17.24

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es bei einem vorigen Tagesordnungspunkt schon angesprochen, aber es ist ein so wichtiges Thema, dass es gar nicht oft genug gesagt werden kann.

Schade ist, dass leider im Gegensatz zum letzten Bautenausschuss Bundesminis­ter Kocher nicht anwesend ist – auch wenn ich mich freue, dass Sie heute da sind, Frau Staatssekretärin, lieber hätte ich gesehen, dass Herr Bundesminis­ter Kocher da wäre, weil er die Anfragebeantwortung unterschrieben hat beziehungsweise der Kopf Ihres Hauses ist, und auch deswegen, weil er im Bau­tenausschuss am 23. Februar wiederum falsche Dinge wiederholt hat, von denen ich ihm schon eindeutig nachgewiesen habe, dass das nicht so ist. Ich ha­be es auch hier ausgedruckt (ein Schriftstück in die Höhe haltend), ich werde es Ihnen dann übergeben, Sie können es ihm mitnehmen. (Abg. Steinacker: An Selbstvertrauen nicht zu übertreffen, der Philipp!) – Frau Kollegin Steinacker, auch Sie sind in der Gemeinnützigkeit verankert (Abg. Steinacker: Ja, sicher!), Sie wissen es, und Sie kennen auch ganz sicher den Kommentar zu § 7, zu dem Verfassungsrichter Holoubek eindeutig festhält, dass es dem Gesetz widerspricht, was in den Erläuterungen steht, und dass es überschießend ist.

Aber nun zu meiner Rede und der Besprechung der Anfragebeantwortung: Im Bautenausschuss vom 23. Februar sorgte die Frage um Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau zu Recht wieder für erhebliche Aufregung. Herr Bundesminister Kocher steht nicht ohne Grund auch in der Kritik der So­zialdemokratie und der NEOS.

Ich sage es ganz offen, Herr Bundesminister – vielleicht hören Sie es nach oder vielleicht hören Sie es sich eh an –: Sie und leitende Mitarbeiter Ihres Minis­teriums haben den größten Anschlag auf den sozialen Wohnbau in der Geschichte der Zweiten Republik zu verantworten. Ja, leider sind diese Aus­wirkungen wesentlich umfangreicher und noch gefährlicher als jene des unsäglichen Buwog-Verkaufes. Diese durch Ihr Haus und dadurch auch durch Sie verantworteten Gefahren für den sozialpolitisch so essenziellen Bereich der Wohnungsgemeinnützigkeit müssen Ihnen im Detail bekannt sein. Ich habe Sie brieflich bereits darüber in Kenntnis gesetzt, und auch im Bautenaus­schuss wurde wie gesagt darüber gesprochen. Auch meine Kollegen von der Sozialdemokratie und von den NEOS haben das Gleiche noch einmal auf­gegriffen. Es gibt also genügend Hinweise.

Dazu habe ich auch eine Anfrage gestellt, und Ihre Anfragebeantwortung dazu vom 14.2. soll offenbar nur dazu dienen, diese sozialpolitisch explosiven Gefahren zu verschleiern – sozialpolitisch explosive Gefahren für circa zwei Millionen Bewohner und fast 700 000 leistbare Mietwohnungen.

Es wird immer offensichtlicher, Herr Bundesminister, dass Sie sogar wollen, dass Anleger, Spekulanten, Banken und Versicherungen den gemeinnützigen Wohnbau aufkaufen. Leistbare Wohnungen gibt es dann aber nur noch für In­vestoren und nicht mehr für Mieter. Wenn es nämlich nach Ihnen und lei­tenden Mitarbeitern Ihres Hauses geht, Herr Bundesminister, dann kau­fen Investoren Sozialwohnungen zum Sozialtarif und dürfen diese dann frei an die Menschen vermieten. Dass das keine abstrakte Sorge ist, zeigen die ersten Vorbereitungshandlungen im Bereich der Grazer Reininghausgründe in der Steiermark – so viel dazu, dass es, wie im Bautenausschuss behauptet wurde, keinen Anwendungsfall gibt. Es gibt ihn!

