19.06

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Um diese Uhrzeit reden wir über Afrika; ich glaube, das wird auch großes Interesse hervorrufen. Jedenfalls kann ich Ihnen erzählen, dass ich im Jahr 2000 die Chance hatte, an der Haas School der University of Berkeley einen zweimonatigen Kurs über Geopolitik zu machen, und da gab es einen Professor – ich werde das nie vergessen –, der aufgezählt hat, wie sich die unterschiedlichen Weltregionen positiv entwickeln werden. Zum Schluss hat er dann gesagt: Forget Africa!, also dort gibt es gar keine Chance.

Dann haben wir heftig darüber diskutiert, und ich erinnere mich noch sehr gut, dass natürlich ein wesentlicher Punkt war, dass in der Geschichte der Erde Afrika eigentlich sehr lange nur Objekt war, nicht Subjekt, und sich auch nicht als solches verstanden hat. Kollegin Brandstötter kennt sich da viel besser aus, und ich freue mich, dass sie dann darüber reden wird – wie gesagt, sie kennt sich da besser aus –, aber das, was ich verstanden habe, ist eben: Objekt.

Schauen Sie sich einmal diesen riesigen Kontinent an! Ich selber habe ja mit Hugo Portisch, der dort auch an einer Journalistenhochschule unterrichtet hat, darüber gesprochen, und er hat gesagt: Die sind genauso gescheit wie wir, nur haben sie die Chancen nicht! – Das liegt eben daran, dass Afrika in der Geschichte immer Objekt war, ob das im Sklavenhandel mit den Vereinigten Staaten oder im Zusammenhang mit dem Kolonialismus war.

Da können wir Österreicher sagen: Da waren wir nicht so schlimm! – Ich weiß nicht, inwieweit das bekannt ist: Es gab auch einige wenige Kolonien Österreichs, beispielsweise die Nikobaren, eine kleine Inselgruppe in der Nähe von Mosambik. Maria Theresia hat mit der Triestiner Handelsgesellschaft versucht, dort Handel zu treiben, das ist aber nicht sehr lange gut gegangen. Natürlich hat es aber auch Handelsinteressen Österreichs gegeben.

Zur Sowjetunion und später Russland: Da gibt es natürlich hauptsächlich Machtinteressen, aber selbstverständlich auch Wirtschaftsinteressen. Damit sind wir natürlich bei China: China interessiert sich sehr für Afrika, ja, aber rein aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich wegen der Ausbeutung der Rohstoffe.

Wir – wir haben heute ja schon eine Europastunde gehabt – reden gerne über Europa und über unsere Werte. Wenn wir über unsere Werte reden, dann dürfen wir Afrika eben nicht als Objekt behandeln! Dort lebt erstens eine sehr junge Gesellschaft, und zweitens stellt sich die Frage: Wie können wir ein Verhältnis mit Afrika aufbauen? Wie ist die europäische Afrikastrategie? – Diese geht mir eigentlich bis jetzt ab, und das ist mir besonders beim Thema Tunesien aufgefallen.

Ja, es ist gesagt worden: Der Frühling dort ist gescheitert, aber es ist ja viel schlimmer, als dass nur der Frühling gescheitert ist. Wenn Sie sich Präsident Kais Saied anschauen, dann sehen Sie, dass das inzwischen einfach so etwas wie ein Diktator ist, und da kommt dann noch einiges dazu – auch das habe ich mir heute angesehen –: Er ist schon im Wahlkampf durch antisemitische Bemerkungen aufgefallen. Er hat gesagt, sein Land würde mit dem Zionismus im Krieg stehen. Ganz aktuell gibt es eine Wortmeldung von Rabbi Pinchas Goldschmidt, dem Präsidenten der Conference of European Rabbis, der nämlich Folgendes gesagt hat: Er hat Präsidenten Saied aufgefordert, endlich mit seinen bösartigen antisemitischen Bemerkungen aufzuhören.

Deswegen glaube ich, dass es so nicht gehen wird: dass wir sagen, wir unterstützen Tunesien, dabei Tunesien aber wieder wie ein Objekt behandeln, indem wir sagen: Da kommen Flüchtlinge! Da, ihr kriegt Geld, und dann bitte gebt Ruh!

Wir müssen gerade in Afrika zeigen, dass wir die Zusammenarbeit mit Präsidentinnen – solche gibt es eigentlich nicht –, mit Präsidenten, die sich als Diktatoren aufführen, in dieser Form nicht machen können, und müssen sagen: Wenn ihr gewisse Mindeststandards erfüllt, na dann wollen wir selbstverständlich mit euch zusammenarbeiten.

