9.50

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir scherzen hin und wieder bei uns im Klub oder fragen uns, Herr Minister, welcher Minister im Land eigentlich weniger mächtig ist, der Gesundheitsminister oder der Bildungsminister. (Abg. Disoski: Ich glaube, du meinst den Vizebürgermeister!)

Nach Ihrer Rede muss ich Ihnen zugestehen, dass Sie, obwohl Sie eigentlich kaum einen Spielraum haben – und Sie haben das ja auch angesprochen, ohne Bundesstaatsreform wird das auch nicht funktionieren (Abg. Lukas Hammer: Es kann ja nicht jeder so mächtig sein wie der Wiederkehr!) –, tatsächlich einen Einsatz zeigen, was ich vom Bildungsminister – der hat nämlich überhaupt keinen Anspruch, noch irgendetwas weiterzubringen – nicht behaupten kann, da würde ich eher von einer Nullnummer sprechen. (Abg. Lukas Hammer: Er ist so mächtig, dass er sich unsichtbar macht! – Abg. Kickl: Ja, ... die eigene Ambition ...!) Diesen Anspruch kann ich Ihnen also nicht verdenken, aber trotzdem ist es doch tatsächlich so, dass wir in Österreich ein Gesundheitssystem haben, das aufgrund der Strukturen, die bestehen, nahezu unreformierbar ist.

Es scheitert nicht am Geld. Wir haben uns das gerade auch wieder angeschaut. Wir haben gestern einen Standortindex präsentiert – Österreich wieder an die Spitze bringen ist unser Anspruch, der Untertitel heißt: die abgehängte Alpenrepublik mit vielen Hausaufgaben –, und ein Aspekt da drinnen betrifft auch den Gesundheitsbereich. Da schauen wir uns an: Wie viel wird denn in Österreich im Vergleich zu in der Größe, aber auch in der Frage des BIPs vergleichbaren anderen Ländern ausgegeben und was ist dann der Effekt davon? – Während wir in Österreich 2022 10,6 Prozent des BIPs für den Gesundheitsbereich ausgegeben haben, ist der Wert in anderen Ländern deutlich niedriger.

Vergleichen wir das zum Beispiel einmal mit Schweden: In Schweden gibt es eine gesunde Lebenserwartung (Abg. Kickl: Da schau her! Tatsächlich?!) – also nicht die Lebenserwartung, sondern die Lebenserwartung in Form von gesunden Jahren – von 72,7 Jahren, in Österreich nur von 58,7 Jahren. Das heißt, wie in vielen anderen Bereichen werfen wir recht viel Geld für ein ineffizientes System – man könnte auch sagen – zum Fenster hinaus und es verpufft. Es entfaltet nicht die Wirkungen, die letztlich bei den Menschen in Österreich ankommen sollten. (Beifall bei den NEOS.)

Ich sage Ihnen auch, das ist das, was wir zunehmend hören. Die Menschen in Österreich sagen uns: Herrgott noch einmal, ich zahle da doppelt und dreifach! Ich zahle enorm hohe Sozialversicherungsbeiträge – Krankenversicherung, die Lohnnebenkosten, das ist ein ordentlicher Teil vom Gehalt, der jeden Monat weggeht –; zusätzlich zahle ich auch enorm hohe Steuern – 48 Prozent durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung auf Löhne und Einkommen. Mit diesen Steuern wird dann sozusagen der Gesundheitsbereich, das Spitalswesen auch zum Teil finanziert. (Abg. Belakowitsch: ... die Betten ...!) Mittlerweile haben 38 Prozent der Menschen in Österreich eine private Zusatzkrankenversicherung. Das heißt, die breite Mitte sagt: Ich zahle zwar dafür, aber ich verlasse mich nicht mehr darauf! Ich vertraue diesem System nicht mehr, dass ich die Leistungen bekomme, die mir für das, was ich Monat für Monat für Monat für Monat alles abliefere, eigentlich zustehen! (Beifall bei den NEOS.)

Die Probleme sind längst bekannt. Es wurden viele bereits angesprochen. Ich möchte schon auch den Personalmangel herausstreichen, auch wenn wir im internationalen Vergleich eine hohe Zahl an Ärztinnen und Ärzten haben, weil ja auch da die Frage ist: Sind die Ärztinnen und Ärzte, ist das Pflegepersonal genau dort, kommt es dort zum Einsatz, wo es wirklich gebraucht wird? – Und, Herr Minister, Sie wissen das: Wenn Abteilungen gesperrt werden, wenn Pflegestationen nicht eröffnen können, wenn Wartezeiten auf Operationen, dringend notwendige Operationen, ewig lang sind, weil einfach nicht genügend Personal da ist, dann ist das ein riesengroßes Problem. Das kann sozusagen nicht mit der Statistik weggewischt werden, dass man sagt: Na ja, insgesamt hätten wir ja genug Ärzte!

Sie haben auch die unterschiedlichen Finanzierungsströme angesprochen. Ich sehe natürlich in den Finanzausgleichsverhandlungen eine große Chance, aber das werden wir nicht allein dadurch lösen, wenn wir nicht auch die großen Brocken einer Föderalismusreform in diesem Bereich angehen. Ohne Reformen wird sich die Situation für die Menschen nicht verbessern und es wird mehr Menschen geben, die private Zusatzkrankenversicherungen abschließen (Abg. Kickl: Das glaube ich nicht, weil es sich keiner mehr leisten kann!), und mehr Menschen geben, die sich da irgendwie nicht mehr zurechtfinden, und mehr Menschen geben, die sagen: Ich vertraue diesem Gesundheitssystem nicht mehr! (Beifall bei den NEOS.)

Herr Präsident, weil Sie hier sitzen, Sie wissen das ganz genau: Föderalismus bedeutet, jedes Bundesland baut Spitäler da, wo es will. Sie wissen das. In Ihrer Zeit als Finanzlandesrat haben Sie die Entscheidung getroffen, dass zwei Spitäler mehr oder weniger nebeneinander in Mödling und Baden gebaut werden, weil Sie es wollten, weil Sie es konnten, weil Sie vielleicht Mödling und Baden in der Pflicht waren. Das ist genau dieser Föderalismus, dieser Reformstillstand, dieser Klientelismus, der letztlich dafür Sorge trägt, dass die Menschen einfach nicht die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie aber so dringend brauchen.

Unsere Hand ist ausgestreckt, aber ohne den Anspruch, nicht nur an kleinen Schräubchen zu drehen, sondern große Reformen, auch eine Föderalismusreform in dem Bereich auf den Tisch zu legen, wird es leider deutlich schlechter werden. (Beifall bei den NEOS.)

9.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte.