Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Seit Beginn dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands tritt diese Bundesregierung gemeinsam mit dem Rest der hier anwesenden Einheitspartei unsere verfassungsrechtlich und auch völkerrechtlich verpflichtende Neutralität mit Füßen. Sie treten sie mit Füßen durch Wortmeldungen, durch Staatsbesuche, Waffentransporte quer durch Österreich, Sanktionen, Milliardenzahlungen und vieles mehr bis hin zur heutigen Privatveranstaltung, die als Nationalratssitzung getarnt dem Präsidenten einer kriegsführenden Nation einen Auftritt in unserem Hohen Haus ermöglicht hat. Es ist traurig, dass es offenbar nur noch eine Partei hier gibt, die unsere immerwährende Neutralität wirklich ernst nimmt und glaubhaft für Frieden eintritt. (Abg. Lukas Hammer: Mit Freundschaftsverträgen mit Putins Partei, ja! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist erschreckend, abgesehen von der Missachtung unserer Verfassung, dass Sie mittlerweile Milliardenzahlungen der EU und Österreichs an die Ukraine über alle möglichen Wege und Töpfe ermöglicht haben, angefangen von der Makrofinanzhilfe, der Friedensfazilität – den Titel allein würde ich schon als Fakenews bezeichnen – bis hin zu bilateralen Zahlungen (Abg. Gerstl: Sie sind eine Gefahr für Österreich! – Ruf bei der ÖVP: Fünfte Kolonne!) – und das, obwohl wir das Geld dringend im eigenen Land brauchen würden und die Menschen hier reihenweise verarmen. Doch das ist Ihnen anscheinend vollkommen egal.

Daher meine Frage:

249/M

„In welcher Gesamthöhe hat die Republik Österreich (bilateral sowie über internationale Finanzierungsmechanismen) bislang die Kriegspartei Ukraine unterstützt?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich sehe das genau umgekehrt. Ich habe das Gefühl, es gibt nur eine Partei hier im Plenum, die nicht verstanden hat, was Neutralität bedeutet. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, es gab auch einmal eine Zeit, in der die FPÖ sehr wohl verstanden hat, was Neutralität bedeutet. Neutralität ist nämlich eine militärische Neutralität und keine Gesinnungsneutralität. Sie war es seit 1955 nicht. Ich wiederhole das immer wieder: Als 1956 sowjetische Panzer in Budapest eingerollt sind, hat Österreich genau gewusst, wo es steht und hat in der UNO-Generalver­samm­lung die Resolution der UNO gegen die Sowjetunion unterstützt, kaum zwölf Monate nachdem wir die Neutralität als immerwährendes Bundesverfassungs­gesetz beschlossen haben. (Abg. Gerstl – in Richtung Abg. Steger –: Lernen Sie Geschichte!)

Diese Linie ziehen wir ganz klar weiter. Das, was uns am besten schützt, sind die UN-Charta, die Grundrechte, das Gewaltverbot, der Respekt für die territoriale Integrität und Souveränität anderer Staaten, der Aufruf zu Dialog. Und wenn ein Staat, der Nuklearwaffen besitzt und noch dazu ständiges Mitglied im Sicher­heitsrat ist, beschließt, das alles über Bord zu werfen, dann können wir als Österreicher nicht zuschauen. Das internationale Völkerrecht ist nämlich unser Schutzmantel. Diese Linie werde ich auch weiterziehen.

Und ja, wir werden auch weiterhin unsere Solidarität zeigen. Wir haben insge­samt 129 Millionen Euro von der öffentlichen Hand für die Ukraine geleistet. Ich habe es vorhin erwähnt, laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft sind wir nach dem BIP gerechnet, zusammen mit den privaten Leistungen, Nummer eins in Europa und in absoluten Zahlen Nummer drei.

