10.59

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lie­be Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie, zu Hause vor den Bildschir­men oder unterwegs! Es gibt Grundsätze, die in einer Gesellschaft außer Frage stehen sollten und um solch einen Grundsatz geht es in diesem Kinderar­mutspaket, das wir heute hier beschließen.

Kein Kind soll in Armut aufwachsen. In einem reichen Land wie Österreich muss es lauten: Kein Kind darf in Armut aufwachsen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Armut hinterlässt tiefe Spuren, materielle, aber auch psychische Spuren, seelische Spuren. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass kein Kind in diesem Land Angst haben muss, dass es sein Zuhause verliert. Es muss unser ge­meinsames Ziel sein, dass jedes Kind eine gesunde, warme Mahlzeit am Tag auf dem Teller hat  jeden Tag, auch am Monatsende. Jedes Kind hat das Recht, mit denselben Chancen wie alle ins Leben zu starten, auch mit den glei­chen Bildungschancen, auch wenn sich die Eltern selber keine Nachhilfe­stunden leisten können.

All diese Themen packen wir mit diesem Paket gegen Kinderarmut heute mit sehr, sehr treffsicheren Maßnahmen, die von den Expertinnen und Exper­ten einhellig begrüßt und unterstützt wurden, an. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es sind genau die Forderungen der Ökonominnen und Ökonomen, es sind auch die Forderungen der NGOs, die dieses Kinderar­mutspaket sehr stark begrüßt haben, die umgesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Bundesregierung setzt damit auf Punkt und Beistrich um, was wir im Mai angekündigt haben, nämlich 60 Euro zusätzlich pro Monat für jedes Kind, dessen Eltern Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder eine Ausgleichs­zulage beziehen. Genauso 60 Euro zusätzlich pro Monat und Kind bekom­men alle alleinerziehenden Eltern, das sind in allererster Linie Frauen mit einem Monatseinkommen bis 2 000 Euro. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir unterstützen damit 400 000 Kinder und ihre Familien Monat für Monat fix bis Ende 2024, und da muss ich sagen  Kollegin Holzleitner ist jetzt nicht im Saal , das ist eine langfristige Absicherung. Das sind eineinhalb Jahre (Abg. Herr: Und dann endet es, also nicht langfristig!), in denen sich die Familien garantiert darauf verlassen können, dass dieses Geld Monat für Monat direkt auf ihr Konto kommt. (Beifall bei den Grünen. Zwischenruf der Abg. Herr.)

Mir ist es deshalb wichtig, weil wichtig ist, dass alle betroffenen Menschen wissen, dass die versprochene Unterstützung kommt. Sie kommt direkt auf das Konto, sie muss nicht extra beantragt werden. Deswegen ist das auch keine Maßnahme, wie behauptet wird, bei der Menschen zu Bittsteller:innen gemacht werden, im Gegenteil: Das Geld kommt direkt aufs Konto, es wird direkt ausgezahlt, niemand muss einen Antrag stellen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Gerade in unsicheren Zeiten braucht es eine Sozialpolitik, die akut hilft und eine langfristige Perspektive schafft, und die schaffen wir bis Ende 2024. Womit niemandem geholfen ist – und das richtet sich jetzt an die Sozialdemokratie –, ist der Kampf Partei gegen Partei und das sture Beharren auf eigenen Vorschlä­gen. Wir Grüne lehnen überhaupt nie Vorschläge der Opposition aus Prinzip ab, wir schauen sie uns auch ganz genau an. (Abg. Shetty: Ja, genau!) Das haben wir auch bei den Punkten gemacht, die die Sozialdemokratie vorgeschlagen hat.

Es wird jetzt die ganze Zeit gesagt, 60 Euro wären zu wenig. Ich rechne vor, was das Momentum-Institut, das ja eine gewisse Nähe zur Sozialdemokratie hat, dazu sagt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Der Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel die ja angeblich die Lösung ist, die die Sozialdemokratie haben möchte (Abg. Loacker: Hat das die Germanistin ausgerechnet?) stehen wir grundsätzlich aus anderen Über­legungen, was die Inflationsdämpfung et cetera betrifft, auch positiv gegen­über, wenn denn gesichert ist, dass es weitergegeben wird und nicht schon wieder die Konzerne die ganze Kohle einstreifen. (Abg. Herr: Preiskommis­sion!) Diese Garantie muss man aber absichern, und das ist nicht so einfach.

