10.22

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister, ich möchte Ihnen vorab wirklich zu Ihrer Rede gratulieren – Chapeau! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Wenn man Ihnen so zuhört, würde man ja glauben, Milch und Honig fließen in diesem Land, Milch und Honig, so großartig ist alles. – Ich glaube, Sie kommen nicht wahnsinnig viel hinaus, gell? Also ich weiß nicht, wo Sie unterwegs sind; ich arbeite seit 20 Jahren international und kann Ihnen sagen, die Realität ist tatsächlich eine andere.

Vielleicht aus meiner persönlichen Betrachtung: Ich bin jetzt seit fünf Jahren Budgetsprecherin meiner Fraktion und mehr und mehr komme ich zu dem Schluss, dass ich meine Steuern am liebsten monatlich auf ein Treuhandkonto überweisen würde, damit es dann jemand ausgeben kann, der wirklich etwas davon versteht und der vor allem auch verantwortungsvoll mit unserem Geld umgeht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Ragger: Ich melde mich freiwillig als Anwalt!)

Da komme ich dann wieder zu Frau Tomaselli: Wir können uns hier in diesem Hohen Haus schon über Themen wie eine Vermögensteuer unterhalten, das ist alles gut und richtig, aber Sie schießen doch hier nur Nebelgranaten. Was Sie wollen, ist, von den wirklich wichtigen Themen abzulenken – abzulenken davon, dass Sie es einfach nicht auf den Boden kriegen. Das ist das Problem. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben es heute schon besprochen: Was kriegen Sie denn nicht auf den Boden? – In Ihrem eigenen Regierungsprogramm haben Sie gesagt: Abgabenquote auf 40 Prozent senken! Das ist das, was Sie gesagt haben. Und jetzt freuen Sie sich, wenn sie um 0,2 Prozent sinkt, und sagen: Super, wir sind auf einem tollen Weg! – Ich meine, in Schweden – und dort sind jetzt auch keine neoliberalen Zustände, wenn ich das einmal so sagen darf – haben sie es geschafft, in den letzten paar Jahren von 49 auf 42 Prozent zu gehen, und wir freuen uns über 0,2 Prozent – also Sie, ich definitiv nicht, um ganz ehrlich zu sein.

Ich glaube wirklich, Sie kommen tatsächlich nicht so viel hinaus. Ich glaube wirk­lich, Sie sitzen hier in Österreich und schauen auf Österreich und sehen nicht, was in der Welt da draußen passiert; und das ist wirklich dramatisch. Es ist dramatisch: Wir sacken ab. Wir sacken in allen internationalen Vergleichen ab. Ich kann es Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung sagen – noch einmal: ich arbeite seit 20 Jahren international –: Ich hatte einen Manager – hochrangigen Manager, internationaler IT-Konzern –, der wäre wahnsinnig gerne nach Österreich gezogen, dem hätte das total gut gefallen. Er hat gesagt: Super Land, schön, sicher! Er wäre gerne nach Wien gezogen, aber dann hat er sich die Abgaben- und Steuerquote in Österreich angeschaut und gesagt: Ich bin ja nicht deppert! – Das waren seine Worte. (Beifall bei den NEOS.) Das machen Sie mit diesem Land.

Reden wir vielleicht ein bisschen über die Topminds, wie man so schön sagt, über die großartigen Köpfe, die wir in diesem Land brauchen werden, um dieses Land nach vorne zu bringen: Wo gehen denn diese hin? Kommen diese Toptalente nach Österreich? – Nein, genauso wenig wie mein Ex-Manager. Die kommen nicht nach Österreich, die gehen irgendwo hin. Die gehen lieber nach Lettland, weil sie dort weniger Steuern zahlen; und ehrlich gesagt ist es dort auch ganz schön. Ganz im Ernst: Das ist das Problem, das Sie völlig vom Tisch wischen: dass wir in den internationalen Vergleichen überall vollkommen absacken.

Das Dilemma geht ja noch weiter. Schauen wir uns die österreichischen Toptalents an! Wollen die in Österreich bleiben? Sagen die: Wow, Österreich ist so super, ich bleibe hier!? – Nein, auch die gehen weg. Die gehen nach Amerika, die gehen nach Asien und sagen: Hey, dort ist was los, dort passiert etwas! Dort gibt es nämlich eine Aufbruchsstimmung (Abg. Obernosterer: Super! Amerika ist super!), dort passiert etwas, dort gibt es einen Standort, der wettbewerbs­verträg­lich ist, dort gibt es eine Abgaben- und Steuerquote, die es den jungen Menschen tatsächlich ermöglicht, sich Wohlstand aufzubauen. (Beifall bei den NEOS.)

In Österreich ist es nicht mehr so. Das ist das Problem, und davor verschließen Sie hier einfach die Augen und behaupten, es sei eh alles super. Das ist doch nicht zum Aushalten, meine Damen und Herren, es ist nicht mehr zum Aushal­ten! (Beifall bei den NEOS.)

Reden wir über den Mittelstand! Reden wir doch ein bisschen über den Mittelstand: Der Mittelstand ist die Melkkuh der Nation. Eine Durchschnitts­verdienerin, ein Durchschnittsverdiener in Österreich verdient etwa 31 000 Euro, und das Einkommen ist mit über 40 Prozent belastet. Das ist so hoch wie in keinem anderen Land auf dieser Welt. (Abg. Obernosterer: Geht’s uns so schlecht in Österreich?) Nennen Sie mir ein anderes Land, wo das passiert! Das ist ein Jahreseinkommen von 31 000 Euro, und Sie besteuern das mit 40 Prozent. Das ist super? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Obernosterer: Ja dann streichen Sie sie runter, die Sozialleistungen!)

Ich meine ganz im Ernst: Das ist die Melkkuh der Nation, und dann sagen Sie, die normalen Leute sollen Sie wählen. Die normalen Leute haben genau dieses Problem und das gehen Sie überhaupt nicht an, Sie ignorieren es schlicht und einfach. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist wirklich dramatisch. (Abg. Obernosterer: Was Sie sagen: ja!)

Das Steuersystem gehört reformiert, nicht nur das Steuersystem: Die gesamten Reformen, die Sie mit Ihrer Zustimmung hätten angehen können, als Sie zu arbeiten angefangen haben, haben Sie weggeschoben. Wir haben keine Föderalismusreform, wir haben keine Pensionsreform, wir haben keine Gesund­heitsreform, es kostet alles wahnsinnig viel Geld. (Abg. Meinl-Reisinger: Keine Bildungsreform!) – Wir haben keine Bildungsreform. Alles kostet sehr, sehr viel Geld, aber der Outcome ist einfach unterdurchschnittlich. Das ist das Problem in diesem Land.

Ich möchte Sie wirklich darum bitten und noch einmal darauf hinweisen: Gehen Sie hinaus aus Ihrer Pippi-Langstrumpf-Weltanschauung und machen Sie Politik für die Menschen in diesem Land! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.