Wir haben – es wurde auch vorhin, als Präsident Selenskyj da war, erwähnt (Abg. Belakowitsch: Der war nicht da!); da waren Sie nur leider Gottes nicht im Saal – über 90 000 Vertriebene aufgenommen. Das österreichische Volk – und ich kann der österreichischen Zivilbevölkerung nur meinen Dank aussprechen – hat einen unglaublichen Grad an Solidarität gezeigt, auch durch Nachbar in Not. Präsident Selenskyj hat es auch erwähnt, nur waren Sie leider Gottes nicht da, dass wir da einen wirklich bemerkenswerten Akt der Solidarität und der Unterstützung gesetzt haben – und wir werden das dieses Jahr fortführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, das, was Sie hier treiben, hat nichts mit einer aktiven Neutralitätspolitik zu tun. Sie können noch so oft versuchen, unsere Neutralität, die sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich vorgegeben ist, umzuinterpretieren (Rufe bei der ÖVP: Frage! Frage!), Fakt ist, Ihre Aufgabe wäre es rechtlich, diese Neutralität glaubhaft zu vermitteln und zu leben, sowohl in den Wortmeldungen als auch in Ihren Taten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme aber noch einmal zurück zu den Zahlungen und vor allem zur Kontrolle dieser Zahlungen, denn auch da hat Ihre Kollegin eine Unwahrheit gesagt. Es gibt ja bereits mehrere Berichte über Korruptionsprobleme der Ukraine und betreffend missbräuchliche Verwendung unserer EU-Gelder. In der vergangenen Fragestunde hat Ihre Kollegin Edtstadler mir wortwörtlich garantiert, dass jeder Cent in der Ukraine auch dort ankommt, wo er hingehört. Im vergangenen EU-Hauptausschuss ist sie dann wieder zurückgerudert und hat diese offensichtlich falsche Aussage als übereuphorisch tituliert und damit geantwortet, dass sie allerdings vollstes Vertrauen in die Europäische Kommission hat.

Sehr geehrter Herr Minister, im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht vollstes Vertrauen in die europäischen Institutionen, noch dazu da sie selber mit massiven Korruptionsproblemen zu kämpfen haben. Ihre Aufgabe wäre es, nicht blind zu vertrauen, sondern zu kontrollieren. (Ruf bei der ÖVP: Frage!)

Des Weiteren behaupten Sie ja immer (Ruf bei der ÖVP: Zeit ist vorbei!), es werden mit diesen Geldern nicht letale Waffen finanziert. Daher meine Frage (Ruf bei der ÖVP: Danke!): Wie können Sie wissen und welche Kontrollen gibt es, um sicherzustellen, dass unsere Gelder weder missbräuchlich verwendet werden noch für letale Waffen eingesetzt werden, wie Sie immer behaupten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Es gibt zwei Dinge, und das ist ganz klar. Ich kann Sie apropos nur darauf hinweisen: Es gibt das Internet, es gibt das Amtsblatt der Europäischen Union, es gibt die Homepage der Kommission, da können Sie alles lesen. Da können Sie sehen, die Verordnungen, auf denen das beruht, sind im Amtsblatt veröffentlicht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Die Vereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und der Ukraine stehen im Internet auf der EU-Kommissionshomepage. Da sind ganz klar Berichtspflich­ten enthalten. Die Kommission kontrolliert das.

Und ja, Sie haben darauf hingewiesen, dass es Korruptionsfälle in der Ukraine gab – völlig richtig. Was war die Reaktion? Ich glaube, dass Präsident Selenskyj sehr öffentlich und sehr deutlich reagiert hat. Keiner ist perfekt, und die Ukraine ist es sicher nicht. (Abg. Steger: Laut Panamapapers war Selenskyj schon selber betroffen! – Ruf bei der ÖVP: Würden Sie ihn bitte ausreden lassen?!) Ich glaube aber, die öffentliche Reaktion von ihm, dass er sich von Personen getrennt hat, sie aus ihrem Job rausgeholt hat, dass er eine klare Linie gezogen hat, ist der richtige Zugang. Das ist das, was wir vermissen: In der Ukraine sehen wir Rechtsstaatlichkeit, in Russland sehen wir keine Rechtsstaatlichkeit. Wir sollten also vielleicht einmal beide vergleichen.