Kommen wir aber zu den Zahlen: Was würde denn die Maßnahme, die die Sozialdemokratie vorschlägt, tatsächlich bringen? Das Momentum-Institut hat berechnet, ein Mieter:innenhaushalt in der unteren Einkommenshälfte hätte mit der Mehrwertsteuersenkung im Schnitt auf das Jahr gerechnet 130 Euro pro Kopf pro Jahr, für Kosten von mindestens 600 Millionen Euro. (Abg. Leicht­fried: Das mit Durchschnitt ist halt ein Problem!) Das sind sehr hohe Kos­ten für sehr wenig Wirkung. Unser Paket gegen Kinderarmut hat bei zwei Kin­dern diesen Betrag pro Monat pro Monat, nicht pro Jahr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) –, das sind 1 400 Euro pro Jahr.

Das gesamte Paket kostet rund 500 Millionen Euro, mindestens 100 Millionen Euro weniger als die Mehrwertsteuerstreichung, die vorgeschla­gen wird. Darüber hinaus unterstützen wir ja nicht nur die armutsbetrof­fenen Kinder, sondern auch alle Sozialhilfebezieher:innen ohne Kinder mit zu­sätzlichen 60 Euro pro Monat. Auch das ist in diesem Paket drinnen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Die Maßnahme, die die SPÖ vorschlägt, würde also den Familien in Summe wesentlich weniger bringen  abgesehen davon, dass wir nicht einmal garantieren können, dass es ankommt  als diese 60 Euro pro Kind pro Monat, die wir hier beschließen. (Abg. Herr: Kindergrundsicherung bringt deutlich mehr! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich finde es sehr, sehr schade, dass die SPÖ wieder angekündigt hat, heute gegen dieses Kinderarmutspaket zu stimmen. Das unterstreicht halt wieder einmal, dass man aus Prinzip irgendwo dagegen ist. Das eigentliche Interesse ist politisches Hickhack, aber nicht, die Menschen in Österreich zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist aber noch gar nicht alles, was in diesem Paket drinnen ist. Wir bauen auch das kostenlose Nachhilfeangebot aus  ein ganz wichtiger Punkt. Ganz grundsätzlich sind wir der Meinung, es sollte überhaupt niemand Nachhilfe brauchen müssen, weil die Schule so gut ist, dass sie alle Kinder gut mit­nimmt. Es ist aber die Realität, dass Nachhilfestunden gebraucht werden. Wir bauen das kostenlose Angebot aus und sorgen dafür, dass Familien, die diese besondere Unterstützung brauchen, 300 Euro – anstelle der bisherigen 120 Euro im Jahr für den Schulstart erhalten. Das wird in zwei ver­schiedenen Tranchen ausgezahlt und ist auch ein ganz wichtiger Schritt in der Bekämpfung von Kinderarmut. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Wir können garantieren, dass dieses Geld ankommt. Das Geld kommt direkt auf die Konten der Menschen, was bei einer Umsatzsteuersenkung, die natür­lich diskutiert werden kann, nicht garantiert werden kann. Da ist eben nicht si­chergestellt, dass die Unternehmen, dass die Lebensmittelkonzerne also mein Vertrauen haben sie nicht  die Preissenkungen überhaupt weiter­geben, und das würde potenziell viele Milliarden kosten.

Ja, wir Grüne nehmen unsere Verantwortung im Kampf gegen die Teuerung und gegen die Kinderarmut mit einem sehr, sehr umfangreichen Paket, das wie gesagt von allen Expert:innen als sehr, sehr treffsicher, richtig und sehr wichtig eingestuft wurde, sehr ernst. Auch der Budgetdienst hat eine entspre­chende Analyse veröffentlicht. Ich bitte die SPÖ, noch einmal darüber nachzu­denken, ob sie wirklich dagegenstimmen will, dass Kinder, die armutsbe­troffen sind, 60 Euro pro Monat zusätzlich erhalten sollen.

Wir in dieser Bundesregierung und auch in diesem Parlament arbeiten ge­meinsam an der bestmöglichen Unterstützung für armutsbetroffene Menschen. Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.07

Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin Susanne Raab hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.