16.38

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch kurz zu Kollegin Götze, weil sie jetzt mehrfach gesagt hat, wir steuern langsam auf einen Arbeitskräftemangel zu: Frau Kollegin Götze, wir sind längst dort! Wir sind längst dort. (Beifall bei den NEOS.) Deswegen ist es auch höchst an der Zeit, über Lösungen für den Arbeitskräftemangel zu reden.

Schauen wir uns die Zahlen an, zum Beispiel jene aus dem Februar 2022: Da waren zwei Drittel aller Berufe auf der Mangelberufsliste Lehrberufe. Das heißt, wenn wir uns die Berufe anschauen, in denen wir dringend Arbeitskräfte, Fachkräfte brauchen, sehen wir, dass der Arbeitskräftemangel eigentlich ein Lehrlingsmangel ist. Bei diesem Fachkräftemangel, den alle beklagen, übersehen wir auch, dass er eigentlich schon vor Jahren, vor Jahrzehnten verur­sacht wurde, weil insbesondere Sie von der ÖVP – Sie stellen ja schon sehr, sehr lange den Wirtschaftsminister, schon länger, als ich auf der Welt bin, wenn ich es richtig im Kopf habe; also schon sehr lange sind Sie dafür verant­wortlich – gestern und vorgestern eben nicht an morgen und an übermorgen gedacht haben.

Insbesondere Sie in der ÖVP haben immer auf Umfragen geschielt, auf die nächste Landtagswahl, auf ganz kurzfristige Ereignisse, haben aber eben nicht nachhaltige Politik gemacht, die vielleicht im Moment nicht so populär ist, die aber, wie wir jetzt sehen, dringend notwendig gewesen wäre (Beifall bei den NEOS), weil eben dieser Fachkräftemangel zumindest zu einem großen Teil ein Lehrlingsmangel ist, bei dem man eben schon frühzeitig dafür hätte sorgen müssen, dass junge Menschen in den jeweiligen Branchen eine Lehre machen.

Sie ruhen sich dabei auch auf der dualen Ausbildung aus, die, ja, international anerkannt ist – und ich würde auch sagen, die sehr gut war, die noch irgendwie okay ist, aber wenn wir so weitermachen wie bisher, dann fahren wir dieses Erfolgsmodell der dualen Ausbildung gegen die Wand, denn uns gehen die Lehrlinge aus, uns gehen die jungen Menschen aus, die eine Lehre beginnen, und wenn wir jetzt nicht gegensteuern, dann wird das in einer Katastrophe enden.

Die Zahl der 15- bis 19-Jährigen ist in den letzten 15 Jahren um 13 Prozent gesunken, aber die Zahl der Lehrlinge ist um 20 Prozent gesunken, also viel stärker als die demografische Entwicklung, und das überrascht mich auch nicht. Es überrascht mich deshalb nicht, weil die Politik Lehrlingen über Jahre und über Jahrzehnte signalisiert hat, dass sie eigentlich junge Menschen zweiter Klasse sind. Das System hat ihnen vermittelt: Du beginnst dann eine Lehre, wenn du für nichts anderes gut genug bist. – Das war das, was die Politik, was das System vermittelt hat, und das ist fatal, weil wir eben jetzt sehen, dass wir diese Fach­kräfte dringender denn je brauchen. (Beifall bei den NEOS.)

Wer kann es den jungen Menschen verübeln, dass sie keine Lehre beginnen, wenn geprüfte Lehrlinge, die hart arbeiten, die früh Steuern zahlen, die Enormes leisten – ein:e Elektriker:in, ein Koch, ein Maschinenbautechniker – weniger gesellschaftliche Achtung bekommen als eine Germanistik-Studentin oder ein Germanistik-Student, die oder der nicht fertig studiert hat. Das kann doch nicht sein, wir müssen da auch in der Wertschätzung etwas ändern! (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Oder die Polytechnischen Schulen, die Berufsschulen, das sind ja eigentlich die vergessenen Kinder in unserem Bildungssystem – weniger Geld, schlechtere Ausstattung, keine Wertschätzung (Abg. Haubner: Das stimmt ja - -!) –: Kein Wunder, dass viele Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder diese Schulen besuchen.

Oder schauen wir uns die Ausbildungsordnungen an! Ich weiß nicht, ob Sie gewusst haben, wie sehr die in der Steinzeit verankert sind. Haben Sie (in Richtung ÖVP) gewusst, dass man keine Ausbildung zum Koch machen kann – Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln, das stimmt schon, was ich Ihnen jetzt sage (Abg. Haubner: Na, geh, das ist ja ein ...! Du warst noch nie in einer Küche! Du hast noch nie in einer Küche gearbeitet!) – in einem Betrieb, in dem kein Schnitzel auf der Speisekarte steht? Haben Sie gewusst, dass, wenn man dort eine Ausbildung zum Koch machen möchte, das nicht möglich ist? (Abg. Haubner: Das sind die alten Schellhorn-Kalauer!) Haben Sie gewusst, dass man, wenn man eine Ausbildung zum Tischler machen möchte – in einem hochmodernen Betrieb, wie ich ihn in Oberösterreich auch besucht habe, in dem man mit modernsten Maschinen arbeitet –, diese Ausbildung nicht machen kann, wenn es in dem Betrieb keinen Hobel gibt? Die haben übrigens einen angeschafft, ein Ausstel­lungs­stück, der steht jetzt dort, der Hobel. Also wie absurd diese Systeme sind, das sieht man, wenn man in die Praxis schaut. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Haubner: Ist ja gut, dass wir euch haben!)

Aber wir haben nicht nur zu wenig Lehrlinge - - (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Sie haben kein Mikrofon, Sie schreien zwar sehr laut, aber ich verstehe Sie trotzdem nicht. Vielleicht melden aber auch Sie sich dann zu Wort und sagen, wie Sie die ÖVP-Politik der letzten Jahrzehnte verteidigen würden.

Es gibt aber nicht nur zu wenig Lehrlinge, derzeit gibt es da ein Mismatch, son­dern wir brauchen mittelfristig auch mehr Lehrbetriebe, denn auch deren Anzahl ist extrem stark zurückgegangen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unter­nehmen.

Also zusammengefasst, was es jetzt bräuchte: erstens eine Revolution im Bildungs­system – unser Vorschlag wäre eine neue Art der dualen Oberstufe (Abg. Haubner: Da redet einer, der noch nichts gearbeitet hat!), eine dritte Säule zu AHS, BMHS, berufsbildenden höheren Schulen, bei der wir Berufsschulen, Polytechnische Schulen und Berufsreifeprüfungen unter einem Dach zusammen­bringen –, wir bräuchten eine grundlegende Reform der Ausbildungsordnungen, wir bräuchten auch einen Stopp der Kostendiskriminierungen – ein Bachelor und ein Master sind gratis (Abg. Niss: ... gratis sein!), aber allein schon der Antritt zur Meisterprüfung kostet Tausende Euro –, und wir brauchen einen neuen, einen höheren Lehrstellenbonus gerade für Klein- und Mittelbetriebe, damit eben ihre Lehrstellen gefördert werden, begrenzt auf bis zu fünf Lehrlinge – wir haben das am konkreten Modell auch durchgerechnet.

Herr Minister – er ist ja leider nicht mehr da –, Frau Staatssekretärin, bitte weni­ger reden (Abg. Haubner: Na, das gilt aber für dich: weniger reden!, anscheinend! Schweigen ist Gold!), bitte weniger Selbstlob und bitte endlich handeln! (Beifall bei den NEOS.)

16.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.