10.46

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Vor etwa vier Wochen hat die Regierung ganz vollmundig ein Unterstützungspaket für armutsgefährdete Kin­der angekündigt. Viele Familien und viele Alleinerziehende haben daran große Erwartungen geknüpft. Im Juni wird daraus allerdings auch noch kein Geld fließen, denn wir ändern heute zum zweiten Mal innerhalb von drei Wo­chen dieses Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz, besser be­kannt unter 60-Euro-Paket.

Letzte Woche wurde es im Bundesrat bestätigt, um es heute hier wieder zu ändern und dann wieder an den Bundesrat zu schicken. Einen dafür zuständigen Ausschuss gibt es offensichtlich auch nicht mehr, denn es war einmal im Budgetausschuss, einmal im Sozialausschuss, letztes Mal im Familienausschuss. Wie so oft haben es die schwarz-grünen Regierungsparteien wieder einmal nicht geschafft, einen kompletten, umfassenden Antrag zu beschließen. Man hätte diesen auch in der letzten Plenarsitzung noch abändern können – haben Sie auch nicht gemacht. Die Menschen draußen können auf das Geld ja leicht warten. (Beifall bei der FPÖ.)

Darum gibt es heute diesen zweiten Teil dieses 60-Euro-Pakets, damit eben Al­leinverdiener, Alleinerziehende und Arbeitslose auch Anspruch haben.

Frau Minister, Sie berufen sich ja immer auf die Valorisierung der Familienleis­tungen. Ja, aber gleichzeitig haben diese Familienleistungen massiv an Wert verloren. Wenn Sie sich das ansehen, werden auch Sie das feststellen. Nehmen wir die Kinderbeihilfe her: Seit 2002 hat diese um die 30 Pro­zent an Wert verloren. Das heißt, man hätte sie um 46 Prozent erhöhen müssen, um wieder dieselbe Kaufkraft zu haben. Da wären wir auch bei diesen 60 Euro, aber regelmäßig und nachhaltig und ohne, dass man sich dafür bedan­ken müsste. (Beifall bei der FPÖ.)

Familien, in denen beide Elternteile arbeiten gehen, wir haben es heute schon gehört, nämlich immer schon beide arbeiten gehen müssen, um über die Runden zu kommen, weil Kinder im Haus sind, weil die Wohnung oder das Haus abbezahlt werden muss, fallen völlig raus, aber mit 2 000 Euro brutto, sehr geehrte Damen und Herren – das sind netto 1 560 Euro –, mit 1 560 Euro netto kann eine Familie mit zwei Kindern nicht mehr leben, das ist unmöglich. Die Rückzahlungen für das Eigenheim steigen, die Mieten steigen, die Energiekosten sinken nur in den Zeitungsberichten, aber nicht auf der Stromrechnung, die Lebensmittelpreise steigen. Ja, da sind 60 Euro beinahe nichts. Kaufen Sie 2 Kilo Knacker, Sie werden um die 36 Euro bezahlen!

Finanzielle Reserven wurden während Corona aufgebraucht (Abg. Deimek: ... wis­sen nicht einmal, wie viel 1 Liter Milch kostet!), und ist das Auto oder der Kühlschrank kaputt, dann ist das beinahe nicht mehr zu stemmen.

Immer mehr sind in Österreich mit Zahlungen im Verzug, weil sie sich das Leben nicht mehr leisten können. Das heißt, es bleiben weiterhin viele Leute in unserem Land, die arbeiten oder gearbeitet haben, die Steuern gezahlt haben, sich durchkämpfen, armutsgefährdet, auch sehr viele Senioren.

Es hat ohnehin sehr lange gebraucht, bis die Regierung reagiert hat, nachdem wir ja von Ihnen immer gebetsmühlenartig gehört haben, was Sie nicht schon alles getan hätten. Liebe Abgeordnete von Schwarz-Grün, Armut ist leise und Armut ist beinahe nicht sichtbar. Und diese Menschen müssen sich von Ihnen beinahe permanent sagen lassen, sie hätten ja schon mehr bekommen, als die Teuerung ausmacht. Insbesondere den Senioren haben Sie das hier vom Plenum aus schon sehr oft via Fernsehen ausgerichtet. Diese Menschen bekom­men noch mehr Schuldgefühle, weil sie arbeiten oder gearbeitet haben, es aber trotzdem nicht schaffen.

Die heute beschlossenen Maßnahmen gelten bis 2024. Fällt 2024 dieses Geld weg, wird bei vielen die finanzielle Situation wieder kritisch.

