11.20

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Eine kurze Replik auf Kollegin Heinisch-Hosek: Die Aktion Leben berät völlig wertfrei und objektiv, um das einmal klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstötter: Das stimmt ja nicht! – Ruf bei der SPÖ: Na, das muss man auch tatsächlich berichtigen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einem wunderschönen Land mit einem sehr guten Gesundheitssystem, um das uns viele Länder beneiden. Wer das nicht glaubt, schaue einmal ins benachbarte Ausland – abgesehen von Deutschland und der Schweiz – oder frage jemanden, der schon einmal im Ausland ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Dann lernt man nämlich unser System zu schätzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir merken in den letzten Jahren aber eine gewisse Schieflage. Die Gesundheitsversorgung ist mancherorts nicht mehr so, wie wir das gewohnt waren. Nicht nur die Patientinnen und Patienten spüren das, auch die Mitarbeiter im Gesundheitssystem. Ich weiß – Sie können mir das nach 30 Jahren ärztlichen Alltages glauben – genau, wo der Schuh drückt, welche Lösungen es gäbe. Die Diagnose, der Befund, die Therapiemöglichkeiten – alles liegt am Tisch, wir müssen es nur endlich tun.

Es spielt vieles eine Rolle, wir wissen das alle. Es ist immer wieder wichtig, es aufzuzählen: Darunter sind viele Faktoren wie die demografische Entwicklung – Gott sei Dank werden wir alle älter –, eine mangelhafte Patientensteuerung in vielerlei Hinsicht, eine Finanzierung aus zwei Töpfen, die wir vorerst aber nicht wirklich ändern können. Wir haben Strukturen wie vor 50 Jahren, ein Kassensystem, das oft nicht mehr zeitgemäß ist, und die junge Generation hat einfach andere Wünsche und Bedürfnisse. Es ist ein Sammelsurium an Dingen, die hereinspielen, die aber auch eine zunehmende Ineffizienz des Systems begründen.

Die Jungärztinnen und -ärzte wollen im niedergelassenen Bereich arbeiten, aber sie wollen in Teams arbeiten. Das unterscheidet sie auch von der älteren Generation. Wir beschließen deswegen heute eine Novellierung des Primärver­sorgungsgesetzes, weil Primärversorgungseinheiten in Zukunft neben Einzelordinationen und auch Gruppenpraxen eine wesentliche Rolle bei der Versorgung spielen.

Es hat an der Umsetzung gehapert, das wissen wir auch, darum ist diese Novelle auch sinnvoll. Wir beschleunigen und verkürzen die Auswahlverfahren, wir beziehen Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein, es wird Kinder-PVEs und auch multiprofessionelle Gruppenpraxen geben. Das ist eine sinnvolle Sache, eine Weiterentwicklung der Versorgung, aber ich sage es auch ganz offen immer wieder: Wir müssen neue Spielregeln aufstellen, um unser Gesundheits­system weiterhin sinnvoll effizient zu halten. Bei der Gesundheitskompetenz ist bei vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger einfach Luft nach oben, und da appelliere ich an Eigenverantwortung und Hausverstand.

Viele informieren sich bei Doktor Google oder – wie bei Corona gesehen – lassen sich vom selbsternannten Obermedizinalrat Kickl und seinen teils lebensge­fährlichen Vorschlägen in die Irre führen. Mit absurden Selbstdiagnosen rennt man dann, ohne zu überlegen, in die Spitalsambulanz, die dafür nicht geeig­net ist. Kennen Sie die sozialmedizinische Faustregel? – Die gibt es und sie stimmt seit vielen Jahren: Von 1 000 Gesundheitsproblemen können 900 Fälle durch bloße Eigenverantwortung oder Hausverstand gelöst werden. Von den restlichen 100 brauchen 90 eine hausärztliche Versorgung und lediglich neun eine Fachrichtung. Das heißt, nur ein Fall von 1 000 ist stationär versorgungs­pflichtig.

Was heißt Eigenverantwortung? – Eigenverantwortung ist davon gekenn­zeichnet, dass sich Beschwerden durch eigenes Handeln lösen lassen oder sich nach kurzer Zeit wieder von allein verabschieden. Neun von zehn Beschwerden, also über 90 Prozent, lassen sich durch Eigenverantwortung lösen.

Ein Beispiel von vor drei Wochen aus einem Einkaufszentrum: Die schwangere Mitarbeiterin eines Bekleidungsgeschäftes hatte plötzlich Schwindel. Alle haben geschrien: Holt die Rettung! Spital, Infusion! – Nein: Hinsetzen, etwas trinken, nach ein paar Minuten war das erledigt. Das wäre Eigenverantwortung und nicht, dass man gleich nach Rettung und Spital ruft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Österreich einen niederschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem. Das ist gut so, aber wir müssen doch gewisse Pfade einhalten, damit die Spitalsambulanzen nicht völlig überfüllt sind, wie das derzeit oft der Fall ist. Ich sage immer wieder einen Spruch: Es geht einfach nicht mehr alles und nicht alles gleich und sofort!

Mit dieser Novelle ist ein wichtiger Schritt für eine Weiterentwicklung im Gesund­heitssystem getan. Es werden in den nächsten Monaten noch einige weitere folgen. Wir werden betreffend Arzneimittelsicherheit etwas tun, wir werden betreffend Ärzteausbildung etwas tun, wir werden auch betreffend Kassenstellen etwas tun und wir freuen uns auch, wenn der Herr Bundesminister dann im Rahmen des Großgeräteplans der Bundes-Zielsteuerungskommission im Herbst vieles beschließen wird. Ich denke da zum Beispiel an MR-Geräte für die oberösterreichischen Spitäler Grieskirchen, Kirchdorf und Freistadt. Das heißt, wir packen es im Sinne der Gesundheit gemeinsam an. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.25

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.