erfahrung hat. Gerd Bacher hat einmal den Satz gesagt: „Privatsender brauchen Programm, um Geld zu machen. Öffentlich-rechtli­che Sender brauchen Geld, um Programm zu machen.“ – Der Wirt­schaftsstandort braucht den ORF. Der ORF ist nicht nur der größte und wichtigste Arbeitgeber am heimischen Medienmarkt, er ist auch der wichtigste, mit Abstand der größte Kooperationspartner und Auftraggeber der heimi­schen Film- und Musikwirtschaft. Ohne einen starken ORF würde die­sen Branchen eine wichtige Grundlage entzogen. Ich möchte ein paar Beispiele nennen.

Beispiel Film: Der heimische Film hat gerade ein neues Anreizmodell erhalten, das so für Furore sorgt, dass es in Deutschland bald kopiert werden soll. Damit dieses Anreizmodell auch seine Wirkung entfalten kann, muss der ORF auch weiterhin seine Rolle wahrnehmen können.

Musik: Über die Musik-Charta verpflichtet sich der ORF seit Jahren dazu, heimische Produktionen im Hörfunk zu spielen. Das ist ein wesentlicher Faktor für die Musikbranche, die nur durch einen starken ORF gewährleistet ist. Ich sage ein paar Beispiele: Die Rolle von FM4 als erstem Förderer von großen heimischen Popkulturexporten wie Bilderbuch, Mavi Phoenix, Soap&Skin oder Ja, Panik ist unbestritten. Das RSO, das Radio-Symphonieorchester, wirkt an heimischen Filmproduktionen mit, kooperiert mit den Salzburger Fest­spielen, der Ars Electronica, dem Steirischen Herbst, den Wiener Festwochen oder auch Wien Modern.

ORF Sport plus: Das Programmangebot von ORF Sport plus steht gleichermaßen für Spitzen- wie Breitensport und bildet natürlich das nationale und interna­tionale Sportgeschehen in seiner ganzen Vielfalt ab. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Gleichberechtigung gelegt. Randsportarten, Behindertensport oder Frauen im Sport bekommen dadurch die Sichtbarkeit, die in ande­ren Medien oft fehlt. Diese Präsenz ist unverzichtbar für die Weiterentwicklung des Sports, die Attraktivierung des Sponsorings und erfolgreiche Karriere­wege heimischer Athletinnen und Athleten.

Auch die anderen Medien brauchen den ORF. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass ein schwacher ORF den privaten Medien nutzt. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt sehr viel belastbare, international erhobene Evidenz, dass der Medien­konsum insgesamt stark leidet, wenn es keinen relevanten öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. (Abg. Amesbauer: Mit Evidenz haben Sie ja nichts zu tun!) Letzt­lich braucht es den ORF auch für die Stabilität am Werbemarkt. Große Player wie Ö3 sind unersetzlich, wenn es darum geht, das Preisniveau für Werbe­buchungen zu halten. Das wissen und betonen auch private Sender wie zum Beispiel Kronehit. (Abg. Belakowitsch: Das fällt auch nur der Frau Maurer ein!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist damit wohl deutlich geworden wie in vielen ganz anderen politischen Bereichen: Man sollte auch bei der Medienpolitik keinesfalls auf die Freiheitliche Partei hören. Sie konzentrieren sich lieber auf Propagandasender wie FPÖ TV, Russia Today und Fox News, wo Sie Radio Moskau rauf und runter spielen können, Ihre Propaganda, völlig faktenbefreit, wie Sie das in den letzten drei Jahren sehr deutlich gezeigt haben. (Abg. Belakowitsch: Passt schon! – Abg. Amesbauer: Schauen Sie sich die Umfragen an!)

Tatsache ist: Eine starke, unabhängige und freie Medienlandschaft – nicht so, wie sich das Heinz-Christian Strache in seinen SMS vorstellt – ist essenziell für eine demokratische Gesellschaft. (Abg. Belakowitsch: Auch nicht, wie Sie sich das vorstellen!) Ohne sie funktioniert es nicht, und da gehört der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Wird Zeit, dass die Grünen wieder aus dem Parlament fliegen! Reden Sie nur weiter! – Abg. Amesbauer: Besser ein Haus im Grünen als Grüne im Haus!)

16.03

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.