11.38

Mitglied des Europäischen Parlaments Thomas Waitz (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Frau Staatssekretärin! Wir haben gehört, was FPÖ-Europapolitik ist, nämlich Anschuldigungen, blöde, populistische Slogans, Unterstellungen, aber inhaltlich haben wir nichts gehört zur gemeinsamen Europäischen Union (Abg. Kassegger: Dann haben Sie nicht aufgepasst!), die Sie nämlich nicht wollen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Seit Sie aber den Brexit erlebt und gesehen haben, wie ein großes, wirtschaftsstarkes Land – in dem Fall die Vereinigten Staaten von Großbritannien – den wirtschaftlichen Niedergang trotz seines globalen Netzwerks nicht aufhalten kann, bleibt Ihnen der Öxit mittlerweile im Hals stecken. Sie versuchen trotzdem, uns zu behindern, nämlich jene, die wissen, dass die Europäische Union und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ein Riesenerfolg sind – ein Riesenerfolg als Friedensprojekt in diesem Europa jener Staaten, die der Europäischen Union beigetreten sind: fast 80 Jahre Frieden auf einem Kontinent, der jahrhundertelang aufgrund von Nationalisten, aufgrund von jenen, die polarisieren, die mit populistischen Slogans die Bevölkerung gegeneinander aufhetzen, von Kriegen beherrscht war.

Sie ist wirtschaftspolitisch und mittlerweile auch sozialpolitisch ein Erfolg. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Wir haben in ganz Europa viele Menschen aus der Armut geholt. Das ist eine enorme Leistung, und die werden Sie uns nicht kaputtreden, ganz bestimmt nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Es muss uns klar sein, dass wir als kleines Land Österreich heute in einer multipolaren Welt nicht die geringste Chance haben, unsere Interessen zu vertreten. (Abg. Kassegger: Dann sind die Schweizer Vollidioten, nicht, und die Norweger – lauter Trotteln?!) Wir haben nicht die geringste Chance, unsere Werte von Demokratie und Meinungsfreiheit aufrechtzuerhalten. Wir können das in einer multipolaren Welt mit China, Brasilien, den USA oder Russland, die große Player sind – Indien ist auch zu erwähnen –, nur als gemeinsames Europa gewährleisten. Wenn Sie das nicht begreifen, dann haben Sie Politik nicht begriffen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steger: Das sagen Sie gerade der FPÖ ...!) In diesem Sinne hat Europa nur eine Chance, wenn wir auch wirtschaftlich und vor allem technologisch entsprechend die Nase vorne haben. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir haben teure Produktionsbedingungen in Europa, aber wir haben hervorragend ausgebildete Leute, wir haben hervorragende Infrastruktur. Nur wenn wir die Nase vorne haben, können wir in diesem globalen Wirtschaftswettlauf bestehen. (Abg. Steger: Sie bestehen eben nicht ...!)

Auch an die NEOS: Es ist Ihr Verkehrsminister aus Deutschland gewesen, der in einem demokratiepolitisch sehr bedenklichen Move im letzten Moment die klare Entwicklung zu neuen Technologien behindert hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir haben keinen Verkehrsminister ...!) Man muss das schon auch im größeren europapolitischen Kontext sehen. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Grünen sind aber in Österreich schon noch in der Bundesregierung, oder, Herr Kollege?!) Ich hoffe, Sie können da einwirken und diese Leute zur Vernunft bringen. Ihre Kolleg:innen aus Deutschland behindern die Entwicklung der Europäischen Union in Richtung Forschung, Entwicklung neuer Technologien. Darüber müssen wir noch reden, sodass wir da vorankommen.

Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob die Einstimmigkeit in jedem Bereich wirklich sinnvoll ist, zum Beispiel im Bereich der Mindestbesteuerung von Unternehmen und sehr wohlhabenden Menschen. Es ist schon schlimm genug, dass multinationale Unternehmen mit ihren Gewinnen in internationale Steueroasen, auf die Bahamas oder wohin auch immer, davongehen, aber wir müssen uns auch ansehen, dass wir auch innerhalb der Europäischen Union Steueroasen haben. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Wenn es uns nicht gelingt, jene, die viel Geld verdienen, und jene, die viel Geld besitzen, zu einer fairen Steuerleistung zu verpflichten, dann wird uns dieses Geld, egal wo in der Europäischen Union, für Bildung, für Gesundheit oder Sozialleistungen, um Armut zu bekämpfen, abgehen. Daher müssen wir das Einstimmigkeitsprinzip überdenken, wenn es um Mindestbesteuerung geht, sonst wird uns auch die europäische Bevölkerung in vielen Bereichen nicht folgen. (Beifall bei den Grünen.)

Und ja, Sie haben es gesagt, auch seitens der ÖVP: Die großen Fragen unserer Zeit können wir nur gemeinsam lösen. Dann müssen wir sie aber auch gemeinsam lösen. Zu den großen Fragen der heutigen Zeit gehört nun einmal die Klimakrise. Ob das die Herren von der FPÖ sehen wollen oder nicht: Es ist nun einmal eine wissenschaftliche Tatsache. (Abg. Steger: So wie die Impfung?) – Ja es ist eine wissenschaftliche Tatsache. Wir haben da ein massives Problem. (Abg. Kassegger: ... jeder, der eine ... Tatsache hinterfrägt, ist ein Aluhutträger!) Da müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen und unser Bestes geben.

Ein Letztes noch zur Neutralität: Die militärische Neutralität Österreichs ist für mich in Stein gemeißelt, das ist ganz klar. Wir brauchen uns aber nicht dahinter zu verstecken und zu glauben, nur weil wir ein neutraler Staat sind, können und sollen wir die Ukraine nicht unterstützen. Wir können das in vielerlei Hinsicht tun: mit technischer Unterstützung, mit Geld können wir unterstützen, mit Generatoren, um das Energiesystem aufrechtzuerhalten. Wir müssen in die Diplomatie investieren, und wir müssen auch in das Schaffen und in die Erhaltung des Friedens mehr investieren.

Verstecken wir uns nicht hinter der Neutralität, sondern nehmen wir unsere Rolle als neutraler Staat im gemeinsamen Europa ein: in Richtung diplomatische Initiativen, in Richtung zivile Unterstützung, auch in Richtung Konfliktbereinigung und Wiederaufbau von modernen Staatssystemen nach Konflikten! Nehmen wir diese Verantwortung wahr, und verstecken wir uns nicht hinter einer falschen Vorstellung von Neutralität! – Ich danke Ihnen herzlichst. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

11.44

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff zu Wort. – Bitte.