16.38

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie oder in den diversen digitalen Medienangeboten des ORF! Insbesondere natürlich auch herzlich willkommen alle Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bei der Rede von Kollegen Weratschnig gerade wunder­bar die Doppelmoral der Grünen gesehen (Wah-Rufe bei den Grünen), in einer Art und Weise, wie man das selten sieht. Bei den Grünen ist es nämlich immer so: Wenn die anderen etwas machen, dann ist es ganz, ganz böse, wenn man es aber selber macht – wie beispielsweise Herrn Lockl in einem Sideletter zum Vorsit­zenden beim ORF zu machen –, dann ist das ganz normal und dann ist das natür­lich redlich, denn wir sind ja die Grünen und wir wissen es besser und ma­chen es besser. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Darüber hinaus, Herr Kollege Weratschnig: Sie haben gesagt, es gibt eine politische Verantwortung und eine politische Aufgabe. Jetzt erklären Sie mir ein­mal, wo im unabhängigen Journalismus die politische Verantwortung und wo die politische Aufgabe ist! Wie geht das für Sie zusammen? Wie geht es für Sie zusammen, dass ein ORF-Landeschef von einem Landeshauptmann mitausgewählt wird? Das ist nämlich genau das, was die politische Verantwor­tung macht. Das ist genau die Nichtunabhängigkeit des ORF, die eben ein Problem ist, wobei die Grünen hier leider nicht hilfreich sind. Und das sehen wir regelmäßig. (Beifall bei den NEOS.)

Damit sind wir schon beim Kern der Debatte, die wir eigentlich heute hier führen sollten. Der Kern der Debatte ist: Wie bringen wir den ORF weiter? Kollegin Brandstötter hat das gerade schon ausgeführt. Da ist einer der zentralen Punkte natürlich die politische Unabhängigkeit. Wenn sich jetzt jemand hierherstellt und sagt, na ja, das ist alles super, dann muss man sich ganz ehrlich die Frage stellen, was er die letzten Jahre und Jahrzehnte gemacht hat. Der ORF wurde nämlich leider durch und durch politisiert, von allen Parteien – ob das die ÖVP ist, die das regelmäßig macht, ob das die SPÖ war, aber auch die FPÖ, und bei den Grünen habe ich es schon angesprochen.

Schauen wir uns den Stiftungsrat an! Der Stiftungsrat ist in Freundschaftskreise eingeteilt. Was passiert dort? Es wird im Vorhinein mit Entscheidern hier aus dem Nationalrat, aus den Parteigremien heraus politisch abgestimmt, wie die Dinge im ORF passieren sollen, wer bestellt werden soll, et cetera. Das kann doch nicht ein unabhängiger ORF sein!

Die einzige Stiftungsrätin, die unabhängig bestellt wurde, ist die von NEOS. Da hat es eine Ausschreibung gegeben, und wir haben hier eine international renommierte Expertin gefunden (Abg. Steger: Der Haselsteiner war vorher auch ganz unabhängig!), die gesagt hat, sie will das machen. Die ist nicht Parteimitglied und hat auch darüber hinaus mit uns nichts zu tun. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist, glaube ich, der Weg, den wir gehen müssen, um den ORF zu entpolitisieren. Sonst passiert das, was wir in der letzten Koalition zwischen Schwarz und Blau gesehen haben. Die Sache mit Strache wurde schon angesprochen. Wir haben damals an vielen Beispielen gesehen, wie die schwarz-blaue Regierung in den ORF hineinregiert hat, aber ein besonderes Zuckerl war das Fitnessprogramm, das H.-C. Strache präsentiert hat. Wo ist bitte der Mehrwert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn der Vizekanzler zeigt, wie er ins Fitnessstudio geht, und dafür 15 Minuten zur besten Sendezeit bekommt? Das kann nur politisch beauftragt sein. Genau so hat die FPÖ damals in der Zeit agiert. (Beifall bei den NEOS.)

