Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Schönen Vormittag, Herr Bundes­minister! Die Aufrüstungsspirale dreht sich – auch aufgrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine – wirklich rasant nach oben. Worte wie Waffen­lieferungen, Munitionslieferungen, Panzer und vieles mehr sind gefühlt in aller Munde. Jetzt haben wir natürlich als Österreich aufgrund unserer Geschichte, aber auch aufgrund der Neutralität eine besondere Verantwortung. Wir könnten auch den Boden aufbereiten, um sozusagen zurück zum Verhandlungstisch zu kommen. Sie wissen: Mehr Waffen haben noch niemals für Frieden gesorgt.

Deshalb meine konkrete Frage an Sie:

259/M

„Mit welchen Initiativen setzen Sie sich für die rasche Aufnahme von Friedens­gesprächen zwischen Russland und der Ukraine ein?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich könnte Ihnen gar nicht mehr zustimmen: Mit mehr Waffen wurde noch nie Frieden geschaffen. Es ist eine Frage des Hausverstandes. Frieden oder auch Waffenstillstände werden an einem Tisch und nicht am Schlachtfeld festgelegt.

Wir haben nur momentan die Situation vor Ort, dass vor allem von russischer Seite versucht wird, Fakten am Schlachtfeld zu schaffen, und die Ukraine sich entsprechend verteidigt. Ich sage gerade auch vor dem Hintergrund des heutigen Videoauftritts des ukrainischen Präsidenten hier im Parlament und des Auszugs einer Partei, dass die Unterstützung für die Ukraine in Wirklichkeit momentan der beste Weg ist, um zu Friedensgesprächen zu kommen, denn wir haben da einen Staat, der aufgrund neoimperialistischer Anwandlungen glaubt, einen Nachbarstaat überfallen zu müssen. Wir müssen gerade als Österreicher für die UN-Charta, für die Grundprinzipien wie das Gewaltverbot eintreten. Ja, es gibt aber natürlich weiterhin Gesprächskanäle.

Ich sage auch ganz klar, dass wir Österreicher nicht anstehen werden, im Moment, ab dem es möglich ist – ich sage aber gleich dazu, das ist momentan nicht möglich –, wieder den Weg zu bereiten, dass wieder Diplomatie Raum greift.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Ich möchte gern bei der Friedens­sicherung bleiben, nämlich bei der  Europäischen Friedensfazilität, die ja vor einigen Jahren gegründet wurde, um Frieden zu sichern, um Konflikte in Drittstaaten einzudämmen. Österreich beteiligt sich auch finanziell an diesem Topf, und deshalb meine Frage: Herr Bundesminister, finanziert Österreich als neutrales Land letale Waffen oder Ausrüstungen direkt und indirekt über diesen Topf?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ganz klar: nein, weder direkt noch indirekt. Es gibt jedes Mal getrennte Beschlüsse innerhalb der Europäischen Friedens­fazilität, ob es um den letalen Bereich geht oder um den nicht letalen. Das Geld hat also insofern ein klares Mascherl in diesem Zusammenhang.

Wir haben eine klare Linie, und die wird auch von der Ukraine sehr respektiert und auch anerkannt. Ja, wir unterstützen. Wir sind sogar Nummer eins am BIP gemessen, laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft, was Unterstützung, nämlich zivile und humanitäre Unterstützung für die Ukraine betrifft. Es wird aber keine Unterstützung von Österreich für letales Gerät oder für Waffen für die Ukraine geben, weder über die EU noch über sonst irgendeinen Weg. Das kann ich ausschließen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Marchetti. – Bitte.

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Ich möchte nur daran erinnern, welch Häme und Kritik auf uns niedergeprasselt sind, als wir uns dafür ausgesprochen haben, dass auch eine russische Delegation an der Wintertagung der Parla­mentarischen Versammlung der OSZE teilnehmen kann – dies teilweise von denselben Leuten, die Friedengespräche von uns fordern. Diese Logikbrüche muss man, glaube ich, auch einmal benennen.

