09.30.14

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Einen schönen guten Morgen, lieber Herr Bundesminister! Sie haben vor einigen Wochen ein Konzept für ein ganz neues Berufsbild vorgestellt: das Berufsbild der Assistenz- und Freizeitpäda­gogik. Das ist an sich eine sehr weitreichende, tiefgreifende Reform, die viele der Baustellen angehen würde, die wir in unserem Schulwesen haben – zum Beispiel den Fleckerlteppich an Zuständigkeiten zwischen Vormittag und Nachmittag, zwischen Unterricht und Betreuung. Welche konkreten Auswirkungen wird dieser neue Beruf auf den Schulbetrieb haben?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 292/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Auswirkungen wird das von Ihnen vor einigen Wochen präsentierte neue Berufsbild, die ,Assistenz- und Freizeitpädagogik‘, auf den Schulbetrieb haben?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek|: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Dieses neue Berufsbild der Assistenz- und Freizeitpädagogik bedeutet, dass wir in der Lage sind, ergänzend zu den Lehre­rin­nen und Lehrern weitere Personen mit pädagogischer Qualifikation in den normalen Schulbetrieb zu bringen. Derzeit ist es so, dass – abgesehen vom administrativen und psychosozialen Unterstützungspersonal – die Lehrerinnen und Lehrer allein die gesamte Unterrichts- und Bildungsarbeit in den Schulen leisten. Die Nachmittagsbetreuung wird völlig anders administriert. Es gibt kein institutionalisiertes Scharnier, die Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen haben völlig andere Dienstverhältnisse.

Wir schaffen nun ein neues Berufsbild, das uns ermöglicht, auch in den Schulbe­trieb unterstützendes Personal zu bringen. Österreich ist diesbezüglich unter den Schlusslichtern in Europa. Es wurde von verschiedenen Seiten – von der OECD und anderer Seite – darauf hingewiesen, dass wir mehr pädagogisches Personal, ergänzend zu den Lehrerinnen und Lehrern, für die Schulen brauchen, und gerade mit diesem Berufsbild schaffen wir das.

Es ist völlig klar, dass wir größtes Interesse daran haben, auch die Personen, die jetzt in der Freizeitpädagogik tätig sind, mit ihren bisher erworbenen Rechten und natürlich unter den bisherigen Arbeitsbedingungen in das neue System zu überführen. Es geht darum, ein Mehr zu schaffen: mehr Personen in den Schulbereich zu bringen und damit sicherzustellen, dass die Kinder nicht nur einen entsprechend qualifizierten Unterricht durch die Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch entsprechende Unterstützung durch weiteres Personal bekommen.

Das wird die gesamte Organisation vereinfachen, und wir werden dadurch die Möglichkeit haben, eine wirklich ganztägige Schule zu organisieren, weil das gesamte Personal organisationsrechtlich in einer Hand ist und weil wir dadurch für Personen mit anderen Qualifikationen als jenen, die bisher im Schulbereich zugelassen waren, neue Berufsfelder eröffnen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Sie haben einen Teil meiner Zusatz­frage bereits vorweggenommen. Bei den Freizeitpädagog:innen und bei deren gewerkschaftlicher Vertretung ist das offenbar noch nicht so ganz angekommen. Die Gewerkschaft hatte ja vor einigen Wochen zum Streik aufgerufen, weil sie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und sogar Entlassungen fürchtete. Sie sagen also, wenn ich Sie richtig verstehe, dass diese Befürchtun­gen nicht gerechtfertigt sind, oder?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Selbstverständlich nicht. Wir sind ja erst am Anfang der Überlegun­gen, wie ein solches Konzept aussehen könnte. Da ja die Länder, wenn dieses Konzept durchgeführt wird, die Verantwortung für die Abwicklung tragen, war und ist klar, dass man zuerst einmal mit den Ländern in entsprechende Vorgespräche treten muss, ob sie auch bereit sind, dieses Konzept mit dem Bund gemeinsam zu tragen. Der nächste Schritt ist der, dass man sich an die Detailarbeit macht und dann natürlich auch die Interessenvertretungen entsprechend einbindet. Wir waren erst am Anfang dieses Prozesses.

Wir haben jetzt selbstverständlich auch die Gespräche mit den Interessenver­tretungen der jeweiligen Berufsgruppen aufgenommen, weil eines völlig klar ist: Wir sind froh und dankbar für all die engagierten Menschen, die im Bildungs­bereich – vor allem in den Schulen – tätig sind. Wir haben nicht das geringste Interesse daran, engagierte und qualifizierte Menschen zu verlieren. Deshalb ist für uns ganz, ganz klar, dass diese Personen unter den entsprechenden Rahmenbedingungen weiterarbeiten können. Im Gegenteil: Dadurch dass sie in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis kommen, ist die Rechtssicherheit für diese Personen sogar deutlich höher, als sie jetzt ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte.