Über die ÖVP und darüber, wie das bei der niederösterreichischen Landtagswahl war, wurde schon gesprochen. Auch das ist so ein Zuckerl, ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark die Politik nach wie vor in den ORF eingreift.

Da gibt es eine Untersuchungskommission, die sich die Vorfälle rund um den ORF in Niederösterreich anschaut. Wir haben alles schon gehört, was da­zu wichtig ist. Und wann wurde dieser Bericht veröffentlicht? – Einen Tag nach der Wahl, einen Tag nach dem Wahlergebnis! Wer hier an Zufall glaubt, der, muss ich ehrlich sagen, sollte sich das gut überlegen.

Die Grünen spielen sich hier, wie ich vorhin schon gesagt habe, als die Oberheiligen auf und sagen, na ja, ist alles gut. Am Ende müssen wir eines sagen: Der ORF wird nur unabhängig werden, wenn wir ihn entpolitisieren und alle Parteien herausbringen; denn – und das ist der Fehler, den wir teilweise auch hier in der Debatte hören – es ist nicht das Problem der ORF an sich, es sind nicht die Journalisten (Abg. Belakowitsch – erheitert –: ...unabhängig und äquidistant zu allen Parteien!), sondern das Problem des ORF sind rein die parteipolitischen Einflussnahmen, die wir über die letzten Jahrzehnte gesehen haben. (Beifall bei den NEOS.)

Frau Bundesministerin! Es ist absurd, wenn Sie sagen, gut, dieses Problem lösen wir, wir machen jetzt ein anderes System, jetzt zahlen wir nicht mehr GIS-Gebühren, sondern die Haushaltsabgabe, ohne alle Hausaufgaben, die davor zu erledigen sind, auch nur angegangen zu sein. Das sind ganz einfache Haus­aufgaben. Das ist einerseits die klare Definition: Was ist der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF? Das ist eine Sache, die wir hier diskutieren können, die auch hier zu diskutieren ist, neben vielen anderen Dingen, die wir nicht hier dis­kutieren müssen, nämlich wer genau wo oder was, welche Sender bekommt oder ob das Radio-Symphonieorchester gerettet werden soll, ob ORF Sport plus gerettet werden soll.

Das ist ja die Absurdität in der Debatte, die wir hier führen: Wir sagen, wir wollen eigentlich weniger Einfluss vonseiten der Politik, und gleichzeitig gibt es die ganze Zeit politische Zurufe, was der ORF zu tun hat und zu erhalten hat. Das ist ja absurd!

Aber kommen wir zurück: Das heißt, Sie haben hier jetzt die Aufgabe, nicht nur über die Finanzierung zu reden, sondern davor die Hausaufgaben zu machen, nämlich erstens den Begriff öffentlich-rechtlicher Auftrag klar zu definieren und zweitens – und das ist genau das Wesentliche – den ORF zu entpolitisieren. Erst der nächste Schritt wäre es, über die Finanzierung zu reden.

Dann komme ich zum Antrag der FPÖ. Die FPÖ stellt hier einen Antrag, den ich in vielen Punkten nicht unterschreiben kann, insbesondere die Begründung ist wirklich teilweise unterirdisch. Ich habe selten einen so unterirdischen Antrag erlebt, was die Begründung betrifft. (Abg. Steinacker: Was ist „unterirdisch“? – Abg. Belakowitsch: Inhaltslos!) Allerdings muss man dazusagen, dass der Entschließungstext natürlich richtig ist, denn es ist jetzt nicht der richtige Zeit­punkt, hier Maßnahmen finanzieller Natur zu setzen, ohne davor die an­deren Hausaufgaben zu machen. Darüber hinaus ist es aber notwendig, eben die anderen Maßnahmen zu setzen.

Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entpolitisierung ORF“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einflussnahme auf den ORF sofort zu beenden und rein politische Besetzungen rückgängig zu machen. Zusätz­lich braucht es ein neues ORF-Gesetz, das folgende Punkte beinhaltet:

- Reform der Gremien: Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von par­teipolitischer Logik dominiert werden.

