10.42

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Ibiza-Untersuchungsausschuss war die Frage: Waren das nur Einzelfälle, oder haben wir es hier mit einer systematischen Korruption durch ÖVP-Regierungsmitglieder, durch mit der ÖVP verbundene Personen in Österreich zu tun? Der Auftrag, den das Untersuchungsaus­schussteam vom Plenum hier bekommen hat, war, sich das anzusehen, und nach einem Jahr Arbeit legen wir nun Bericht.

Vier Fraktionen hier herinnen sagen: Ja, die ÖVP hat ein Korruptionsproblem – nur die ÖVP ist der Meinung, sie hat kein Korruptionsproblem. Schauen wir uns einfach an, was der Untersuchungsausschuss alles zutage gefördert hat (Zwi­schenruf der Abg. Scharzenberger):

Wir wissen ja alle, dass der Finanzminister an der Gesetzgebung betreffend Glücksspiel mitwirkt, dass er die Glücksspielunternehmen beaufsichtigt und dass er sogar die Lizenzen vergibt. Und der Finanzminister, damals Schelling, der ÖVP-Finanzminister, schickt am 11. August 2016, weil er nebenbei auch noch Weinbauer ist, ein SMS an seinen Kabinettschef: „Kannst du einmal bei“ Novomatic „nachfragen, ob sie Interesse an Wein als Kundengeschenk für Weihnachten haben. Wir könnten auch eigene Etiketten machen. [...] So je 1.000 Flaschen wären eine tolle Sache.“ – Der Kabinettschef antwortet mit: „Mache ich.“ – Die ÖVP ist aber der Meinung, sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Krisper und Scherak.)

Wir wissen nicht, ob der damalige ÖVP-Finanzminister Schelling überhaupt Wein an Novomatic oder an andere Glücksspielkonzerne verkauft hat beziehungsweise wie viele Flaschen Wein, aber wir wissen, dass er jedes Jahr mehrere Hundert Flaschen an einen gewissen Herrn Siegfried Wolf verkauft hat, und zwar zeitgleich zu jenem Zeitpunkt, an dem ein Steuerver­fahren gegen Wolf gelaufen ist, bei dem die unabhängigen Finanzbeamten gesagt haben: Herr Wolf muss 11 Millionen Euro an Steuern nachzahlen, weil er vergessen hat, diese Steuer zu zahlen! – Die ÖVP und der Finanzminister und das ÖVP-Kabinett hatten nichts Besseres zu tun, als sich an die Seite von Wolf zu stellen und zu schauen, dass er nicht 11 Millionen Euro an Steuern nachzahlen muss, wie es das Gesetz vorgeschrieben hätte. Es gab zwei rechtswidrige Bescheide: der erste, die Reduktion von 11 auf 7 Millionen Euro, und der zweite, noch einmal eine Reduktion, und zwar von 7 auf 1 Million Euro. – Aber die ÖVP ist der Meinung, sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang: Wir wissen auch, wie Aufträge innerhalb der ÖVP vergeben werden, nämlich an den Mitarbeiter des ÖVP-Kabinetts, dass er dafür sorgen soll, dass Herr Wolf weniger Steuern zahlt, mit: „du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure“ für die Reichen! Und dieser Mitarbeiter antwortet: „Danke, dass wir das so offen besprechen können!“ – Dieser Mitarbeiter erledigt diesen Auftrag und wird befördert – er ist heute nicht mehr im ÖVP-Kabinett, er ist der zweithöchste Beamte in Österreich und im Finanzministerium zuständig für die Steuerpolitik. – Aber die ÖVP ist der Meinung, sie hat kein Korruptions­problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben uns die Umfragen von ÖVP-geführten Ministerien angesehen – durch die Bank parteipolitisch motivierte Umfragen, die nichts mit dem gesetzlichen Auftrag des jeweiligen Ministeriums zu tun haben. Das Landwirtschafts­ministe­rium fragt ab: Können wir mehr Asylwerber aufnehmen oder nicht? Das Landesverteidigungsministerium fragt ab, ob der grüne Gesundheitsminister seine Arbeit gut macht, und das Bildungsministerium prüft ab, ob die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner Kompetenz hat oder nicht (Zwischenrufe der Abgeord­neten Belakowitsch, Hafenecker und Stögmüller); das Ergebnis war gut: Sie hat die höchste Kompetenz von allen Parteichefs in der Covid-Bekämpfung. (Beifall bei der SPÖ.) Bezahlt hat das aber nicht die ÖVP, sondern bezahlt haben das die Menschen in Österreich, die Steuern zahlen. Das sind parteipolitisch motivierte Umfragen, wie beim Beinschab-Tool, sie wurden halt nicht veröffentlicht, wenn das Ergebnis nicht im Sinne der ÖVP war. – Aber die ÖVP ist der Meinung, das ist alles ganz normal und sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Inseratenvergabe in Österreich läuft über die ÖVP-Kabinette. Nicht die Fachbeamten entscheiden, welches Medium wie viele Inserate bekommt, sondern die ÖVP-Minister und ihre Mitarbeiter, und sie leiten Millionen in die eigenen ÖVP-Parteizeitungen weiter – in die eigenen Parteizeitungen! –, über 1 Million Euro allein an die ÖVP-Bauernzeitung. Der jetzige Minister Totschnig hat persönlich Inserate ohne jeden Informationswert gekeilt. In der ÖVP-Bauernzeitung wird für die Arbeitnehmerveranlagung geworben – nur: Ein Bauer kann keine Arbeitnehmerveranlagung machen. (Abg. Strasser: Es gibt auch Nebenerwerbslandwirte!) Es geht nur darum, Steuergeld in die Parteikassa der ÖVP umzuleiten, und nicht darum, dass es irgendeine Information in diesem Land gibt. – Aber die ÖVP ist der Meinung, sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ.)

