Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung (3436/A(E))

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3436/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer. (Abg. Kucher hebt die Hand.)

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Leiner & kika Möbelhandels GmbH stellte am 12.6.2023 einen Insolvenzantrag. Die vorläufigen Passiva werden auf 132 Mio. € geschätzt und von der Insolvenz sind rund 3.300 Mitarbeiter:innen betroffen, 23 der 40 Filialen sollen in einem Sanierungsverfahren geschlossen werden.1 Von den 132 Mio. € Schulden sollen 40 Mio. € auf Lieferanten und 42 Mio. € auf Abgaben entfallen2, großteils Steuerstundungen3, für die Ansprüche der Dienstnehmer:innen wird der Insolvenzentgeltfonds ca. 60 Mio. € zahlen müssen.4 Den Gläubigern wird eine Quote von 20% geboten5 - sprich 80% der Forderungen sind verloren.

Hauptbetroffene sind also die 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens.

Für diese Menschen bedeutet das eine doppelte Katastrophe, denn ausgerechnet in einer Zeit, in der die Regierung nichts gegen die höchste Teuerung unternimmt, in einer Zeit, in der die Preise explodieren und sich die Menschen das Leben, obwohl sie mehr und härter arbeiten, kaum noch leisten können, verlieren diese ihren Job und damit ihr Einkommen. Und die Regierung tut nichts!

Dass es aber auch anders geht, zeigt die Vergangenheit: Der Kauf einer Immobilie auf der Wiener Mariahilfer Straße durch die Signa-Gruppe von René Benko konnte über die Weihnachtsfeiertage 2017 mit Unterstützung des damaligen ÖVP-Bundeskanzlers Kurz und des FPÖ-Justizministers Moser innerhalb weniger Tage abgewickelt und ins Grundbuch eingetragen werden.6

Mitte 2018 frohlockte die damalige türkisblaue Bundesregierung, „dass die drohende Insolvenz der Kika/Leiner-Gruppe im letzten Moment abgewendet werden konnte und eine österreichische Lösung zur Weiterführung des Betriebs gefunden wurde“, und weiter: „Dieses Ergebnis sichere den Erhalt von etwa 5.000 Arbeitsplätzen im Land.“7

Kurz darauf erfolgten dann im August 2018 die ersten Massenkündigungen, 1.100 Mitarbeiter:innen waren betroffen.8 Im Ibiza-Untersuchungsausschuss sagte René Benko dazu, dass die Sicherung von über 4.000 Arbeitsplätzen nicht anders möglich gewesen wäre, sein Einstieg bei Kika/Leiner wäre nicht als kurzfristiger Investor erfolgt, sondern mit einer Perspektive als langjähriger und verantwortungsvoller Eigentümer, eine nachhaltige Sanierung sichere auch langfristig Arbeitsplätze, das neue Management hätte den Turnaround geschafft9; der Geschäftsführer wollte die schwarze Null im Jahr 2021 erreichen.10

Kurz vor dem beantragten Insolvenzverfahren wechselte das operative Handelsgeschäft von Kika/Leiner Ende Mai 2023 für drei Euro den Besitzer. Verkäuferin ist ein Unternehmen der Signa-Gruppe von René Benko.11 Der neue Besitzer übernahm von Benko die Steuerschuld in Höhe von rund 40 Mio. € (Ergebnis von Steuerstundungen), eine laufende Betriebsprüfung und eine Prüfung der Covid-Hilfen, aus der sich eine Rückforderung von mehr als sechs Mio. € ergeben könnte.12 Das ist der Verlustteil des Möbelhauses.

Die Immobilien, mehr als 80 Grundstücke, wurden an die Supernova-Gruppe im Einflussbereich des Unternehmers Frank Albert um kolportierte 400-500 Mio. € verkauft.13 In Summe soll René Benko mit dem ursprünglich Ende 2017 begonnenen Immobiliendeal und dem Kauf des Unternehmens Mitte 2018 sowie den anschließenden teilweisen Verkäufen des Osteuropa-Geschäfts, einiger „nicht-strategischer“ Immobilien sowie des aktuellen Schlussverkaufs laut Medienberichten etwa 300 Mio. € verdient haben. Der Signa-Holding-Vorstand wird dazu zitiert, dass aus Signa-Gruppensicht die Übernahme von Kika/Leiner trotz schwierigen Marktumfeldes ein sehr gutes Investment war.14

Nach ca. fünf Jahren zeigt sich also das gesamte Ausmaß des Desasters: Ob die Restrukturierung erfolgreich umgesetzt werden kann, ist derzeit nicht absehbar. Tausende Arbeitsplätze sind seit 2017 verloren gegangen, diese Menschen haben ihre Jobs und ihr Einkommen verloren. Auf der anderen Seite: Mehrere hundert Millionen Euro Gewinn für die Benko-Gruppe aus dem Verkauf der Immobilien.