Es gibt sehr wohl Kontrollmechanismen. Es gibt, was die makrofinanzielle Hilfe betrifft, Vereinbarungen, es gibt Berichtspflichten. Bei der Europäischen Friedensfazilität, das habe ich ja schon gesagt, gibt es zwei unterschiedliche Körbe. Das Geld hat also ein Mascherl, ob es letal ist oder nicht, und es gibt auch entsprechende Kontrollmechanismen innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zunächst möchte ich die Gelegenheit – nur mit einem Satz – nützen und mich auch bei allen Gemeinden und den Menschen in diesen Gemeinden bedanken, weil Sie die offizielle Hilfe angesprochen haben. Wir wissen, dass die Gemeinden, Gemeindebundpräsident Riedl und andere sehr viel tun, dass es direkte Kontakte zwischen Gemeinden in Österreich und Gemein­den in der Ukraine gibt, dass geholfen wird. Ich habe gestern auch wieder einen Abgeordneten aus Poltawa zu Gast gehabt, der mir davon berichtet hat und mich gebeten hat, dass wir auch weitere Kontakte herstellen. Wir werden das machen, und ich glaube, dass wir das im großen Einverständnis machen.

Er hat mir allerdings auch berichtet – und das führt zu meiner Frage –, eines der großen Probleme ist die Verminung des Landes. Ich selbst habe es gesehen. In den Städten, in denen wir waren, durften wir gewisse Gebiete nicht betreten, weil sie vermint sind. Es sind auch ungefähr 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche vermint.

Der Bundeskanzler hat mir zugesagt, wir würden auch bei der Lieferung von Minensuchgeräten mithelfen. Das österreichische Bundesheer ist hervorragend ausgebildet. Deswegen meine Frage, Herr Minister: Was können wir tun, dass wir eben beim Minensuchen in der Ukraine helfen – eine rein zivile Angele­genheit, weil es da um den Schutz von Menschenleben geht, und es sind ohnehin schon so viele Menschen gestorben? Was können wir dafür tun, dass das endlich anfängt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Was wir tun, ganz konkret, ist, dass wir im Rahmen der OSZE eine entsprechende Mission tatkräftig unterstützen. Und ja, wenn es um Minensuchgeräte geht – das kann jetzt nicht ich entscheiden, ich habe auch nicht das Material –, muss ich sagen, ich hielte das für einen sehr richtigen Zugang, da auch das entsprechende Material zur Verfügung zu stellen. Österreich hat sich da in den letzten Monaten eigentlich immer sehr proaktiv und solidarisch gezeigt.

Wir haben ja gerade auch im Bereich Entminung ein großes Know-how, worauf Sie richtig hinweisen, Herr Abgeordneter. (Abg. Brandstätter: Genau!) Wir haben das auch in Syrien und in anderen Gegenden unter Beweis gestellt, und das werden wir in der Ukraine sicherlich auch tun. (Abg. Brandstätter: Danke!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Gerade als neutraler Staat ist Österreich ja besonders gefordert, sensibel mit dem Export von Waffen oder Kriegsmaterial umzugehen. Dem Stockholmer Friedensinstitut zufolge hat aber Österreich in den letzten Jahren mehrfach auch Waffen an Länder geliefert, die sich in bewaffneten Konflikten befunden haben, beispiels­weise an Myanmar, Saudi-Arabien oder Nigeria. Auch das Magazin „Addendum“ hat berichtet, dass beispielsweise Handfeuerwaffen und Munition an Länder exportiert wurden, die die Menschenrechte nicht ausreichend achten, auch an Russland beispielsweise.

