11.00

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Heute debattieren wir etwas Wichtiges: Immerhin geht es um das Ende der Arbeit des wichtigsten Kontrollinstrumentes des österreichischen Parlaments, des Untersuchungsausschusses. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Haben Sie den Redebeiträgen bisher gelauscht, so mögen Sie vielleicht zum Schluss kommen, dass diese Episode Kurz wie ein Krimi aus längst vergangener Zeit klingt, doch das Ganze – und das muss man sich vor Augen führen – ist erst eineinhalb Jahre her: Inseratenaffäre, Postenschacher, Spezialbehandlung für Superreiche. Bis heute haben wir, fast alle hier herinnen, daran gearbeitet, die­sen Scherbenhaufen zusammenzuräumen. Dieses Protokoll einer großen Täu­schung (den Fraktionsbericht der Grünen zum ÖVP-Korruptions-Untersuchungs­ausschuss in die Höhe haltend), meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die akribische Aufarbeitung der Episode Kurz und der Beitrag der grünen Unter­suchungsausschussfraktion zu deren Aufklärung.

Ja, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP – es sind jetzt auch deutlich weniger da als am Anfang –: Es ist mir durchaus bewusst, dass es - - (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.– Nein, das ist auch nicht lustig. Es ist mir durchaus bewusst, dass es überhaupt nicht angenehm ist, wenn man schon zum zweiten Mal im Zentrum der Aufmerksamkeit eines Untersuchungsausschusses steht (Abg. Michael Hammer: Nina, das halten wir aus!), aber völlig klar muss auch sein, dass wir Parlamentarier und Parlamentarierinnen unserer Kontrollaufgabe nachkommen müssen und nachgekommen sind. Das ist unser Job. Daher herz­lichen Dank für jede produktive Minute im Untersuchungsausschuss, in der es keine unnötige Geschäftsordnungsdebatte gab, sondern sich alle der Aufklärung gewidmet haben, auch wenn es eben nicht immer angenehm war! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich von großer Täuschung spreche: Was meine ich damit? – Wir konnten in diesem Untersuchungsausschuss sehr genau aufzeigen, dass ein kleiner türkiser Machtzirkel rund um Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht hat. Wie haben das diese vor allem jungen Männer gemacht? – Sie haben gesetzliche Schlupflöcher genutzt und sich folgender Methoden bedient:

Erstens: Sie haben manipuliert, und zwar nicht nur die eigenen Parteifreunde, sondern die gesamte Bevölkerung. Wie ist das gegangen? – Mit frisierten Umfragen in Medien, mit durch Steuergeld finanzierten Inseraten, im Übrigen auch in der ÖVP nahestehenden Mitgliedermagazinen. Und das sogenannte Beinschab-Tool hat mittlerweile europaweite Bekanntheit erlangt.

Zweitens: Sie haben Postenschacher betrieben und versucht, die Republik zu einem Selbstbedienungsladen umzubauen. Thomas Schmid und sein Aufstieg in der Öbag ist das berühmteste Beispiel, aber bei Weitem nicht das einzige.

Drittens: Sie haben sich um die Spezialbehandlung für Superreiche gekümmert. Da wurde dem Unternehmer Sigi Wolf ein satter Steuernachlass gewährt, nachdem er etliche Male im Finanzministerium interveniert hatte. Das war aber bei Weitem nicht die einzige dieser Steuerangelegenheiten: Auch um René Benko hat sich das BMF geradezu aufopfernd gekümmert. Da wurde nämlich wirklich mit jedem Trick versucht, Steuern nicht zu zahlen – und das Ganze: Während ganz normale Menschen brav ihre Steuern zahlen, wurde eben bei den Superreichen auf jeden Euro geschaut, und zwar mit unglaub­lichem Aufwand.