Ein Drittel der Haushalte geht davon aus, sich die Miete in den nächsten drei Monaten nicht mehr leisten zu können. Der ÖVP-Wirtschaftsminister und seine leitenden Angestellten verscherbeln den gemeinnützigen Wohnbau an Investoren. Die berüchtigte Eiserne Lady Maggie Thatcher hat ihn wenigstens günstig an die Bewohner verkauft. Sie gehen noch weiter als diese fanati­sche Neoliberale, Sie verscherbeln ihn gleich an Anleger.

Vor den Folgen dieser unsozialen, verantwortungslosen Politik, dieses wohnpoli­tischen Raubzuges warne nicht nur ich, nein, vor den Folgen warnen auch die Sozialpartner in Gestalt der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer. Dazu sei allen Wirtschaftskammerfunktionären gesagt: Es gibt dazu eine Presseaus­sendung von WKO-Obmann Pisecky. Bitte schauen Sie sich die an! Auch er warnt davor.

Der genossenschaftliche Dachverband der GBVs fordert rasche Gegenmaßnah­men. Die SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál kritisiert die Regelung. Oberösterreichs FPÖ-Landeshauptmannstellvertreter und Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner kritisiert die Regelung und ruft den Gesetzgeber zum Handeln gegen Anlegerwohnungen in der Wohnungsgemeinnützigkeit auf. Der Niederösterreichische Landtag hat auf FPÖ-Initiative einstimmig einen Resolutionsantrag gegen diese Politik angenommen.

ÖVP-Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger stemmt sich in der Beantwortung einer Anfrage, die die FPÖ an ihn im Niederösterreichischen Landtag gestellt hat, gegen Ihre Politik und gegen die Politik des ÖVP-Wirtschaftsministeriums.

Ich sage Ihnen eines, Herr Bundesminister – und ich gebe es Ihnen jetzt mit, Frau Staatssekretärin –: Wenn Sie länger allein auf die Expertise Ihres Hauses ver­trauen, wie Sie eben auch im Ausschuss bekundet haben, dann wird das langsam politisch grob fahrlässig.

Ich hoffe, es wird auch mein Kollege, ÖVP-Bautensprecher Hans Singer, widersprechen. Er hat im Bautenausschuss gemeint, dass das Thema besser bei Experten und nicht hier im Hohen Haus aufgehoben wäre. Lieber Hans – und ich gebe es dem Herrn Bundesminister mit –: Alle namhaften Experten ha­ben sich bereits gegen diese legistisch wie moralisch schlechte Regelung ausgesprochen. Ich bringe nur wenige Beispiele: Verfassungsrichter Michael Ho­loubek spart nicht mit Kritik daran, ebenso wie der renommierte Wohn­rechtler und Anwalt Christian Prader.

Du siehst also, lieber Hans, die Experten kommen zu eindeutigen Ergebnissen, und ich übergebe Ihnen das jetzt, Frau Staatssekretärin. Bitte schön, feier­liche Übergabe. (Der Redner überreicht Staatssekretärin Kraus-Winkler Papiere.) Randziffer 4, da steht es eindeutig drin, Frau Kollegin Steinacker kann es sich dann auch noch einmal anschauen.

Martin Kocher und sein Haus aber stemmen sich gegen diese Expertise, meine sehr verehrten Damen und Herren, gegen den vereinten politischen Druck der Opposition. Daher frage ich mich: Warum?

An dieser Stelle muss ich noch einmal wiederholen: Es muss klar sein, dass Ge­setze hier im Nationalrat beschlossen werden und nicht von irgendwelchen Perspektivengruppen. Wenn ich mir die sonderbare Genese jener Erläuterungen ansehe, die uns jetzt alle hier beschäftigen, dann wirft diese Genese dramati­sche Fragen auf. Da reden wir über eine Dreistigkeit, dass es selbst einem Thomas Schmid die Sprache verschlagen würde. Es muss für alle Zukunft klar sein, dass die Abteilung WGG nicht dafür da ist, einzelfallspezifische Aus­künfte etwa an Unternehmen oder Aufsichtsbehörden zu erteilen. Es muss für die Zukunft klar sein, dass die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereini­gungen allein bei den Landesregierungen liegt und der genossenschaftliche Re­visionsverband und auch die Finanz – die wird sich eh noch damit beschäf­tigen – mitzureden haben, nicht das Wirtschaftsministerium. Diese Bereiche sind sozusagen wieder sauber zu trennen.

