Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Einen schönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich möchte beim vorhin angesprochenen Thema fortsetzen, nämlich beim Ärztemangel, den wir im Moment in Österreich haben und den die Bevölkerung oft sehr – im wahrsten Sinne des Wortes – schmerzhaft spürt, weil man sehr lange auf dringende Arzttermine warten muss. Da muss man natürlich an mehreren Stellen den Hebel ansetzen. Sie haben bereits die Attraktivierung des Berufsfeldes angesprochen, aber es geht auch darum, mehr Mediziner auszu­bilden, die dann in den Beruf gehen können.

Da haben wir die Situation, dass wir nur 75 Prozent der vorhandenen Aus­bildungsplätze an den Medizinuniversitäten für österreichische Studierende zur Verfügung stellen können und die restlichen 25 Prozent für Nicht­öster­reicher:in­nen reserviert sind. Davon sind ein Großteil Numerus-clausus-Flüchtlinge aus Deutschland, die in Deutschland keinen Studienplatz finden und sich dann eben bei uns bewerben können.

Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat ein sehr interessantes Gutachten vorgelegt, das besagt, dass wir da den Hebel ansetzen können, weil wir nämlich die Bedingungen aus dem Herkunftsland anwenden können. Sehen Sie die Möglichkeit, dass dieses Gutachten für Sie in Ihrer Arbeit zur Lösung des Medizi­nermangels hilfreich sein wird?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 279/M, hat folgenden Wortlaut:

„Ist das von Landeshauptfrau Mikl-Leitner vorgelegte Gutachten zu numerus clausus Flüchtlingen aus Deutschland für Sie hilfreich zur Lösung des Mediziner:innenmangels auf universitärer Ebene?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das von Ihnen angesprochene Gutachten hat durchaus sehr interessante Aspekte, und wir werden diese sorgfältig prüfen. Zwischenzeitig ist ja auch medial Kritik an diesem Gutachten laut geworden. Vonseiten des Ministeriums haben wir eine eigene Arbeitsgruppe mit Expertin­nen und Experten für Europarecht, für Verfassungsrecht eingesetzt, um zu überprüfen, wieweit wir auf Basis dieses Gutachtens und auf Basis dieser Rechts­meinung erneut an die Kommission herantreten können.

Es ist ja so, dass die Kommission die ursprüngliche Regelung in Österreich aufgehoben hat beziehungsweise haben wir ein Vertragsverletzungsverfahren gehabt, und nach intensiven Verhandlungen mit der Europäischen Kommission war der Kompromiss die nun vorliegende Regelung. Sollte sich die Situation gewandelt haben, was dieses Gutachten ja meint, und sollten Chancen vorhan­den sein, dass wir da eine Neuregelung erreichen, werden wir natürlich in entsprechende Verhandlungen mit der Europäischen Kommission treten. Wir prüfen das im Moment sehr intensiv.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Ich muss das Mikro immer erst freischalten, darum brauche ich ein bisserl. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Die vorhin von mir angesprochene Quote beruht ja darauf, dass wir die medizinische Versorgung der öster­reichi­schen Bevölkerung sicherstellen können müssen, und das Gutachten basiert wie von Ihnen angesprochen ja offenbar darauf, dass sich die Versor­gungs­lage eben verschlechtert hat. Prüfen ist gut. Der Gutachter ist ein in Ihrem Haus sehr geachteter Europarechtler.

Es gibt noch einen zweiten Punkt, nämlich dass man die Medizinabsolventen auch zu Tätigkeiten im österreichischen Gesundheitssystem verpflichten könnte. Wie ist dazu Ihre Einschätzung, was sind Ihre nächsten Schritte und in welchem Zeitraum?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir prüfen natürlich auch diese Fragestellung – inwieweit es möglich sein kann, Personen, die in Österreich etwa Medizin studieren, dazu zu verpflichten, auch eine Zeit lang in Österreich zu arbeiten. Das wirft sehr komplexe verfassungs­rechtliche Fragen auf, aber wir nehmen das natürlich sehr ernst und setzen uns intensiv damit auseinander.

Wie viel Erfolg wir mit dieser Argumentation bei der Kommission haben werden, kann ich jetzt nicht einschätzen. Ich bitte um Verständnis, dass wir zuerst einmal die verschiedenen rechtlichen Aspekte prüfen und dann bei der Kommission entsprechend vorfühlen werden, ich aber zum jetzigen Zeitpunkt hier noch nicht darüber sprechen möchte, wie die Verhandlungen fortlaufen könnten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Graf. – Bitte sehr.