Und weil heute schon, Herr Bundesminister, über Sie geredet wurde – ich mag das ja nicht so gerne, ich rede lieber mit Menschen –: Wir haben heute natürlich auch über das Thema Ukraine gesprochen. Wir haben ja im Außenpolitischen Ausschuss eine heftige Debatte darüber gehabt, da sind aber dann alle Anträge vertagt worden, damit wir nur ja nicht darüber reden. Ich werde es aber jetzt trotzdem tun. Es gibt sogar einen kleinen Afrikakonnex, nämlich die Nairobikonferenz, die der bekannte und erfolgreiche österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch geleitet hat, bei der die Ottawakonvention – gegen Landminen und für den Schutz der Zivilbevölkerung – abgeschlossen wurde. Ich habe heute noch mit Wolfgang Petritsch gesprochen, und er hat gesagt, gerade aus seiner Erfahrung weiß er, dass Österreich und Norwegen im Bereich des Minensuchens, des Minenaufspürens und des Unschädlichmachens von Minen besonders erfolgreich sind.

Sie, Herr Bundesminister, haben ja selbst gesagt: Ja, wir tun das ohnehin im Bereich der OSZE!, also kann das bitte ja kein Thema sein, dass es mit der Neutralität zu tun hat, sondern ist eher das, was Kollege Patterer in der „Kleinen Zeitung“ geschrieben hat. Er sagt – ich habe dieses Wort bis jetzt nicht verwendet, vielleicht ist es ein steirisches Wort –, vor allem in der ÖVP gibt es nun eine „Schweißfurcht“ – das kommt offenbar von den Schweißhänden – vor der FPÖ, deswegen trauen sich die nichts mehr zu machen, deswegen sagen sie auch, wir sind neutral (Abg. Taschner: Also bitte!) und deswegen dürfen wir nicht helfen.

Nein, gerade weil wir neutral sind! – Ich zitiere Kollegen Patterer, bitte, das muss ja noch erlaubt sein in diesem Haus. (Abg. Taschner: Ja, aber das ist trotzdem falsch! – Abg. Michael Hammer: Damit muss man nicht einverstanden sein!) Er ist ja doch ein hervorragender österreichischer Journalist, und er sagt eben, bei der ÖVP gibt es die „Schweißfurcht“. – So, und das wird man ja noch sagen dürfen. (Abg. Taschner: Aber wenn es falsch ist, ist es falsch!)

Mir macht das halt auch Sorgen – und da bin ich jetzt wieder beim großen Bild –, wenn wir jetzt von einer österreichischen Sicherheitsstrategie reden – und das müssen wir natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das werden wir auch – und diese von einer „Schweißfurcht“ (Ruf bei der ÖVP: Was ist das?) getrieben ist und nicht davon, dass wir uns wirklich um uns kümmern, darum, wie wir unsere Sicherheit auf unserem Kontinent in Europa sichern. So werden wir da auch nicht weiterkommen.

Im Übrigen muss natürlich – und Sie haben das sicher im Haus – der aktuelle Amnesty-Bericht präsentiert werden, der aufzeigt, wie es in den Ländern weltweit so zugeht, und da sehen wir eben, dass Tunesien natürlich eines der Länder ist, die kritisiert werden.

Umgekehrt – und darüber gibt es auch interessante Bücher, die kann ich nur empfehlen –, wenn wir schon von Afrika reden: Auch eine wunderbare afrikanische Insel ist Mauritius, und dazu kann man nachlesen, was man machen kann, um Demokratie, aber auch Wohlstand in einem Land zu sichern. Die Antwort ist: Bildung. Sie können das nachlesen: Die haben in den Fünfzigerjahren mit Bildung begonnen, und zwar bei den Kleinen, den Volksschulen, und sie sind immer besser geworden und haben heute auch Universitäten. Während der Bildungsstandard gestiegen ist, ist die Geburtenrate natürlich deutlich zurückgegangen, auch die Beschäftigung von Frauen ist gestiegen, und die Demokratie ist heute dort, in einem afrikanischen Land, gesichert. Es geht!

Das sind die Länder, die wir unterstützen müssen, aber dafür brauchen wir eine gemeinsame europäische Afrikastrategie. Die haben wir leider bis jetzt nicht. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.13

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Martin Engelberg zu Wort. – Bitte.