Und: Es geht nicht an, dass Aufsichtsbehörden, die nachfragen, ob das denn auch alles rechtens wäre, von einer Anwaltskanzlei und dem Wirtschaftsministe­rium in die Zange genommen werden. Es muss klar sein – und ich hoffe, dass Sie das sicherstellen –, dass aktive leitende Angestellte des Wirtschaftsmi­nisteriums nichts in Perspektivengruppen zu suchen haben, die Interessen ver­treten. Ich weiß, dass Aufsichtsbehörden der Länder in der Frage Anleger­wohnungen bereits Anfragen an Ihr Haus gestellt haben, und ich erwarte, dass Sie Ihrem zuständigen Herrn Abteilungsleiter eine entsprechende Weisung erteilen, nämlich dass Anlegerwohnungen im sozialen Wohnbau nichts zu suchen haben, vor allem nicht im steuerprivilegierten Geschäftskreis.

Um exemplarisch zu belegen, dass Sie wohl durch falsche Informationen bewusst in die Irre geführt werden, darf ich Ihnen Auszüge aus einem Buch überrei­chen, auch das habe ich schon gemacht; aus einem Buch, an dem auch Ihr Abteilungsleiter mitgeschrieben hat, aus einem Buch, für das mehrere Autoren Beiträge schreiben, aus denen hervorgeht, dass letztlich Anlegerwoh­nungen durch die WGG-Novelle 2022 und nicht, wie der Herr Bundesmi­nister fälschlich im Bautenausschuss behauptet hat, 2019 implementiert wurden. Damit wäre bereits die erste Desinformation nachgewiesen, die auch in der heutigen gegenständlichen Anfragebeantwortung enthalten ist.

Kommen wir nun konkret zur Anfragebeantwortung. Sie tritt das Interpellations­recht mit Füßen. So gesehen ist zu hoffen, dass Sie die Beantwortung nicht eingehend studiert haben, Herr Bundesminister, bevor Sie sie unterschrie­ben haben. Das würde nämlich ein Demokratieverständnis offenbaren, das in unserer Zeit und auch in Ihrem Verständnis, glaube ich, nichts zu suchen hat. Nicht eine Frage wurde konkret beantwortet.

Sie schreiben ganz unverfroren und wahrheitswidrig: „Nachdem die Geschäfts­kreisnorm des § 7 [...] nicht geändert wurde, erfolgte durch die WGG-No­velle 2022 keine wie immer geartete ,Öffnung‘ der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft im Sinne der Anfrage.“

Jetzt frage ich: Was soll denn diese Formulierung „keine ,Öffnung‘ im Sinne der Anfrage“ bedeuten? Was wäre denn eine Öffnung nicht im Sinne der An­frage? – Offenbar wollte mir der Herr Bundesminister keine konkre­ten Antworten geben, oder vielleicht wollten mir auch leitende Mitarbeiter seines Hauses keine Antworten geben, weil es unbequeme Wahrheiten sind, die da ans Licht kommen würden; weil man geglaubt hat, mit diesen Sachen durchzukommen – ein schlimmeres Wort, das ich da aufgeschrieben habe, sage ich nicht –, weil man geglaubt hat, dass diese Sachen niemandem auffallen würden – bis es zu spät ist, bis die Wohnungsgemeinnützigkeit sich selber abge­schafft hat.

Fakt, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das ist auch mein Schluss­satz –, ist jedenfalls, dass es durch die WGG-Novelle 2022 zur entspre­chenden Öffnung kam. Exemplarische Auszüge aus der Literatur habe ich Ihnen bereits übergeben. Damit ist auch diese Antwort bereits falsifiziert. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Im Übrigen: Welche Auskünfte das Ministerium gegenüber gemeinnützigen Bauvereinigungen hinsichtlich der Auslegung des WGG bereits gegeben hat,  blieb unbeantwortet.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt bitte wirklich den Schlusssatz formulieren.

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (fortsetzend): Dazu werde ich eine geson­derte Anfrage einbringen.

Festzuhalten bleibt: Es kann nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, dass Beamte Politik machen und nicht wir hier im Hohen Haus. (Beifall bei der FPÖ.)

17.35

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler zu Wort gemeldet. – Frau Staatssekretärin, Ihre Redezeit soll auch 10 Minuten nicht überschreiten. Sie haben jetzt das Wort.