11.49

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir über den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss sprechen, können wir, glaube ich, erstens einmal festhalten: Im Wesentlichen sind die Fakten allesamt bekannt, und ich glaube, es würde jede Redezeit hier sprengen, wenn man beginnen würde, taxativ aufzuzählen, worauf man der ÖVP alles draufgekommen ist.

Es geht aber ja gar nicht darum, Recht oder Unrecht zu sprechen, das wird am Ende des Tages sowieso die Justiz entscheiden. Deshalb, Herr Kollege Stocker, vielleicht nur eines zum Thema Wahrheit: Wahrheit ist halt auch, wenn man sich die Justiz ansieht, dass es die erste Anklage gibt und dass seit dieser Woche die erste ÖVP-Ministerin vor Gericht steht. Dieser werden wahrscheinlich noch viele ÖVPlerinnen und ÖVPler folgen (Beifall bei der SPÖ), und irgendwann wird möglicherweise auch der ehemalige Messias von der Regierungsbank direkt auf die Anklagebank wechseln.

Ich finde aber – auch wenn man dem heute hier zuhört – nicht nur schlimm, worauf man alles draufgekommen ist – das ist schlimm –, sondern noch viel schlimmer finde ich, dass es hier auf dieser rechten Seite in keiner Form irgendein Unrechtsbewusstsein gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist in Wirklichkeit das Schlimme, auch aus diesem Ergebnis des Untersuchungsausschusses.

Es ist aber auch kein Wunder, es kommt auch nicht von ungefähr, weil in vielen das ganz einfach ÖVP-immanent ist. Ihr kennt es teilweise nicht anders. Ihr seid politisch so sozialisiert, weil ihr als ÖVP glaubt, diese Republik gehört euch und ist euer persönlicher Selbstbedienungsladen. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Obernosterer und Höfinger.)

Diese ganze Postenschacherdebatte (Abg. Michael Hammer: SPÖ-Wien! – Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!) – es sind ja auch sehr viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher hier herinnen –: Es ist ja nicht nur das System Kurz, über das wir hier immer wieder gesprochen haben, sondern das ist ja nur eine Weiter­entwicklung des Systems ÖVP-Niederösterreich. (Abg. Zarits: Burgenland!)

Wir Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher kennen das seit Jahr und Tag. (Beifall bei der SPÖ.) Jeder Bezirkshauptmann ist ÖVP-Mitglied. (Abg. Zarits: Schauen Sie einmal ins Burgenland!) Jeder Stellvertreter des Bezirkshaupt­mannes ist ÖVP-Mitglied. Jeder Schuldirektor, jede Schuldirektorin wird von der ÖVP-Niederösterreich parteipolitisch besetzt. (Neuerlicher Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!)

Viele Bürgermeister:innen und Vizebürgermeister:innen sind in Niederösterreich durch die ÖVP in irgendeinem Landesdienst beschäftigt. (Abg. Zarits: Schauen Sie einmal ins Burgenland! Burgenland!) Ja selbstverständlich muss jeder Hausmeister, der in den Landesdienst aufgenommen wird, beweisen, dass er schon in der dritten Generation Parteigänger der ÖVP ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak. – Abg. Zarits: Reden Sie über das Burgenland?)

Deshalb abschließend: Ich glaube, eine wirklich lückenlose Aufklärung dieser ganzen Sachlage ist nur dann möglich, wenn die ÖVP nach 40 Jahren endlich die Regierungsbank räumt. Es ist höchst an der Zeit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischen­ruf des Abg. Linder. – Abg. Höfinger: Ja, du träumst ja!)

Weil sich der Herr Bundeskanzler ja noch immer sträubt, diverse Akten auszuhändigen, stelle ich abschließend noch folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umfassende Kooperation mit der Staatsanwaltschaft durch ÖVP-Regierungs­mitglieder“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich dafür zu sorgen, dass

- die Anordnungen der Staatsanwaltschaften im Bundeskanzleramt sofort voll­ständig befolgt werden;

- sich Personen, die befangen sind, weil sie entweder Beschuldigten wie der ÖVP-Bundespartei angehören oder selbst in die Vorwürfe involviert waren, sofort der Ausübung aller mit den Ermittlungen zusammenhängenden Tätig­keiten enthalten und sich von unbefangenen Personen vertreten lassen;

- jegliche Datenlöschung und Aktenvernichtung zu unterlassen, von denen noch sicherzustellende Beweismittel betroffen sein könnten.

