23.30

Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe ausharrende Zuhörer:innen und Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir diskutieren heute einen Sonderbericht der Volksanwaltschaft, dem wir, das sage ich vorab, als Fraktion der Volkspartei insofern zustimmen werden, als wir ihn zur Kenntnis nehmen werden. Den Inhalt dieses Berichtes sehen wir aber entsprechend kritisch.

Soziale Rechte, ein sozialer Ausgleich, eine soziale Politik sind uns in Österreich, denke ich, allen ein Anliegen und sind sehr wichtig. Auch die aktuelle Bundesregierung bekennt sich, wie alle anderen davor und genauso wie das Parlament, zu gewissen sozialen Rechten. Eine Verankerung – und das ist die Kritik, die wir an den Forderungen und Vorschlägen des NGO-Forums üben – von einklagbaren sozialen Grundrechten halten wir dennoch für den falschen Weg, und ich möchte auch kurz erklären, warum.

In unserer Verfassung, das wissen Sie vermutlich alle, sind unsere Grundrechte als politische Rechte und Freiheitsrechte niedergeschrieben. Das sind Rechte, die Bürgerinnen und Bürgern gegenüber dem Staat Freiheiten und Rechte einräumen. Sie sind universell und quasi unabhängig von sich ändernden Rah­men­bedingungen; man nennt sie auch die erste von drei Generationen von Menschenrechten. Es sind jene, die auf die Tradition der Aufklärung zurückge­hen und auch schon etwa in der Französischen und Amerikanischen Revolution begründet wurden.

Was wir aber heute hier diskutieren – die sozialen Grundrechte – sind Men­schenrechte der sogenannten zweiten Generation: Recht auf Wohnen, Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit. Diese Rechte sind im sogenannten UNO-Pakt I, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, niedergeschrieben. Dieser wurde 1966 in New York beschlossen, und Öster­reich, das möchte ich hier auch festhalten, ist schon seit 1978 Vertrags­partei und hat sich dadurch ja auch verpflichtet, diese Rechte zum Teil umzu­setzen – und das tun wir ja seitdem schon, mit diversen gesetzlichen Rege­lungen und durch Institutionen, die in der Republik selbstverständlich geworden sind; vieles haben wir auch schon lange vorher umgesetzt.

Woran denke ich da? – Ich denke an eine öffentliche und kostenlose Bildung. Ich denke an eine aktive Arbeitsmarktpolitik – übrigens gibt es die in Österreich dank Josef Klaus und Grete Rehor schon seit den Sechzigerjahren –, an unser Sozialsystem, an Versicherung – Unfall-, Krankenversicherung, Arbeitslosen­ver­sicherung –, aber etwa auch an den gemeinnützigen Wohnbau und, wenn man an die aktuelle Zeit denkt, an diverse Maßnahmen, um die Menschen angesichts der Teuerung zu entlasten, an die Valorisierung von Sozial- und Familien­leistungen oder eben auch die Abschaffung der kalten Progression. Sie sehen, die Liste ist endlos und enthält quasi eine lange Erfolgsgeschichte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Grundrechte zweiter Generation – und jetzt komme ich dazu, warum wir sie nicht verankern wollen – sind aber schlichtweg nicht normgebend genug, um sie einklagbar in die Verfassung zu schreiben. An wen richtet sich zum Beispiel der Anspruch oder das Recht auf Arbeit? Was ist da Prüfungsmaßstab? Was bedeutet eigentlich Recht auf Arbeit? Dass ich jemanden verklagen kann, wenn ich nach zwei Jahren oder nach fünf Monaten keine Arbeit gefunden habe? Wie wollen wir das konkret umsetzen?

All das sind Fragen, die eine Gesellschaft stets aushandeln muss. Das passiert in einer Demokratie im Parlament und hier soll es auch entschieden werden. Wir wollen auch die Kompetenz und die Entscheidungskraft nicht an eine dann politisierte Judikative übergeben. Eine Aufnahme von einklagbaren sozialen Grundrechten sorgt für ein Spannungsverhältnis, und das sage nicht nur ich, das sagt etwa die deutsche Verfassungsrichterin Dr. Susanne Baer, die von 2011 bis zu diesem Februar auf Vorschlag von SPD und Grünen aktiv war. Sie sagt zum Beispiel, ein Recht auf Arbeit sei nicht einklagbar und mache eine Verfassung zum leeren Versprechen. Würden soziale Grundrechte als einklagbares Recht ausgestaltet werden, würde dies die Gerichte überfordern, den Gesetzgeber strangulieren und die politische Debatte lähmen.

Das ist der Grund, warum wir das kritisch sehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht zu sozialen Rechten und sozialer Politik bekennen. Ich habe schon Beispiele genannt und möchte auch sagen, dass wir auch weiterhin eine allfällige Erweiterung des Grundrechtsschutzes prüfen wollen und einen Katalog von Staatszielbestimmungen erarbeiten wollen, aber eben nicht so weitgehend, wie es das NGO-Forum vorschlägt.

Im Sinne eines freien und demokratischen Staates sollten wir also die sozialen Rechte von Menschen insofern schützen, als wir ihre Entfaltungsmöglichkeiten sicherstellen wollen. Für mich geht es auch immer um eine freie Lebensgestaltung. Wir sollten aber auch die Freiheit und Gestaltungs­möglich­keiten des Parlaments und des parlamentarischen Prozesses wahren und nicht einschränken.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn wir weiter darüber diskutieren, aber kritisch und mit all diesen Überlegungen. Ich danke Volksanwalt Achitz, dem NGO-Forum, allen Mitwirkenden für diese Vorschläge, die auch Grundlage der Diskussion sind, und den Organisationen, die beim NGO-Forum waren, umso mehr für Ihre Arbeit, die aus meiner Sicht unverzichtbar auch das staatliche Handeln im Sozialbereich ergänzt. Wir werden den Bericht wie gesagt zur Kenntnis nehmen, den Inhalt sehen wir aber durchaus kritisch. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

23.35

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.