11.38

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Besonders begrüßen möchte ich auch unsere Gäste aus dem Ländle – hallo, herzlich willkommen im Parlament! (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Wir haben heute schon sehr viel über Inseratengeschäfte, Spezialbehandlungen für Milliardäre, Postenschacher und, und, und gehört. Die großen Schlagzeilen haben uns, die Zeitungen, die Journalistinnen und Journalisten die letzten Monate sehr beschäftigt. Dies geschah auch komplett zu Recht. Ich möchte aber nun ein bisschen zu Themen kommen, die wir im Untersuchungsausschuss vielleicht noch nicht komplett ausrollen konnten, für die wir keine Zeit hatten, da bewusst Ablenkungsmanöver passiert sind, auf bestimmte Befindlichkeiten geschaut worden ist und Verzögerungstaktiken angewandt wurden.

Was sind diese Sachverhalte? – Zum einen haben wir uns die AEI angeschaut, das ist die Agentur für Europäische Integration. Da hat es Hausdurchsuchungen im Finanzministerium und im Bundesministerium für Inneres gegeben; da ging es um einen Verein. Da geht es um Verschleierung, um Untreue, um Miss­brauch von EU-Geldern – eigentlich ein riesengroßer Skandal. Es gab Beamte, die im BMI gearbeitet haben, von Andreas Holzer bis hin zu vielen, vielen anderen, auch im Finanzministerium, die versucht haben, Geld auf die Seite zu schaffen – Steuergeld. Die Ermittlungen laufen noch, da müsste man nach­schauen.

Wir haben die dubiosen Verstrickungen von Jan Marsalek in die obersten Kreise des Innenministeriums und des BVT nicht aufgearbeitet. Was ist da passiert? Da sind noch mehr als genügend Fragen offen, gerade weil Jan Marsalek auch beste Kontakte nach Russland hatte. Nicht nur Marsalek hing quasi am Rockzipfel von Russland, nein, da gab es auch noch andere Öster­reicherinnen und Österreicher, die da außenpolitisch, handelspolitisch, aber auch entsprechend energiepolitisch mitgezogen sind, und da fehlt uns eigentlich die Aufarbeitung. Da bräuchten wir etwas.

Da gibt es katastrophale Geschäfte mit Gazprom, die uns ja – dank Sebastian Kurz hauptsächlich – auch in eine jahrzehntelange Abhängigkeit von Putins Gas gebracht haben, und das eigentlich – das muss man sich ja vorstellen! – trotz der Krimannexion. Trotz internationalem Sanktionsregime, das 2014 begonnen hat, hat man mit Wladimir Putin einen 50-Jahre-Vertrag verlängert. Da muss man eigentlich schon zu Recht fragen: Wie kann so etwas passiert sein? Wie kann so etwas sein? Warum macht man das? – Also das ist die Frage.

Wir haben es da nicht mit irgendwelchen Kavaliersdelikten und Einzeltätern zu tun, sondern das ist das System Kurz. Wir reden da von einem System: einem System der Umgehungskonstrukte und der Manipulation, einem System der Tarnung und der Täuschung, einem System, von dem man profitiert hat oder profitieren konnte, wenn man auf der richtigen Seite stand, einem System, das die Energieunabhängigkeit unseres Landes mit einem Lächeln im Gesicht an eine kriegstreibende Diktatur verscherbelte, einem System, das mit Steuergeld geschönte Umfragen bezahlte und diese dann für politische Vorteile an diesel­ben Steuerzahler zurückfütterte, kurz gesagt eigentlich einem System, das gegenüber uns allen hier im Saal und gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern da draußen keine Pflicht verspürte, sondern diese ganz ehrlich nur als Hindernis sah. (Beifall bei den Grünen.)

Unser Bericht – Kollegin Tomaselli hat ihn vorhin schon gezeigt – ist ein leben­der, ein akribischer Beweis dafür, dass weder dieses Haus noch dieses Land so etwas zulassen, ein Beweis dafür, dass wir die Instrumente haben, uns zu wehren, und damit diese Pflicht auch nutzen. Eine gesunde Demokratie und ein funktionierender Rechtsstaat könnten sich die Aushöhlung dieser Institu­tionen und alle derartigen Tendenzen einfach nicht leisten. Da müssen wir hin­schauen. Dagegen müssen wir kämpfen. Da müssen wir uns wehren.

Ja, es ist höchste Zeit, die türkisen Jahre auch als das gescheiterte Kapitel der österreichischen Politik zu erkennen, das es ist, und diesen – unter Anfüh­rungszeichen – „neuen Stil“ ein für alle Mal hinter uns zu lassen. Was wir jedoch nicht hinter uns lassen können, sind die Geschehnisse, die Taten und auch deren Konsequenzen. Das Vermächtnis dieses Untersuchungsausschusses ist vor allem eine lange Liste dessen, was die Republik und dieser Rechtsstaat benötigen, um sich selbst wieder ernst zu nehmen. Das ist unsere Aufgabe, nämlich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederherzustellen und zurückzuge­win­nen. Das ist eine immense Aufgabe und wird uns lange beschäftigen.

Es braucht ein Korruptionsstrafrecht mit Biss, es braucht strenge Regeln rund um das Postenschachern und Transparenz bei Inseratenvergabe. Dafür werden wir Grüne auch weiterkämpfen. Wir werden da nicht nachlassen. Wir werden das bis zum Schluss durchkämpfen, auch gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern. Ja, warum denn auch nicht? – Wir müssen aber alle an einem Strang ziehen.

Heute haken wir dieses Kapitel mit dem Untersuchungsausschuss ab, schlagen aber ein neues Kapitel der Kontrolle und der Transparenz auf. Das brauchen wir ganz dringend. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.43

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.