11.08

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit Frau Präsidentin Bures, Kollegin Penny Bayr, Kollegen Lopatka, Kollegen Graf und anderen war ich gerade drei Tage in Straßburg bei der Plenarversammlung des Europarates. Gerade unter den älteren Semestern, auch der anderen Länder, ist eine Wahrnehmung ganz klar: dass es in den letzten zehn, zwanzig Jahren in vielen Ländern zu einer Erosion in ihrer Demokratie, in ihrer Rechtsstaatlichkeit kam, dass in vielen Ländern das demokratische Gefüge geschwächt wurde, dass Desinformationskampagnen, hybride Kriegsführung weiter destabilisieren, Wahlen manipuliert werden und sich Politiker an der Macht ruchlos bereichern – und das alles ohne Konsequenzen. (Beifall bei den NEOS.)

Das Spektrum ist natürlich ein breites. Auf der einen Seite ist Polen, das jetzt unter strengem Monitoring ist, auf der anderen Seite sind zum Beispiel die Niederlande, über die ich mit einem Kollegen aus Rumänien einen Bericht erstatten werde, wo man etwa sieht – wobei man es aber bei diesem Land nicht glauben würde –, dass es dort mit der Demokratie auch bergab geht, weil man sie vernachlässigt.

Ich bin nicht erleichtert, weil bei uns alles so gut ist, zurückgeflogen. Am Weg zurück begleiteten uns Nachrichten über die ersten Prozesstage von Sophie Karmasin, der Ex-ÖVP-Ministerin, die sich wegen schweren Betrugs und wettbewerbsbeschränkender Absprachen vor Gericht verantworten muss.

Es ist erfreulich, dass es Ermittlungen zu Korruption in der Politik gibt. Das ist by the way auch ein großer Erfolg des Ibiza-Untersuchungsausschusses, der auch die schlimme Arbeitssituation der Korruptionsermittler in unserem Land in den Fokus genommen und darauf geachtet hat, dass nichts daschlogn wird. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Krainer und Tomaselli.)

Es wird also ermittelt, das ist ja schon einmal ein Erfolg. Kümmert sich aber die Politik, die jetzige Regierung, positiv, stärkend um unsere Demokratie, oder passiert vonseiten der Mächtigen in unserem Land weiterhin Machtmissbrauch, bereichern sich jene an der Macht weiterhin, nehmen sie zum Machterhalt auch die Medien an die Leine, schieben sie sich weiterhin Posten zu? – Leider Letzteres!

In diesem Sinne begleiteten mich am Heimweg auch die News über die Demonstration zum Erhalt der „Wiener Zeitung“. Franz Fischler – ÖVP-nahe, denke ich – meinte: „Die Demokratie in Österreich ist nicht mehr in dem Maße gesichert, wie sie einmal gesichert war.“

Das lässt sich auch objektivieren: Im internationalen Demokratieindex liegen wir auf Platz 20, beim Korruptionsindex auf Platz 22, beim Pressefreiheitsindex sind wir binnen eines Jahres von 17 auf 31 abgerutscht. Greco, die Staaten­gruppe des Europarates gegen Korruption, hat uns abgewatscht.

Kollege Hanger, das Bild bestätigte sich im U-Ausschuss. Waren die Bereiche­rungen unter Minister Grasser oder die Postenkorruption unter Ernst Strasser genauso österreichische Praxis wie die Faymann’sche Beziehung zu Inseraten, so mussten wir unter Ex-Kanzler Kurz durch die türkise ÖVP von 2017 bis 2021 ein Best-of Korruption erleben. Das haben wir klar im U-Ausschuss herausgear­bei­tet. (Beifall bei den NEOS.) Die türkise Familie hat sich mit einer noch nie dagewe­se­nen Dreistigkeit an der Republik bereichert und versucht, Ermittlungen dazu zu verhindern. (Abg. Hanger: Im Bericht steht ganz was anderes! – Abg. Hörl: ... keine Anklage!) Die Republik schien immer mehr als Selbstbedienungsladen eini­ger weniger.

Wo bleiben die Reformen? – Die Reformen, die es bräuchte, haben wir – vier Parteien, ohne die ÖVP oder besser gesagt trotz der ÖVP – in den letzten drei Jahren im Ibiza- und im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss akribisch erarbeitet. Ein U-Ausschuss ist ja schließlich kein Selbstzweck. Wir als Volks­vertreter haben die Verantwortung, die dort herausgearbeiteten Miss­stände durch Gesetzesreformen zu beenden. Die relevanten Reformen kommen aber nicht – im Gegenteil, unsere Demokratie wird weiter geschwächt.

Weil die Medienpolitik der Regierung heute hier noch Thema sein wird, ein Beispiel aus dem U-Ausschuss: Wir zeigten dort auf, dass Millionenbeträge von Fleischmann und Co freihändig vergeben wurden und die Fachbeamten das für das Kabinett nur mehr abstempeln durften. Unter dieser Regierung gibt es ein bisschen Transparenz, aber weiterhin keine klaren Obergrenzen und keine verpflichtenden Kriterien für die Vergabe von Inseraten um unglaublich viel Steuergeld. (Beifall bei den NEOS.)

