20.13

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Redebeitrag auf jene Punkte im Bericht konzentrieren, bei denen wir den Nationalrat gefordert sehen, weil die Probleme, die geschildert wur­den, nur durch gesetzliche Änderungen behoben werden können.

Ich beginne mit dem Heimopferrentengesetz, das Frau Abgeordnete Fischer schon angesprochen hat. Es wurde geschildert, dass es dabei um Men­schen geht, die in ihrer Kindheit oder Jugend in Heimen oder ähnlichen Ein­richtungen der Jugendhilfe schwer misshandelt wurden.

Im Moment melden sich sehr, sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner von Taubstummeninstituten – so hieß das damals –, in denen gehörlose Kin­der und Jugendliche untergebracht und auch unterrichtet wurden. Diese wurden in diesen Einrichtungen auch sehr misshandelt.

Eines dieser Taubstummeninstitute war in Speising. Dort waren Jugendliche und Kinder aus Wien und Niederösterreich, und das war eine Bundeseinrichtung. Ich sage das deswegen hier, denn zusätzlich zur Heimopferrente, die die Volks­anwaltschaft abwickelt und die als Geste der Republik für das Leid, das die Kinder und Jugendlichen erfahren haben, gedacht ist, gibt es noch die Mög­lichkeit, beim Betreiber der Einrichtung eine Entschädigung geltend zu machen.

Sie kennen zum Beispiel die Klasnic-Kommission der katholischen Kirche, aber auch die Bundesländer haben solche Anlaufstellen. Wenn diese der Be­treiber der Kinderheime oder anderer Einrichtungen waren, in denen derartige Misshandlungen stattgefunden haben, dann kann man zusätzlich zu die­ser Heimopferrente, die man bekommt, die ja nicht sehr hoch ist, beim Betreiber der Einrichtung eine pauschalierte Schadenersatzleistung geltend machen.

Alle Bundesländer machen das noch, bis auf Wien – dort hat man die Entschä­digungszahlungen eingestellt. Man hat das eine Zeit lang abgewickelt und dann gesagt: Jetzt nehmen wir keine derartigen Anträge mehr entgegen!, und auch der Bund hat die Entschädigungszahlungen eingestellt.

Das heißt, Menschen, die in Salzburg in einem Taubstummeninstitut waren, können zusätzlich zur Heimopferrente noch eine Entschädigung gel­tend machen; Menschen, die in Speising waren, können das nicht, weil der Bund die Entschädigungszahlungen eingestellt hat. Das gilt im Übrigen zum Bei­spiel auch für Menschen, die in ihrer Jugend in Kaiserebersdorf untergebracht waren. Auch diese können keine Entschädigung mehr geltend machen, weil der Bund die Entschädigungszahlungen eingestellt hat. – Ich bitte Sie, das zu überdenken.

Eine zweite Sache, eben auch im Zusammenhang mit diesen Entschädigungszah­lungen, ist uns aufgefallen: Schwere Misshandlungen führen dazu, dass sich die Entschädigungszahlungen dann in einer Höhe von 10 000, 15 000, wo­möglich 20 000 Euro bewegen. Wenn Sie zu dem Zeitpunkt, an dem Sie diese Entschädigungszahlung bekommen, Mindestsicherung beziehen, wird bei der nächsten routinemäßigen Überprüfung Ihres Kontostandes festge­stellt: Hoppala, da ist ja Geld am Konto!, und die Mindestsicherung wird einge­stellt, bis das Geld aufgebraucht ist.

Das heißt, die Menschen, die eine solche Entschädigungszahlung bekommen und Mindestsicherung beziehen, haben dann nichts von dieser Entschädigungs­zahlung. Ich halte auch das für unbefriedigend und würde Sie bitten, sich auch das anzusehen und eine gesetzliche Änderung in diesem Bereich an­zudenken. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Bereich der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung haben wir besondere Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds festgestellt. Da wurde heute in diesem Haus schon reagiert: Ich habe gehört, Sie haben heute schon einen Entschließungsantrag verabschiedet, der eine Härtefallrege­lung beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld vorsehen soll. Ich halte das für äußerst notwendig – wir hatten viele Fälle in diese Richtung – und hoffe, dass dieser Entschließungsantrag sehr bald zu einer gesetzli­chen Änderung führt.

Wo es auch riesige Probleme gibt, ist beim Bezug des Kinderbetreuungsgelds, wenn ein Elternteil im Ausland arbeitet. Da wartet man oft ewig auf die Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds.

In einem Fall haben wir ein jetzt achtjähriges Kind, und die Eltern kämpfen noch immer ums Kinderbetreuungsgeld, weil zum Zeitpunkt der Geburt und da­nach ein Elternteil an der Uni in Wien gearbeitet hat, der andere Elternteil an der Uni in Utrecht, und die österreichischen Behörden verlangt haben, dass man das Kinderbetreuungsgeld in den Niederlanden beantragt. Die niederländi­schen Behörden haben mehrfach ausgedrückt, dass es in den Niederlanden keine derartige Leistung gibt und diese auch nicht zusteht, und trotzdem haben die österreichischen Behörden gesagt: Nein, da muss man in den Nieder­landen berufen, nachfragen, noch einmal versuchen, das zu bekommen!, und ha­ben die Leistung nicht ausgezahlt.

