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Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Oppositionsparteien haben uns in einem gemeinsamen Antrag für eine Verurteilung der türkischen Angriffe auf den Nordosten Syriens und den Nordirak ausgesprochen. Wir wollen Initiativen zu einem Stopp der türkischen Angriffe fördern.

Aus unserer Sicht sind die Außenpolitik und die Europapolitik der österreichi­schen Bundesregierung sehr wohl von einer Doppelmoral und von Doppel­standards gekennzeichnet: Auf der einen Seite gibt es einen totalen Fokus auf den Krisenherd Russland/Ukraine. Dort werden angeblich Demokratie, Menschenrechte und unsere europäischen Werte verteidigt. Bei einem ganz anderen akuten Krisenherd – dort werden EU-Mitgliedstaaten direkt und aggressiv bedroht – macht man aber die Augen zu: Die Türkei spielt ihre Größe und auch ihre Position als Brücke zwischen Europa und Asien sehr brutal und selbstbewusst aus.

Es gibt aber nicht nur Angriffe auf Länder außerhalb der EU. Wir wissen, seit 2016 besetzen türkische Streitkräfte immer wieder syrische Gebiete – da gibt es viele Tote, Verletzte, die Infrastruktur wird beschädigt. Es gibt die immer wiederkehrenden Offensiven im Irak. Diese türkische Aggression endet aber, wie gesagt, nicht im Nahen Osten, also außerhalb Europas, sondern es gibt auch direkte aggressive Akte gegenüber Mitgliedstaaten der EU, namentlich Griechen­land und Zypern, und das in sehr bedrohlicher Weise, aggressive Akte, die aber eigentlich weitgehend ignoriert und übersehen werden.

Die Türkei nützt da, denke ich, auch den Russland-Ukraine-Krieg aus, weil jetzt die Aufmerksamkeit darauf gelenkt ist, und deshalb wurde gar nicht so sehr bemerkt, dass im Herbst 2022, also vor nur einigen Monaten, die Türkei immer wieder mit Kampfbombern den griechischen Luftraum verletzt und auch ganz offen mit Krieg und Auseinandersetzung gedroht hat. Wortwörtlich: Wenn „die Zeit gekommen ist“, werden wir „das Notwendige tun“; „eines Nachts“ können wir „plötzlich kommen“ – direkt adressiert an Griechenland. Sie droht auch offen mit dem Öffnen der Schleusen; es sind ja Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Es wird offen gedroht, Griechenland und damit auch die EU mit diesen Flüchtlingen wirklich zu überfluten, es wird also von türkischer Seite auch ganz offen erpresst.

Auch die Souveränität Griechenlands in Bezug auf die Inseln wird offen infrage gestellt. Auch in diesem Fall verstecken sich leider wie immer auch ökonomische Interessen hinter kriegerischen Auseinandersetzungen. Es besteht auch der Verdacht, dass zwischen den Inseln bereits Bohrschiffe unterwegs sind, bezie­hungs­weise sind sie es schon. Es wird dort nach Erdgas gesucht, und sollte diese Suche erfolgreich sein, wird die Türkei dann sicher auch die Souveränität über diese Inseln für sich beanspruchen, obwohl damit Griechenlands Souveränität und auch das UN-Seerechtsübereinkommen verletzt werden.

Das heißt, wir haben die Situation, dass die Türkei mit ihrer Vorgangsweise hinsichtlich Zypern und Griechenland EU-Mitgliedstaaten offen bedroht, erpresst, den griechischen Luftraum und das UN-Seerechtsübereinkommen schon verletzt hat. Da stellt sich die Frage: Wie reagiert die EU, wie reagiert Österreich darauf?, auch im Hinblick darauf, dass die Türkei, würde ich sagen, einer der großen Profiteure oder der große Profiteur der EU-Sanktionspolitik gegen Russland ist. Die Türkei ist ein Nato-Land, schließt sich deklarierterweise den EU-Sanktionen nicht an, hat diplomatisch geschickt, aber skrupellos beiden Ländern, Ukraine und Russland, ihre Treue und Loyalität versprochen, wobei anzumerken ist, dass sie der Ukraine humanitär schon hilft, soweit ich das beobachten kann. Fix ist aber, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russ­land explodiert sind, natürlich zum Vorteil der Türkei. Die Exporte nach Russ­land sind in die Höhe geschossen. Russland löst Deutschland als wichtigsten Handelspartner für die Türkei ab. Die ökonomischen Auswirkungen kann man nur erahnen.

Die europäischen Unternehmen – wie Sie zuerst auch ganz stolz gesagt haben – müssen sich, weil sie sich an die Sanktionen halten müssen, aus Russland zurückziehen. Dieser Platz wird aber durch chinesische und vor allen Dingen durch türkische Unternehmen gefüllt, die davon enorm profitieren. Ganz nebenbei bezieht die Türkei jetzt auch noch massenweise billiges Gas und Öl aus Russland und baut sich klammheimlich oder auch offen, was aber nicht thema­tisiert wird, zu einem zentralen Handelsplatz für Energie aus.

Das heißt, die Machtfülle der Türkei steigt und steigt, und da stellt sich für mich die Frage, ob das von der EU ausreichend beobachtet wird und dem dann auch entgegengewirkt wird. Wir sind sehr wohl dafür, dass Österreich, gerade Österreich, mit der Türkei ein korrektes Verhältnis hat, ein sachliches und kein moralisierendes, aber Angriffe müssen als solche benannt werden, Erpressungen müssen beim Namen genannt werden, und man muss der Türkei da auch selbstbewusst entgegentreten und darf sich ihr nicht anbiedern, denn Erdoğan wird es uns nicht danken. Das heißt, es besteht da nicht nur der Vorwurf der Doppelstandards, sondern ich würde auch anregen, die EU-Sanktionspolitik auch aus diesem Aspekt heraus, dass man damit die Türkei so sehr stärkt, noch­mals zu überdenken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

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