Deshalb komme ich zu meiner Frage, ob es nicht wichtig wäre, da auch Transparenz und Klarheit für die österreichische Bevölkerung zu schaffen, und wann mit einem Rüstungsexportbericht für Österreich zu rechnen ist, ähnlich wie zum Beispiel in der Schweiz, aber auch in Deutschland, wo halbjährlich Zahlen für die gesamte Bevölkerung transparent veröffentlicht werden, wohin Waffen tatsächlich exportiert werden, in welchem Ausmaß und mit welcher Begründung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann nur sagen, das Kriegsmaterial­gesetz ist ein Gesetz, das wir sehr ernst nehmen. Das Außenministerium ist sozusagen nur ein Ministerium, das an diesem Prozess teilnimmt und in diesem Zusammenhang nicht federführend ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass es ein Thema ist, das bei meinen Beamten ganz hoch oben steht.

Mich würde es ganz offen gestanden sehr wundern, dass wir Waffenlieferungen an Gebiete oder an Staaten, die sich in kriegerischen Auseinandersetzungen befinden, je zugestimmt hätten. Wenn Sie Staaten wie Myanmar nennen, dann waren das vermutlich Lieferungen zu einem Zeitpunkt weit in der Vergangenheit, denn ich kann das ausschließen. Wir haben im Außenministerium eher den Ruf, dass wir im Vergleich zu anderen zu restriktiv und zu streng sind.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Minister, der russische Angriffskrieg hat natürlich auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Österreich ist ein Exportland, 1,2 Millionen Arbeitsplätze hängen in Österreich am Export. Jeder vierte Steuereuro wird in der Exportwirtschaft erzielt. Daher meine Frage an Sie: Wie unterstützen Sie und Ihr Ministerium in diesen schwierigen Zeiten die österreichische Exportwirtschaft?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Die kurze Antwort ist: ganz klar ja, und zwar aus vollem Herzen. Die österreichischen Vertretungen im Ausland sind einfach die Vertretung Gesamtösterreichs und damit auch die Vertretung unserer Wirtschaftsinteressen – das gehört für mich als immanenter Bestandteil zur Außenpolitik dazu.

Wir haben ja vor zwei Jahren ein Projekt lanciert, das sich als eines der erfolgreichsten in den letzten Jahren bezeichnen lässt: Refocus Austria. Wir haben nach der Pandemie gesagt, wir müssen die Exportwirtschaft mit unseren über hundert Vertretungen unterstützen. Das ist mit über 500 Projekten in 85 Ländern wirklich ein Erfolgsprojekt geworden. 2 400 Unternehmen konnten sich an diesen Projekten und Veranstaltungen beteiligen.

Das ist natürlich nicht etwas, das dem Außenministerium alleine gehört. Das ist eine gemeinsame Anstrengung der gesamten Bundesregierung. Wir wissen, dass wir rund 6 von 10 Euro in der Exportwirtschaft verdienen. Wir sind ein Exportweltmeister, wir sind darauf angewiesen. Wir sind daher auch – und das ist vielleicht der Zusammenhang zum Thema von vorher – auf ein internationales regelbasiertes System angewiesen, bei dem die Regel gilt, Verträge werden eingehalten – Pacta sunt servanda.

In diesem Sinne werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, und ich mache das auch sehr persönlich, bei Dienstreisen. Ich habe einen Fokus genau auf jene Staaten gelegt, die wir in den letzten Jahren vielleicht nicht so stark im Fokus hatten. Ich werde demnächst mit über 20 Unternehmern, die mich begleiten, nach Vietnam reisen. Ich war in Indien und habe in den letzten zwölf Monaten fünf Mal den indischen Außenminister getroffen. Ich war auch mit einer Wirtschaftsdelegation in Südkorea.

Wir wissen einfach, dass wir mit Russland einen herben Schlag im Osten erlebt haben, und gleichzeitig gibt es ein Fragezeichen bei China. Das heißt, wir sind jetzt aufgefordert, neue Märkte zu finden, und das Außenministerium wird dabei helfen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte sehr.