Die jetzige Verfassungsministerin der ÖVP, Edtstadler, war Staatssekretärin im Innenministerium und dort für die Korruptionsbekämpfung zuständig. Ihr Büro machte eine Klausur, und sie holten sich externe Moderatoren und Leute, die das dann aufbereiten – das zahlt der Steuerzahler, 16 000 Euro kostet das uns alle –, und das Ergebnis ist nicht: Was mache ich als Staatssekretärin als Haupt­projekt, um die Korruptionsbekämpfung in Österreich zu stärken?, nein, das Ergebnis ist ein neues Hauptprojekt: Vorzugsstimmenwahlkampf von Frau Edtstadler für die Wahlen zum Europäischen Parlament. – Aber die ÖVP ist der Meinung, das ist alles ganz normal und sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Fürst und Schnedlitz.)

Erschreckend war für die ÖVP ja nur, als sie draufgekommen ist, dass die Gesetze in diesem Land auch für die ÖVP gelten. Über Jahrzehnte waren sie der Meinung, sie brauchen keine Steuern zu zahlen. Jetzt sind sie draufgekommen, dass sie allein in Vorarlberg, die ÖVP-Teilorganisationen, 1 Million Euro an Steuern nachzahlen müssen. Und der Landeshauptmann hat fast dieselbe Summe von diesen Teilorganisationen bekommen, um seinen Wahlkampf zu finanzieren. – Aber die ÖVP ist der Meinung, sie hat kein Korruptionsproblem. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, vielleicht hat sie recht, vielleicht hat sie nicht nur ein Korruptionsproblem, vielleicht ist sie das Korruptionsproblem in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage ist ja vor allem: Wie geht die ÖVP jetzt damit um? Vor dem Untersuchungsausschuss hat es geheißen: Volle Transparenz, alles auf den Tisch, volle Kooperation!, aber passiert ist das Gegenteil.

Obstruktion im Untersuchungsausschuss: Alleine bei der Befragung der ehemaligen ÖVP-Innenministerin und jetzigen Landeshauptfrau wurde die SPÖ-Fraktion 40 Mal – 40 Mal! – durch Geschäftsordnungswortmeldungen (Abg. Hanger: Weil du die gleichen falschen Fragen gestellt hast, 40 Mal!) der ÖVP unterbrochen. 38 dieser Interventionen wurden vom Verfahrensrichter sofort gestrichen, weil es keinerlei Grund gab, irgendeine Fragestellung zu ändern. Einmal musste die Frage geringfügig abgeändert werden. (Abg. Hanger: Hast gerade wieder einmal die Unwahrheit gesagt!) Es ging von Anfang an nicht um Kooperation, sondern um Destruktion.

Der ÖVP-Bundeskanzler verweigert seit Monaten aus rein parteipolitischen Gründen die Herausgabe von Akten und Unterlagen aus dem Bundeskanzleramt an die unabhängigen Staatsanwaltschaften, an die Justiz. (Abg. Hanger: Unab­hängige Staatsanwaltschaften!) Er behindert die Arbeit der Justiz. Die ÖVP behinderte die Arbeit im Untersuchungsausschuss, und der ÖVP-Bundeskanzler behindert die Arbeit der Justiz. Das ist nicht Aufklärung, das ist ein Weiter-wie-bisher.

ÖVP-Finanzminister Brunner hat volle Transparenz versprochen, alle Studien sollen veröffentlicht werden, alle in Österreich sollen alle Studien bekommen. Erst vor wenigen Tagen hat er wieder eine parlamentarische Anfrage beant­wortet, in der er wieder die ÖVP-Zensur verschweigt, da wieder Teile dieser Umfragen nicht veröffentlicht werden. Das ist nicht volle Transparenz, das ist nach wie vor ein Weiter-wie-bisher und ein Zudecken der Korruption der ÖVP.

Ich sage Ihnen, vier Parteien hier in diesem Haus sind sich einig: Die Menschen, die in Österreich leben, haben das Anrecht, dass die besten Leute in die Führungspositionen kommen und nicht die, die der ÖVP am nächsten stehen. Die Menschen haben das Recht, dass das Geld in Österreich für die Menschen ausgegeben wird, die in Österreich leben, und nicht für die Wahl­kampfzwecke der ÖVP und nicht für die Parteizwecke der ÖVP. Die Menschen in diesem Land haben ein Recht darauf, dass alle ihre Steuern zahlen – auch die ÖVP, auch die Milliardäre und auch die Konzerne. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen haben das Recht, dass die Republik und die Firmen, die der Republik gehören, nicht im Eigentum der ÖVP sind, sondern im Eigentum aller Menschen, die in Österreich leben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Menschen in Österreich haben das Recht, dass die Justiz funktioniert, dass die Finanz funktioniert und auch dass das Parlament funktioniert.

Die ÖVP kann sich entscheiden, ob sie – nach wie vor – Teil des Problems oder Teil der Lösung sein will. Die Vorschläge von vier Parteien liegen auf dem Tisch, sie liegen seit Monaten in den Ausschüssen, und wir werden heute weitere Vorschläge einbringen, die nur beschlossen werden müssen. Die Frage an die ÖVP ist: Wie lange wollt ihr noch die Korruption decken? Wie lange wollt ihr das Korruptionsproblem sein? Wann wollt ihr endlich ein Teil der Lösung werden?

Den Grünen muss ich sagen: Danke für die Arbeit im Untersuchungsausschuss! – Hier im Plenum ist aber schon die Frage an die Grünen zu richten: Wie lange wollt ihr der ÖVP-Korruption noch die Mauer machen? – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.