Viertens – das geht ganz oft unter –: Mit dem Russlandkuschelkurs haben Kurz und sein Machtzirkel Österreich auch in eine gefährliche Situation manövriert. Auch das konnten wir in diesem Untersuchungsausschuss aufzeigen: Anstatt sich mit voller Kraft um erneuerbare Energien zu kümmern und darum, dass man sich eben von fossilen Brennstoffen und von der Abhängigkeit von Russland befreit, von dessen teurer und schmutziger Energie, hat man sich in Österreich 2018 im Rahmen der goldenen Hochzeit noch fester an Russland gekettet.

Und ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das war ein historischer Fehler – ein Fehler, den die ÖVP, aber auch die FPÖ hätten vermeiden können. Es wird nämlich gerne auch behauptet – und das war im Übrigen vor fünf Jahren nicht anders, denn vor fünf Jahren war Putin genauso ein Kriegstreiber: Auch vor fünf Jahren gab es die Klimakrise und sie hat uns schon das Leben schwer gemacht. Auch damals hat es nicht geholfen, die Augen davor zu verschließen, nur den kurzfristigen Profit zu sehen und an diesen zu denken. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist immer ein Fehler. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner.)

Wozu führen diese Fehler? Wozu führen der aufgezeigte Postenschacher, die Spezialbehandlung für Superreiche und dieser Russlandkuschelkurs? – Sie führen dazu, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unsere verdammte Pflicht als Politikerinnen und Politiker, alles dafür zu tun, dass wir dieses Vertrauen wieder zurück­ge­winnen.

Wir Grüne haben von Anfang an versucht, diesen Untersuchungsausschuss als Vertrauensrückholaktion anzulegen, und so hat der Untersuchungsausschuss auch schon während seiner Laufzeit seine Wirkung entfaltet. Da gibt es und gab es zahlreiche Rücktritte im Umfeld des genannten Machtzirkels rund um Sebastian Kurz (Abg. Höfinger: Sogar die Verfahrensanwältin ist zurückgetreten!), aber es ist auch wichtig für die Menschen, Lösungen für die Zukunft anzubieten. Deshalb gibt es jetzt ein scharfes Gesetz gegen Korruption, Whistleblower:innen werden besser geschützt. Es gibt auch ein neues Gesetz für mehr Transparenz (Abg. Meinl-Reisinger: Geh!) und gläserne Parteikassen, und – das kann man schon sagen – das sind wahre Errungenschaften, wenn es darum geht, eine trans­parentere, fairere Republik aufzustellen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den NEOS. – Abg. Höfinger: Das glauben nicht einmal die Oppositions- -!)

Aber - - (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Nein, Kollegin Meinl-Reisinger, Sie müssen nicht reinrufen. Aber – und das ist mir auch wichtig, zu betonen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleg:innen –: Ein U-Ausschuss alleine wird das Vertrauen in die Politik nicht wiederherstellen, und auch das schärfste Antikorruptionsgesetz wird nicht für sauberere Politik sorgen. Es gibt eine Zutat, die immanent wichtig und die Grundlage für alles ist: Integrität. (Beifall bei den Grünen.)

Wer sich bereichern und seine reichen Freunde bei der Profitmaximierung unterstützen möchte, wird wahrscheinlich auch in Zukunft noch ein Schlupfloch finden. Umso wichtiger ist es, dass wir maximale Transparenz und ein Infor­mationsfreiheitsgesetz bekommen, das das politische Handeln in die Auslage stellt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer.)

Umso wichtiger ist es, dass wir eine starke Kontrollfunktion eines wachsamen Parlaments haben. Dazu gehört im Übrigen auch die Aufarbeitung der Vergangenheit. Auch wenn diese Episode Kurz eine kurze Episode war: Es war enorm viel Arbeit, und daher möchte ich mich an dieser Stelle nochmals sehr herzlich für das unermüdliche Engagement und die Arbeit der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den U-Ausschuss-Fraktionen und in der Parlamentsdirektion bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

11.08

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Die nächste Aufklärerin! Was haben Sie herausgefunden?)