- Verankerung der redaktionellen Eigenverantwortlichkeit sowie Doppelspitzen für Informationskanäle bzw. den multimedialen Newsrooms.

- Nachschärfung des Programmauftrages: Der ORF bekommt eine transparente und nachprüfbare Programmstruktur, die sicherstellt, dass jedes ORF-Pro­gramm dem Programmauftrag entspricht.“

*****

Das sind die Dinge, Frau Bundesministerin, die Sie als Erstes angehen müssen, bevor wir über die Finanzierung reden. Besonders wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass endlich die Politik raus aus diesem ORF kommt. (Beifall bei den NEOS.)

16.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Henrike Brandstötter, Kollegin­nen und Kollegen

betreffend Entpolitisierung ORF

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über den Dring­lichen Antrag betreffend „Nein zur ORF-Steuer!“

Seit Ende Jänner 2021 ist bekannt, dass es neben der Regierungsvereinbarung einen Sideletter zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne gibt. Dieser bein­haltet – neben anderen Absprachen zu Posten und politisch heiklen Themen – auch Absprachen zum ORF. „Darin werden die ORF-Direktoriumsposten im Verhält­nis drei ÖVP – inklusive Generaldirektor – versus zwei Grüne aufgeteilt. Wrabetz war laut Salzburger Nachrichten zwar bewusst, dass es Abmachungen gab, „aber ich bin erstaunt, dass das so detailliert geregelt war. Das ist selbst in der ORF-Geschichte ungewöhnlich.“ Man müsse nun daraus lernen und etwa darüber nachdenken, den Stiftungsrat pluralistischer aufzustellen.“ (https://www.derstandard.at/story/2000133002881/ex-orf-chef-wrabetz-bestaetigte-postenabsprachen-unter-tuerkis-blauer-regierung) Zusätzlich zu Alexander Wrabetz hat sich auch der ORF-Re­dakteursrat per Aussendung zu der Thematik sehr kritisch geäußert. Überdies stellt sich die Frage, ob die aufgetauchten Absprachen überhaupt mit dem ORF-Gesetz vereinbar sind, in dem es unter §1 Abs 3 heißt: „Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungs­ordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Be­richterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogen­heit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Öster­reichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichi­schen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.“

Einmal mehr wird klar, dass die Regierung endlich unserer langjährigen Forderung einer Entpolitisierung des ORF und seiner Gremien nachkommen und sicher­stellen muss, dass der öffentlich-rechtliche ORF unabhängig und im Sinne des ORF-Ge­setzes arbeiten kann. Wichtigster erster Schritt ist eine Neuorganisation der Gremien des ORF: Der ORF soll strukturell ähnlich einer Aktiengesellschaft aufgestellt werden. Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden. Stattdessen gibt es eine "Hauptversammlung", die sich aus Bürger:innen, die per Los gewählt werden, aus Repräsentant:innen von Institu­tionen der Zivilgesellschaft sowie einer Person pro Parlamentsklub zusammensetzt. Die Hauptversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium. Dieses wiederum bestellt einen Vorstand, der als Kollegialorgan aus mehreren Vorständen besteht, um so nachhaltige Führungsqualität zu gewährleisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einflussnahme auf den ORF sofort zu beenden und rein politische Besetzungen rückgängig zu machen. Zusätz­lich braucht es ein neues ORF-Gesetz, das folgende Punkte beinhaltet:

-           Reform der Gremien: Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden.

-           Verankerung der redaktionellen Eigenverantwortlichkeit sowie Doppelspitzen für Informationskanäle bzw. den multimedialen Newsrooms.

-           Nachschärfung des Programmauftrages: Der ORF bekommt eine transpa­rente und nachprüfbare Programmstruktur, die sicherstellt, dass jedes ORF-Programm dem Programmauftrag entspricht.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.