0.11

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt manchmal zu Ereignissen, die man sich – gerne auch mehrmals – genau ansehen muss, weil umfassend zu klären ist, wie es dazu kommen konnte. Wurden Fehler gemacht? Wer trägt für diese die Verantwor­tung?

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich die Volksanwaltschaft im Sonderbericht zum Terroranschlag vom 2. November 2020 das Vorgehen unserer Polizei und unserer Justiz noch einmal genau angesehen hat; und eben nicht das Vorgehen in der Nacht selbst, sondern besonders jenes in den Monaten vor diesem schlim­men, grauenhaften Terroranschlag. Denn in der Nacht selbst lief der Einsatz ja gut, auch dank des Glücks, dass für eine andere Operation – Operation Luxor – schon Sondereinheiten in Wien zusammengezogen waren.

Wie steht es aber um das Verhalten unseres Sicherheitsapparates vor dem Attentat? Wurde da etwas unterlassen, was man sich von den Beamtinnen und Beamten hätte erwarten können? – Ja, und zwar sehr viel, wie auch in Ihrem Bericht, Herr Volksanwalt, wieder ausgeführt wurde. Es ging schließlich um einen schon bekannten und verurteilten Täter: K. F., der nämlich schon wegen versuchter Ausreise nach Syrien bekannt und auch schon verurteilt war. Und zu so jemandem kommt dann die Information herein, dass er wieder beabsichtigt, nach Syrien auszureisen.

Das wird aber nur zur Kenntnis genommen und abgelegt. Danach wird diese Person, nur auf Ersuchen von Deutschland, einmal kurz bei einem Islamis­tentreffen observiert. Kaum reisen die deutschen Islamisten ab, beendet man von österreichischer Seite den Auftrag.

Kurz darauf will ein schon Verurteilter eine Kalaschnikow in der Slowakei kaufen. Und ich finde es sehr lustig, Herr Kollege Stocker, wenn Sie meinen, dass sich „die Ereignisse dann aber überschlagen haben“, denn es wurde noch monatelang nichts mit dieser Information gemacht.

Es wurde urgiert, mehr Informationen von slowakischer Seite zu bekommen, dann wurde kalendiert, urgiert, kalendiert, und so gingen Wochen und Monate ins Land. Im September urgierte man dann vonseiten des LVT Wien, dass man die Information über den Ankaufversuch in die Risikoanalyse aufnimmt. Auch das musste länger und öfter urgiert werden. Und ganz zum Schluss, kurz vor dem Anschlag, kam man dann doch auf die Idee, einmal eine Gefährderansprache zu machen.

Der Berichtspflicht an die Justiz, die die Beamten vor Gericht dann doch als gegeben annahmen, wurde auch nicht nachgekommen.

Es sind also viele Fehler passiert, es wurde viel unterlassen. So viel, dass Sie, Herr Volksanwalt, auf meine diesbezügliche Anfrage im Ausschuss meinten, dass bei ordnungsgemäßem, raschem Handeln entsprechend der Gesetzeslage die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sei, dass man des Täters hätte habhaft werden können. Und so muss man leider todernst sagen: Da hat der Sicherheitsapparat versagt.

Wie konnte das passieren? Zu wenig Personal oder zu schlechtes Personal? Für beides trägt der Innenminister und tragen die letzten Innenminister und Innenministerinnen die Verantwortung – und die kamen nun einmal alle von der ÖVP.

Zu wenige Ressourcen: Wie Kollege Stögmüller schon ausgeführt hat, wurden viele Ressourcen schon lange für die vordringliche, prioritäre Operation Luxor abgezogen, die sich mittlerweile zu einem rechtsstaatlichen Debakel entwickelt hat, ausjudiziert von Höchstgerichten.

Zu schlechtes Personal: Kann es in einem Ministerium, in dem die ÖVP schon über ein Jahrzehnt das Sagen hat, sein, dass nicht die Kompetentesten etwas werden, sondern vielleicht jene, die einer Partei nahestehen? Und zu oft? (Zwischenruf des Abg. Ries.) Kann es sein, dass redliche Polizistinnen und Polizis­ten im Innenministerium erleben, dass die mit den besseren Kontakten in eine Partei an ihnen vorbeiziehen und dass nicht die Besten die Entscheidungen treffen? Dass auch in unserem Verfassungsschutz nicht die Besten tätig sind?

Das kann sein – wir haben es im BVT-Untersuchungsausschuss oft genug gesehen. Da waren sehr viele Auskunftspersonen anwesend, auch eine sehr gute Freundin der Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die im BVT eine wichtige Position hatte und äußerst inkompetent war.

Die Postenkorruption, die im Innenministerium systemisch ist, ist schon seit den E-Mails von Strasser bekannt und hat sich seither nicht gebessert – bis heute nicht! Und, liebe ÖVP, ich würde vorschlagen, dass Sie sich einmal überlegen, ob jahrelange skrupellose Postenkorruption ohne Anspruch auf Kompetenz in unserem Sicherheitsressort nicht irgendwann einmal brandgefährlich für unsere Sicherheit wird.

Ob es im neuen Verfassungsschutz, in der Direktion Staatsschutz und Nach­richtendienst jetzt besser läuft? Wir NEOS arbeiten hart daran, aber Sie kennen die ÖVP. Wichtig wäre vielleicht einmal ein parteiloser Innenminister. (Beifall bei den NEOS.)

0.16

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Volksanwalt Walter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.