12.06

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ja, die Härtefälle beim Kinderbetreuungsgeld stellen für die betroffenen Familien eine enorme finanzielle Belastung dar, und ja, diese Lücken gilt es zu schließen. Ich bin daher froh über den Antrag zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld, auch wenn wir dieses Thema bei den Verhandlungen zur Vereinbarkeitsrichtlinie schon auf dem Radar hatten.

Es darf nämlich nicht sein, dass sich die geltenden Regelungen negativ auf die Vereinbarkeit und die Aufteilung bei der Kinderbetreuung auswirken. In einer modernen Welt, in der Gleichberechtigung und Chancengleichheit unsere Ziele sein müssen, müssen wir uns eingestehen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, insbesondere, wenn es um die Verteilung der sogenannten Carearbeit, also der unbezahlten Arbeit wie Hausarbeit oder Kindererziehung, geht.

Es gibt aber auch abseits der Sorgearbeit noch eine Arbeit, die für vollkommen selbstverständlich gehalten wird, eine Arbeit, die niemand sieht. Wenn ich jetzt davon spreche, werden wahrscheinlich einige Mamas hier im Saal mit dem Kopf nicken, es geht um den sogenannten Mental Load, also darum, das Familienleben im Kopf managen zu müssen: Mama, wo ist die Jause? Mama, ist meine Jean schon gewaschen? Zahnarztkontrollen müssen ausgemacht, Geschenkideen überlegt werden. Was mache ich zum Abendessen, was muss ich alles für den Schulausflug packen? Es ist die unsichtbare Arbeit, dass Mamas immer alles im Kopf haben müssen, während sie nebenbei die tatsächliche Arbeit erledigen.

Das ist so, als hätte man einen Browser mit ganz vielen Tabs offen, dazu kommen ständig neue Tabs, und man kann sie nicht schließen. Es ist eine unendlich lange To-do-Liste, es ist eine Never-ending Story, die man permanent im Hinterkopf hat, die man mit sich herumschleppt und eigentlich nicht loswird.

Das Unfaire dabei ist: Das ist unsichtbare Arbeit, die alle für selbstverständlich halten und die niemand sieht, außer irgendetwas funktioniert einmal nicht. Es fällt immer erst dann auf, wenn irgendetwas nicht da ist, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Alles soll reibungslos ablaufen – und wenn dann irgendetwas nicht funktioniert, ist natürlich die Mama dafür verantwortlich. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Loacker: Eine wenig emanzipierte Rede ist das!)

Es geht da nicht nur um fehlende Wertschätzung, sondern auch darum, dass wir uns dieser unbezahlten Arbeit – und das ist eine Heidenarbeit! – überhaupt einmal bewusst werden. Es geht darum, dass diese Arbeit, die oft unbemerkt bleibt oder als nicht der Rede wert abgestempelt wird, sichtbar gemacht wird. Die ständige mentale Belastung und die Erwartungen, wie eine gute Mutter zu sein hat, können nämlich zu Ermüdung und Überforderung führen. Nicht selten tappt man dann auch noch in die Perfektionsmusfalle und kümmert sich um alle anderen, vergisst dabei aber auf sich selber. Es geht bei der fairen Aufteilung zwischen Mann und Frau auch um die Verantwortungsaufteilung dieser unsichtbaren Arbeit.

Mental Load ist nicht nur psychisch belastend, sondern hat auch Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben, denn diese zusätzliche Verantwortung und Belastung kann Karrierechancen einschränken und zu einer ungleichen beruflichen Weiterentwicklung führen. Genau deshalb ist es wichtig, Verantwortung fair zu verteilen, ohne Schuldzuweisungen, ohne Vorwürfe; einfach nur, weil es gerecht ist, einfach nur, weil Frauen die gleichen Chancen verdient haben, einfach nur, weil eine gerechte Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, und einfach nur, weil wir das Jahr 2023 haben und es schlichtweg an der Zeit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.10

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort. – Bitte.