Die Regierung ist bei vielen Punkten säumig, die das Leben von Alleinerziehenden zum Beispiel viel einfacher machen würden. Wir warten auf die Evaluierung des Unterhaltsvorschußgesetzes seit Anbeginn dieser Regierungsperiode, die Anträge dazu werden immer vertagt. 59 000 Kinder von Alleinerziehenden bekamen 2020 gar keinen Geldunterhalt; 44 000 Kin­der hatten gar keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen, und gleichzeitig, sehr geehrte Damen und Herren, zahlen wir Hunderte Millionen Euro an Fami­lienleistungen ins Ausland.

Die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes wird auch immer angekündigt, bis dato ist keine Umsetzung in Sicht. Obwohl die Arbeiterkammer und auch die Volksanwaltschaft – also nicht nur die Opposition, die nicht so geliebt wird – sachlich begründete Kritik dahin gehend äußern, wurden auch hier wieder sehr viele Anträge vertagt oder abgelehnt; über manche diskutieren wir später noch.

Liebe Kollegen von Schwarz-Grün, Sie lassen die Eltern im Stich, die notwen­digen Änderungen, die sich auch im Geldbörsl auswirken würden, fehlen: dass Mütter nicht mehr ohne Unterhalt dastehen würden; dass Mütter nicht wo­chen-, monatelang, wir haben gehört, oft jahrelang auf das Kinderbetreu­ungsgeld warten müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen alle, Kinder haben gute Antennen. Sie spüren es genau, wenn Eltern, Mütter und Väter, Angst haben, es nicht mehr zu schaffen, wenn sich die Gas-, die Stromrechnung, die Gemein­derechnung, der Lebensmitteleinkauf nicht mehr ausgehen. Sehr oft dreht sich dann die Spirale: Geldprobleme, Alkoholprobleme, Gewalt in der Fami­lie. Da trauen sich Kinder wegen des Schulausflugs, der jetzt zu Schulschluss am Programm steht und das Budget stark belastet, nichts mehr zu sagen. Da sagen sie lieber, sie sind krank, bevor sie sagen, dass sich der Eintritt fürs Schwimmbad am vorletzten Schultag nicht mehr ausgeht.

Liebe Regierung, 60 Euro sind besser als nichts, aber für viele sind sie viel zu wenig! (Beifall bei der FPÖ.)

10.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrte Abgeordnete! Da das heute der letzte Tag der ehemaligen Klubobfrau Dr.in Pamela Rendi-Wagner hier im Hohen Haus ist und ich beim letzten Mal angekündigt habe – sie heu­te aber nicht auf der Rednerliste steht –, dass ich noch Worte des Dankes an sie persönlich richten möchte, möchte ich das noch vor dem Vorsitzwechsel tun.

Frau Klubobfrau außer Dienst, Sie haben sich als Ärztin, als Epidemiologin, als – in ganz besonderer Art und Weise – Tropenmedizinerin nicht nur habili­tiert und als Professorin gearbeitet, sondern haben Ihr Wissen, Ihr erworbenes Wissen in Ihrer weiteren beruflichen Karriere immer eingebracht – als Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit von 2011 bis 2017, als Gesund­heitsministerin und Sie haben es auch immer wieder als Klubobfrau einge­bracht und letzten Endes Ihre Expertise zur Verfügung gestellt.

Ich darf mich bei Ihnen für Ihre Arbeit als Klubobfrau, die Sie für den Parlamen­tarismus insgesamt geleistet haben, bedanken. Ihre Art zu kommunizieren war stets von großem gegenseitigem Respekt geprägt. In Ihrem wertschätzen­dem Umgang haben Sie es trotzdem geschafft, harte Formulierungen zu treffen und diese bestmöglich an die Abgeordneten zu adressieren.

Schlussendlich war die Kompromissbereitschaft, die Sie immer wieder gezeigt haben, das Maß, das der Parlamentarismus eigentlich braucht, um leben­dig zu sein, aber auch, um gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Dafür dürfen wir Ihnen herzlich danken.

Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Orientierung, Ihren weiteren beruflichen Lebensweg alles erdenklich Gute. Wir haben diese Zeit mit Ihnen – und es wird immer ein lachendes und ein weinendes Auge geben – auf der einen Seite sehr, sehr geschätzt, auf der anderen Seite vielleicht da und dort untergrif­fig agiert. Dafür darf ich mich auch einmal entschuldigen, wenn das so angekom­men ist: Es war nie persönlich gemeint.

In diesem Sinne soll ein positiver Eindruck aus dem österreichischen Nationalrat Sie auch in der Zukunft begleiten. Alles Gute für Ihre weitere Zukunft! (Lang anhaltender, stehend dargebrachter allgemeiner Beifall. Abg. Rendi-Wagner geht zum Präsidium und reicht Präsident Sobotka die Hand.)

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Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wimmer. – Bitte.