Um aber auch noch kurz über den Krieg und die Eskalationsstufen dort zu reden, denn Putin hat sich ja entschieden, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren: Was sagen Sie zu dieser Eskalationsstufe Russlands in den letzten Tagen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Man muss sagen, leider Gottes fügt sich das in eine Rhetorik und in Handlungen von russischer Seite ein, die wir seit letztem Februar, März sehen. Ich erinnere mich noch, vor zwei Jahren – Öster­reich ist ja die Speerspitze im Kampf für die Abschaffung von Atomwaffen, für ein internationales Verbot – wurden wir belächelt, als wir damals noch auf Social Media eine Kampagne dazu gestartet haben. Kaum hat der russische Präsident einen Halbsatz zur Alarmbereitschaft der Atomstreitkräfte in Russland gesagt, sind sozusagen alle nervös geworden.

Jetzt hat er einen neuen Akt gesetzt. Er wachelt sozusagen immer wieder mit der nuklearen Keule. Das ist absolut inakzeptabel, das ist verantwortungslos. Und dass er jetzt erklärt oder ankündigt, dass in Belarus auch Atomwaffen stationiert werden, ist ein Bruch jeglicher Konvention.

Ich glaube, das bestätigt uns weiterhin in unserer ganz klaren Linie in Österreich, die auch vom Nationalrat getragen und unterstützt wird: dass wir für Abrüstung eintreten, dass wir eigentlich am Ende des Tages eine internationale Konvention haben wollen, die nicht nur von Nicht-Atomwaffen-Staaten, wie es bisher der Fall ist – immerhin an die 70 –, ratifiziert wird, sondern auch von den atom­waffenbesitzenden Staaten ratifiziert wird, mit der Atomwaffen international verboten und geächtet werden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Tomaselli. – Bitte sehr.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Wir haben heute auch von Präsident Selenskyj gehört, dass heute der 400. Tag der kriegerischen Invasion durch Russland in die Ukraine ist. Seit Kriegsbeginn dominiert auch aufgrund der Sanktionspolitik die Frage, wie angemessen es ist, mit dem kriegerischen Russland Geschäfte zu machen. Seit Monaten wird die Raiffeisen Bank Interna­tional aufgrund der Russlandgeschäfte kritisch beäugt, und erst kürzlich hat die amerikanische Sanktionsbehörde Ofac an die Raiffeisen Bank International diesbezüglich einen Fragebogen übermittelt.

Meine Frage an Sie, Herr Minister, wäre: Wurden Sie oder das Außenminis­terium dazu bereits auf diplomatischem Wege durch die USA oder deren Vertretung kontaktiert, und falls ja, was war der Inhalt der Kommunikation?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich habe zu dieser Frage in der Vergangenheit schon wiederholt öffentlich Stellung genommen, ich mache es hier gerne noch einmal. Ich glaube, wir sollten einmal, Punkt eins, die Kirche im Dorf lassen. Laut einer Studie der Universität Sankt Gallen haben sich über 90 Prozent der Unternehmen noch nicht aus Russland zurückgezogen, und man weiß auch, wie eng der Rahmen in Russland ist. Es muss ja dort dann erst sozusagen eine Genehmigung erfolgen. Ich kenne die Anfrage der Ofac an die Raiffeisen nicht. Das wird dann an der RBI liegen, diese selber zu beantworten.

Es ist aber auch vollkommen legitim. Man tut in Österreich immer so, als gäbe es nur die Raiffeisen und nur sie sei betroffen. Die Ofac hat an eine ganze Reihe von Unternehmen in allen möglichen europäischen Staaten solche Fragebögen gerichtet – das ist also nichts Außergewöhnliches und völlig legitim.

Ich kann nur dazusagen: Punkt eins, ich wurde noch von keinem Amtskollegen, weder in Brüssel noch bei sonstigen Reisen und Auslandsbesuchen oder bei meinem Besuch in Washington je darauf angesprochen oder auf die RBI angesprochen. Und Punkt zwei, es ist aber für mich völlig klar, dass österreichi­sche Unternehmen auf Punkt und Beistrich ohne Wenn und Aber die Sanktionen einhalten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener von Frau Abgeordneter Steger. – Bitte.