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dieselbe Vorgangsweise außerdem bei den anderen der ÖVP-zuzurechnenden Regierungsmitgliedern sicher­zustellen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höfinger: Na, in dem Populismus könnt ihr euch suhlen! Herzlichen Glückwunsch! Wie schaut es denn in Wien aus, Genossinnen und Genossen? Einen kurzen Vortrag aus Wien? Das ist nicht so interessant! – Abg. Leichtfried: Wir sind keine Genossen! Das kannst dir sparen! – Abg. Michael Hammer: Er ist Team Dosko! Ist der Dosko?)

11.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jan Krainer, Genossinnen und Genossen

betreffend „umfassende Kooperation mit der Staatsanwaltschaft durch ÖVP-Regierungsmitglieder“

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 1 Bericht des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) (4/US) gemäß § 51 VO-UA (1996 d.B.)

Seit Monaten verweigert der Bundeskanzler und Teile des ihm unterstellten Bundeskanzleramts, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft zur Sicherung von Beweismitteln nachzukommen. Besonders pikant ist dabei, dass der nunmehrige Generalsekretär im Bundeskanzleramt die Ermittler: innen offen über seine eigene Rolle bei lnseratevergaben getäuscht hat. Dennoch sind sowohl Bundeskanzler Nehammer, der als ÖVP-Parteiobmann gleichzeitig einem beschuldigten Verband vorsteht, und der Generalsekretär, der in die mutmaßlich kriminellen Handlungen eingebunden war (wobei er selbst nach derzeitigem Informationsstand keines Fehlverhaltens beschuldigt wird), weiterhin für die Umsetzung der Anordnungen der Staatsanwaltschaft mitverantwortlich. Dass jedoch Personen in ihrer eigenen Sache Entscheidungen treffen können, ist in einem Rechtsstaat an sich undenkbar. Für die ÖVP scheinen jedoch andere Regeln zu gelten. Die ÖVP darf als Einzige in unserem Land gegen sich selbst ermitteln. Nehammer stellt sich damit nahtlos in eine Reihe mit Gernot Blümel, den erst der Bundespräsident durch ein Gericht zwingen musste, seine Akten an den Untersuchungsausschuss zu liefern. Auch unter dem neuen Minister Brunner führt das Finanzministerium weiterhin eine juristische Abwehr­schlacht gegen die Staatsanwaltschaft.

Während sich mit Sophie Karmasin die erste ÖVP-Ministerin nunmehr vor Gericht verantworten muss, arbeitet der Bundeskanzler immer noch daran, die Missetaten seines Vorgängers zu verschleiern. Nach jüngsten Informationen werden im Bundeskanzleramt wieder breitflächige Löschungen vorbereitet. Damit gehen aber wertvolle Informationen für die Staatsanwaltschaft verloren, die diese zur Aufklärung der massiven Korruptionsvorwürfe benötigt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich dafür zu sorgen, dass

-         die Anordnungen der Staatsanwaltschaften im Bundeskanzleramt sofort vollständig befolgt werden;

-         sich Personen, die befangen sind, weil sie entweder Beschuldigten wie der ÖVP-Bundespartei angehören oder selbst in die Vorwürfe involviert waren, sofort der Ausübung aller mit den Ermittlungen zusammenhängenden Tätigkeiten enthalten und sich von unbefangenen Personen vertreten lassen;

-         jegliche Datenlöschung und Aktenvernichtung zu unterlassen, von denen noch sicherzustellende Beweismittel betroffen sein könnten.

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dieselbe Vorgangsweise außerdem bei den anderen der ÖVP zuzurechnenden Regierungsmitgliedern sicherzustellen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Christian Ries, ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.