Die bewiesene Abhängigkeit mancher Medien von der Politik wurde also um keinen Deut reduziert. Von der ÖVP sind Selbstkritik und Reformen für eine Stärkung unserer Demokratie nicht zu erwarten. Sie reagiert nicht einmal darauf, dass ihre Werte im Vertrauensindex laut Meinung der Bevölkerung desaströs sind – was ich verstehen kann –, dass diese nach Reformen schreit, dass es ein Antikorruptionsvolksbegehren mit ganz klaren Reformvorschlägen gab, dass es die Initiative Saubere Hände gibt, dass es die Initiative Bessere Verwaltung gibt, die Reformen fordert.

Zu den Grünen: So toll und engagiert die Arbeit von Nina Tomaselli und Kollegen Stögmüller im U-Ausschuss war – in der Regierung habt ihr längst aufgegeben. Ihr sitzt am Rand des Sumpfes der Korruption und werft nur elegisch Steinchen rein. (Beifall bei den NEOS.)

Ihr habt auch die Chuzpe, diesen desaströsen Zustand den Menschen Österreichs derart zu verkaufen, siehe letzte Seite des U-Ausschuss-Berichtes der Grünen: „Und langsam verbreitet sich die Nachricht vom Regierungs­viertel in Wien bis in die kleinste Gemeindestube: Selbstbedienungsmentalität, Spezialbehandlung für reiche Freund*innen und Manipulation der Bevölkerung: das geht nicht mehr. Diese Zeiten sind vorbei.“ (Die Abgeordneten Stögmüller und Tomaselli: Ja! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind nicht vorbei! – Abg. Stögmüller: Aso?!) – Nein, diese Nachricht verbreitet sich nicht. Herumge­sprochen hat sich, dass man so weitermachen kann wie immer. Da machen die Grünen sich die Rolle einer Partei in Geiselhaft zu leicht, denn ein wenig könnten sie sich doch bewegen und handeln.

Der für die Bekämpfung von Postenkorruption zuständige Minister ist Werner Kogler. (Beifall bei den NEOS.) Er könnte vieles einfach umsetzen: klare Vorgaben für Größe, Qualifikation und Zusammensetzung von Kabinetten. Das Kogler-Ressort könnte und sollte auch schon jetzt viel strenger betreffend Personalplan und Sonderverträge sein. Stattdessen haben wir betreffend Größe der Kabinette einen historischen Höchststand erreicht. Verbesserungen bei der Posten­vergabe – deswegen rede ich hier zentral darüber – sind umso wichtiger, als es dabei um die Zukunft unserer Verwaltung geht. Auch das ist eine Lehre aus dem U-Ausschuss. Wir haben gesehen, wie ein Herr Schmid mit seinen früheren Kabinettsfreunden zusammengespielt hat und für die nächsten zehn, 15 Jahre für die ÖVP wichtige Personen in Führungspositionen gehievt hat.

Wo wir jetzt nichts ändern und das System weiterlaufen lassen, haben wir für die nächsten Jahrzehnte dort Personen sitzen, deren Priorität eine Partei und nicht die Republik ist, die Freunde der ÖVP anstatt der klügsten und fähigsten Köpfe für die Menschen in diesem Land.

Damit Vizekanzler Kogler endlich handelt, bringen wir heute einen Antrag betreffend Reform für die Bundesverwaltung ein. Wir erinnern die Regierung an ihre Versprechen und setzen unseren Anträgen für ein Informationsfrei­heitsgesetz und einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt – die es schon längst gibt – eine Frist, damit sich endlich etwas tut.

Für den nächsten U-Ausschuss noch eine systemische Information an alle Bürgerinnen und Bürger, die es interessiert: Ich glaube, viele sind frustriert, dass sie sich nicht selbst ein Bild vom U-Ausschuss machen können, weil er nicht öffentlich ist. Einen Antrag dazu gibt es von uns schon seit Jahren. Die einzige Fraktion, die keine Öffentlichkeit will, ist die ÖVP, weil sie in einem nur medienöffentlichen Ausschuss weiterhin unsere Aufklärungsarbeit torpedieren und so Aufklärung verhindern kann. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

11.16

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Corinna Scharzenberger. – Bitte. (Abg. Leichtfried – die Hand hebend –: Frau Präsidentin! – Abg. Stögmüller: ... zur Geschäftsordnung!) – Herr Abgeordneter, ich habe die Rednerin bereits aufgerufen und gebe Ihnen danach aufgrund Ihrer Wortmel­dung zur Geschäftsbehandlung das Wort. (Abg. Schnedlitz: Die sind wahrscheinlich in verschiedenen SPÖ-Teams!)