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Herr Minister, ich möchte mit dem Positiven beginnen: Sie haben ja letztendlich die Gespräche mit der Gewerkschaft – nämlich der zuständigen Gewerkschaft, der GPA – und, soweit ich es den Medien entnehmen konnte, auch mit der Sozialwirtschaft, als Arbeitgeberbereich, endlich aufgenommen. Ich glaube, dass das zu spät war – aber sei’s drum, besser zu spät als nie. Ich glaube, das ist der gute Effekt.

Was mich interessieren würde: Eine der Überlegungen ist ja, den Zugang über die Matura mit einer – im Vergleich zum Beispiel zum Wiener Modell – sehr verkürzten Ausbildung zu ermöglichen. Wie kommt man zu den Berechnungen, dass man glaubt, dass man, wenn man die Gruppe der potenziell in der Freizeit­pädagogik Tätigen verkleinert – nämlich nur mehr jene mit Matura nimmt –, mehr Menschen für diesen Bereich gewinnen kann? Welche Berech­nungen und welche Überlegungen stecken da dahinter?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir prüfen gerade, zu welchen Zeitpunkten in der Schule Personen mit welchen Qualifikationen mit jungen Menschen arbeiten. Wenn es darum geht, dass das pädagogische Assistenzpersonal verschiedenste Aufgaben etwa im Bereich des Übens mit Kindern wahrnimmt und verschiedene unter­stützende Tätigkeiten für Lehrerinnen und Lehrer wahrnimmt, dann wird es für manche dieser Bereiche wahrscheinlich ratsam sein, auch über entsprechende Qualifikationen und über entsprechendes Vorwissen zu verfügen.

Wir sind aber da durchaus noch offen, zu überprüfen, wie groß der Anteil der in Ergänzung zu erbringenden Qualifikationen ist. Jetzt ist das System ja so, dass man zwar keine Matura braucht, dafür aber einen höheren Anteil an entsprechen­den Zusatzqualifikationen erwerben muss. Wenn man die Matura hat, muss man weniger Zusatzqualifikationen erwerben. Wir sind gerade dabei, zu überprüfen, wie weit da Flexibilität besteht.

Ich darf wiederholen: Wir sind ja am Anfang eines Prozesses und nicht am Ende. Wir sind jetzt auf jeden Fall in sehr guten Gesprächen und werden auch die verschiedenen Varianten prüfen, um möglichst viele Personen ergänzend zu den Lehrerinnen und Lehrern in den Schulbereich zu bekommen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Totter. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Einen schönen guten Morgen, Herr Minister! Kollegin Hamann hat das neue Berufsbild erwähnt, die Assistenz- und Freizeitpädagogik. Diese soll – so wie auch die administrative Assistenz oder Unterstützung – die Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch die Schulleitungen entlasten. Gleichzeitig ist aus meiner Sicht natürlich darauf zu achten, dass es zu keiner zusätzlichen Bürokratie und keinen zusätzlichen Doku­mentationspflichten welcher Art auch immer kommt.

Geschätzter Herr Minister, was unternehmen Sie zur kurzfristigen, aber auch nachhaltigen Entlastung unserer Lehrerinnen und Lehrer und Schulleitungen, damit sie mehr Zeit für ihre wesentlichen pädagogischen Aufgaben haben?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek|: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das ist ganz klar: Es bedarf natürlich entsprechender Unterstützung, und dafür benötigen wir qualifiziertes Personal an den Schulen.

Wir haben bereits begonnen, vermehrt Unterstützung im administrativen Bereich und im psychosozialen Bereich zu leisten. Wir haben das bereits im vorigen Jahr im Finanzausgleichsgesetz verankert, um die Länder zu unterstüt­zen. Das psychosoziale Personal haben wir auf 240 Stellen verdoppelt. Im administrativen Bereich haben wir die Zahl der zur Verfügung stehenden Stellen mit über 700 fast verdoppelt. Das setzen wir bereits um.

Im pädagogischen Bereich haben wir eben massiven Nachholbedarf. Das gehen wir jetzt an, wie Sie anhand der bereits gegebenen Antworten ja sehen, aber es ist klar, dass es darüber hinaus auch Entlastung im administrativen Bereich braucht. Es hat bereits zwei administrative Entlastungspakete gegeben, die in enger Abstimmung mit der Personalvertretung erarbeitet worden sind, und wir sind in sehr intensiven Gesprächen für ein weiteres Entlastungspaket, um die Lehrerinnen und Lehrer wirklich, so weit es nur irgendwie geht, dafür freizuspielen, wofür sie in die Schulen gekommen sind: mit den jungen Men­schen gemeinsam in der Schule zu arbeiten, sie zu unterrichten und sie zu bilden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.