Die Familie hat inzwischen österreichische Gerichte angerufen, hat in erster Instanz gewonnen, hat in zweiter Instanz gewonnen. Die Krankenkasse, aufgefordert durchs Familienministerium, ist jedes Mal in Berufung gegangen. Die Eltern laufen dem Kinderbetreuungsgeld noch immer nach.

Und das ist kein Einzelfall! Das Familienministerium hat eine Weisung an die Krankenkassen, die das Kinderbetreuungsgeld zu vollziehen haben, herausgegeben. Am Deckblatt dieser Weisung steht: „Alle Rechte vorbehal­ten. [...] Jede Verwertung [...] ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig.“ – Das ist also eine Weisung, die offensichtlich geheim bleiben soll – schon das ist einmal seltsam, denn die Bürgerin­nen und Bürger sollen ja wissen, wie ein Gesetz vollzogen wird.

Im Inhalt dieser Weisung steht unter anderem: „Es haben keinerlei behördliche Kontaktaufnahmen bei Problemen der Eltern mit den ausländischen Behör­den zu erfolgen. Die KVT“ – die Krankenversicherungsträger, an die sich diese Weisung richtet und die mit der Vollziehung beauftragt sind – „sind nicht die Vertreter der Eltern! Dementsprechende Aufforderungen durch die Eltern oder Dritte (auch, wenn es sich dabei um den Volksanwalt oder Interes­sensvertretungen handelt) sind daher kategorisch abzulehnen.“

Das ist eine Weisung, die die vollziehenden Behörden dazu auffordert, genau nicht bürger:innenfreundlich – und im Übrigen auch europarechtswidrig – zu agieren. Ich würde Sie bitten, da einmal draufzuschauen und das möglichst rasch abzustellen, damit die Menschen dann zum Kinderbetreuungsgeld kommen, wenn sie es am dringendsten brauchen, nämlich dann, wenn die Kinder klein sind. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und NEOS.)

Beim Mutter-Kind-Pass, zu dem heute eine Gesetzesänderung vorgelegt wurde, wird durch diese Änderung ein Problem behoben, nämlich das Problem, dass – banal ausgedrückt – Eltern die Untersuchungen durchführen lassen, den Nachweis aber nicht rechtzeitig erbringen und dafür dann sehr hohe Stra­fen zahlen. Das wird dadurch behoben, dass das Ganze in Zukunft elektronisch abgewickelt wird, was wir sehr begrüßen. Es dauert aber noch zwei, drei Jahre, bis das elektronisch abgewickelt wird, und in der Zwischenzeit besteht das Problem weiter: Wenn jemand vergisst, den Nachweis zu schicken, kostet ihn das mindestens 1 300 Euro.

Ich halte das für maßlos überzogen. Ja, es soll sanktioniert werden, wenn die Untersuchungen nicht durchgeführt werden, aber dann, wenn die Unter­suchungen durchgeführt werden – unter Umständen und meistens sogar durch Kassenärzte –, die Krankenkassen die Daten haben und nur der Nachweis fehlt, 1 300 Euro von jungen Eltern einzubehalten, halte ich für überzogen, und man sollte auch in der Übergangsphase darauf schauen, dass das nicht pas­siert. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Rauch und Fischer.)

Letzter Punkt: der heute mehrfach angesprochene Punkt der Pflege. Es wurde auch schon ein Fall in Salzburg angesprochen, bei dem wir ganz beson­ders gravierende Missstände festgestellt haben. Das größte Problem bei dieser Missstandsfeststellung in Salzburg, wo wir dehydrierte, unterernährte, nicht wundversorgte Patientinnen und Patienten vorgefunden haben, ist, dass die Aufsicht des Landes mehrmals in dieser Einrichtung war und keinen Grund einzuschreiten gesehen hat, weil angemessene Pflege in Österreich nicht ausdrücklich und genügend definiert ist. Man hat gesagt: Na ja, wir ha­ben eh angemessene Pflege mit dem Betreiber der Einrichtung vereinbart, der ist zuständig, das zu gewährleisten, und wir sind irgendwie nicht zuständig, da einzuschreiten, wenn das nicht gewährleistet ist, sondern das ist die Verantwor­tung des privaten Betreibers.

Das halte ich für extrem problematisch. In solchen Fällen muss natürlich die Auf­sicht einschreiten, und dazu braucht es eine entsprechende Grundlage, da­zu braucht es eine Legaldefinition, was unter angemessener Pflege zu verstehen ist, und auch eine Vorgabe, was zu tun ist, wenn diese nicht gewährleistet ist.

Jetzt weiß ich schon, dass man darüber diskutieren kann, ob das Aufga­be des Bundesgesetzgebers ist oder ob das die Länder in ihren Pflegegesetzen machen müssen. Wenn es die Länder machen müssen, dann sollte der Bund zumindest so weit koordinierend eingreifen, dass alle dieselben Regelun­gen haben, denn es regt die Menschen auch extrem auf, wenn Regelun­gen in verschiedenen Bundesländern gleiche Sachverhalte betreffen, aber dann doch sehr unterschiedlich sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Lausch, Rauch, Fischer und Tomaselli.)

20.23

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Nun gelangt Herr Volksanwalt Rosenkranz zu Wort. – Bitte sehr.