Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Außenminister! Jede dritte Frau über 15 Jahren in der EU wird wenigstens einmal in ihrem Leben Opfer von sexueller und/oder körperlicher Gewalt. Man kann fast davon reden, dass Männergewalt eine Art Pandemie ist. Wir wissen auch, dass die Istanbul­konvention und eine gute Implementierung der Istanbulkonvention quasi der Goldstandard ist, um gegen Gewalt in der Familie und im Nahraum zu agieren.

Meine Frage lautet:

261/M

„Mit welchen Initiativen setzen Sie sich dafür ein, dass die EU das Überein­kommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, unterzeichnet, nachdem der Europäische Gerichtshof nun bestätigt hat, dass die EU dem Übereinkommen auch ohne Einstimmigkeit im Rat beitreten kann?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann nur sagen: Für uns ist und bleibt die Istanbulkonvention der Goldstandard – wenn man so will – in diesem Zusammenhang. Wir haben ja damals auch darüber gesprochen, als die Türkei plötzlich ihre Politik sehr drastisch geändert hat. Natürlich treten wir für die Ratifikation möglichst vieler Staaten, aber auch für den Beitritt der EU ein.

Das haben wir schon während unserer EU-Präsidentschaft 2018 getan. Damals ist es noch am Widerspruch, am Veto einiger Staaten Osteuropas gescheitert. Ich bin daher sehr froh, dass es jetzt dieses Gutachten des Europäischen Gerichtshofs gibt, das sagt, dass die qualifizierte Mehrheit reicht.

Wir haben diese qualifizierte Mehrheit ja in der Zwischenzeit im Rat erreicht und ich hoffe, dass das Europäische Parlament jetzt sehr rasch seine Zustimmung gibt, damit wir hier Nägel mit Köpfen machen und die Europäische Union als Ganzes der Istanbulkonvention beitritt. Ich glaube, das wäre ein sehr wichtiges politisches Signal.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bayr? – Bitte.

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Das beantwortet zwar nicht meine Frage nach Ihren Initiativen dazu, aber sei’s drum.

Leben ohne Gewalt ist sicherlich ein Menschenrecht. In der Regierungsverein­barung kommt das Wort Menschenrechte 45 Mal vor, sei es im Kontext mit dem Nationalen Aktionsplan oder als mehrjährige Strategie oder zur Ratifizierung relevanter Instrumente und Zusatzprotokolle.

Amnesty International hat diese Woche im Zuge der Veröffentlichung ihres Jahresberichts konstatiert, dass Österreich kein gutes Zeugnis in Sachen Menschenrechten auszustellen ist. Amnesty spricht konkret davon, dass Österreich an einem Wendepunkt sei.

Mich würde interessieren, welche drei konkreten Maßnahmen in Sachen Menschenrechte Sie denn in Ihrer verbleibenden Zeit als Außenminister umsetzen werden, um da eine Trendwende zum besseren Schutz von Menschenrechten zu garantieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich möchte einmal von meiner Warte eine ganz grundsätzliche Bemerkung dazu machen: Es ist völlig legitim, zu sagen, dass etwas nicht perfekt ist. Ich glaube, es wäre von einem Staat – wurscht, welcher Staat auf dieser Welt – vermessen, zu sagen: Bei Menschenrechten haben wir 100 Prozent erreicht. Das ist wie bei der Demokratie, das kann nur sozusagen im faustischen Sinne ein tägliches Bemühen sein, es ist nie zur Gänze erreicht.

Es ist legitim, auch Kritik zu üben. Ich glaube nur, manchmal übertreibt man leicht, wenn man von einer Trendwende spricht: Ich sehe das überhaupt nicht und ich weiß nicht, wie oft in Bezug auf welche Staaten da schon solche Wortmeldungen abgegeben wurden.

Ich glaube, dass in Wirklichkeit vom Blickpunkt von 90 Prozent, wenn nicht 95, 98 Prozent, aller Staaten dieser Welt aus diese gerne mit Österreich und seinen Problemen tauschen würden. Das kann ich nur als Außenminister sagen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Wir haben ja heuer 30. Jubiläum der UNO-Weltkonferenz über Menschenrechte. Wir werden im Juni ein großes Symposium haben, zu dem wir Menschenrechtsverteidiger:innen einladen. Ich möchte aber nicht nur einen Akt, sondern ich möchte eigentlich, dass das ganze Jahr über – und ich bin auch dankbar, dass das Parlament mitmachen wird – von NGOs, von Institutionen, von Thinktanks, auch von Unternehmen verschiedene Aspekte – das beginnt bei Cyber und Digitalisierung – der Herausforderungen für Menschenrechte, bis zu Frauenrechten und Kinderrechten, thematisiert und aufgegriffen werden.

Meine Rolle als Außenminister ist natürlich eher nach außen gerichtet und nicht nach innen gerichtet. Menschenrechtspolitik – denken wir an die Entwicklungs­zusammenarbeit! – ist ein Kernelement, ist quasi Kern-DNA des österreichischen Außenministeriums und der österreichischen Außenpolitik. Diese Politik werden wir weiter betreiben, sei es im multilateralen Kontext, sei es im Menschenrechts­rat, sei es im Europarat oder auf der EU-Ebene. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Abgeordneter Gahr. – Bitte.