Es stellt sich also die Frage, wie viele Menschen müssen ihren Job verlieren, bevor die Bundesregierung tätig wird, um ihnen zu helfen? Die Möglichkeiten dazu hat sie, indem sie etwa im Wege einer Arbeitsstiftung oder vergleichbarer Instrumente dafür sorgt, dass nicht die Beschäftigten die Dummen sind. Genauso hat etwa der Finanzminister jederzeit die Möglichkeit, die Machenschaften von René Benko (der bereits mehrfach Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war und ist) durch vertiefte Steuerprüfungen in allen ihm zuzurechnenden Unternehmen – auch jene in Luxemburg im Wege der Amtshilfe – die durch die soziale Absicherung der Beschäftigten entstandenen Kosten wieder einzutreiben. Allein die durch mutmaßliche Bestechung von ÖVP-Regierungsmitgliedern „erreichte“ Steuerersparnis von René Benko aus einer einzige Betriebsprüfung betrug bereits vier Mio. €.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Rahmen seiner Koordinationskompetenz sicherzustellen, dass die Bundesregierung

1)         für die Mitarbeiter:innen von Kika/Leiner eine Jobgarantie ausspricht, sie schadlos hält und alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausschöpft, um ihnen die Annahme von neuen qualitativ gleich- oder höherwertigen Beschäftigungsverhältnissen zu ermöglichen;

2)         die dadurch entstandenen Kosten durch vertiefte Steuerprüfungen, Rückforderung von Steuerrückständen sowie Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber allen René Benko zuzurechnenden Unternehmen wieder eintreibt;

3)         jedenfalls dafür sorgt, dass allfällige Schlupflöcher im Insolvenzrecht geschlossen werden, die zu einer Bereicherung von Einzelnen auf Kosten der Allgemeinheit führen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln.

1 KSV, „Leiner/Kika Insolvenz: Sanierungsverfahren eröffnet“, https://www.ksv.at/presse/bevorstehende-insolvenzfaelle/leiner/kika-insolvenz-antrag-gestellt, abgerufen am 13.6.2023

2 Kurier, „Was im Insolvenzantrag von Kika/Leiner im Detail steht“, https://kurier.at/wirtschaft/was-im-insolvenzantrag-von-kikaleiner-im-detail-steht/402483365, abgerufen am 13.6.2023

3 Standard, „Warum die Insolvenz den Staat schädigt“, 12.06.2023

4 Kurier, „60 Millionen vom Insolvenzfonds“, 13.6.2023

5 APA, „Kika/Leiner - Sanierungsverfahren in St. Pölten eröffnet“, 13.06.2023

6 Kurier, „Immobilien-Investor René Benko rettete mit einem Blitz-Kauf die Leiner-Gehälter“, 6.1.2018

7 OTS vom 15.06.2018, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180615_OTS0003/kurzstrache-oesterreichische-loesung-zur-weiterfuehrung-von-kikaleiner-sichert-5000-arbeitsplaetze

8 Eco, 23.8.2023, APA, „Chronologie - Kika/Leiner: Vielen Versprechen folgte harte Landung“, 6.6.2023

9 111/Kommuniqué des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US XXVII.GP), zur Sitzung vom 21.10.2020, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/KOMM/111/fnameorig_882354.html

10 APA, „Chronologie - Kika/Leiner: Vielen Versprechen folgte harte Landung“, 6.6.2023

11 Standard, „Der Drei-Euro-Verkauf von Kika/Leiner“, https://www.derstandard.at/story/3000000173999/der-drei-euro-verkauf-von-kikaleiner-signa-hat-sich-gut-abgesichert vom 31.5.2023, abgerufen am 13.06.2023

12 Standard, „Der Drei-Euro-Verkauf von Kika/Leiner“, https://www.derstandard.at/story/3000000173999/der-drei-euro-verkauf-von-kikaleiner-signa-hat-sich-gut-abgesichert vom 31.5.2023, abgerufen am 13.06.2023

13 Standard, „Benko verkauft Kika/Leiner-Immobilien um hunderte Millionen“ vom 31.5.2023, https://www.derstandard.at/story/3000000172624/benko-verkauft-kikaleiner-immobilien, abgerufen am 13.6.2023

14 Die Presse, „Wie viel hat René Benko beim Kika-Leiner-Deal verdient“ vom 1.6.2023, https://www.diepresse.com/6294506/wie-viel-hat-rene-benko-beim-kika-leiner-deal-verdient, abgerufen am 13.6.2023

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordnete Herr - - (Abg. Krainer: Nein! – Abg. Kucher: Herr Präsident!) – Zur Geschäftsbehandlung, bitte.

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