Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger‚ MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“ (3509/A)(E)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3509/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Das Schuljahr geht zu Ende, Schülerinnen und Schüler können durchatmen und stolz sein auf das Erreichte. Viele Lehrer:innen sind froh, das Schuljahr hinter sich zu lassen - nicht, weil sie von den Kindern und Jugendlichen genug haben, sondern weil ihnen die erdrückende Bürokratie im Schulsystem den Job vergällt.

In einer Umfrage von Peter Hajek Public Opinion Strategies unter 700 Lehrkräften haben neun von zehn Befragten angegeben, dass dringend etwas verändert gehört, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Ebenfalls 90% der Befragten Lehrer:innen sagen, dass sie im Arbeitsalltag Tätigkeiten ausüben, die viel Zeit in Anspruch nehmen und wenig Nutzen haben. Auf die Frage, welche Tätigkeiten das sind, geben 57% der Befragten "Administration und Bürokratie" an, weitere 19% nennen "Dokumentation und Protokolle", also ebenfalls bürokratische Tätigkeiten.

Diese Zeit fehlt für die Arbeit mit den Schüler:innen und für die Vorbereitung guten Unterrichts. 95% der Befragten stimmen der Aussage "LehrerInnen sind mit zu vielen Erlässen, Verordnungen und Regelungen aus Ministerium und Bildungsdirektionen konfrontiert und finden immer weniger Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben" ganz oder eher zu.

Das darf so nicht weitergehen, denn wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, arbeitet an unserer Zukunft. Jede an unsinnige Tätigkeiten verlorene Arbeitsstunde von Pädagog:innen ist Zukunftsraub. Während Schüler:innen und Lehrer:innen also in die wohlverdienten Ferien starten, erwarten wir von Bildungsminister Polaschek und Bundeskanzler Nehammer, dass sie "nachsitzen" und sich endlich um die Missstände im Bildungswesen kümmern. Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass Bürokratie Kindern die Flügel bricht, ein Viertel der Jugendlichen am Ende der Schulpflicht grobe Schwierigkeiten beim Lesen und Rechnen hat und der Lehrkräftemangel immer gra­vie­render wird, weil sich niemand mehr diesen Job antun will.

Nicht nur die genannte Umfrage weist auf das enorme Bürokratie-Problem im Schulsystem hin, auch die Vertretung der Lehrer:innen berichtet Ähnliches: Gewerk­schaftschef Paul Kimberger von der ÖVP-nahen Fraktion Christlicher Gewerkschafter klagt in einem Bericht im Portal schule.at vom 20.04.2023, dass Schulleitungen und Lehrpersonal in allen Bundesländern "in Verwaltung, Bürokratie und sinnbefreiten Abfragen versinken". Die Behörden wissen laut Kimberger teilweise überhaupt nicht, wie die Realität an den Schulen aussieht und wie hoch die Belastung der Schullei­tungen und Lehrer bereits ist.

Im selben Artikel berichtet schule.at, dass erst vor einem Jahr eine Gruppe von Bildungswissenschafter:innen, Schulleiter:innen und Personen aus der Bildungsadmi­nistration einen Appell an Bildungsminister Polaschek veröffentlicht hätten, die Schulen von Administration zu entlasten. Ein Gutteil der Arbeitszeit gehe für adminis­trative Aufgaben drauf, die auch Hilfskräfte erledigen könnten, so damals das Ergebnis einer Befragung von 40 Schulleiter:innen aus ganz Österreich. Für die Arbeit an der Verbesserung des Lehrens und Lernens an den Schulen bleibe dadurch "zu wenig und manchmal gar keine Zeit". Dazu komme, dass die Schulleitungen zu wenig Spielraum hätten, um wirklich zu gestalten. Für ausgeschriebene Schulleitungsposten gibt es daher kaum Bewerbungen und wir sind weit davon entfernt, nur die Geeig­netsten und Besten für diesen verantwortungsvollen Job auszuwählen.

Um das Bürokratie-Problem in Griff zu bekommen, braucht es Veränderungen auf drei Ebenen:

1.         Bürokratie vermeiden, indem Schulen voll autonom werden. Vertrauen und Eigenverantwortung ersetzen Kontroll- und Dokumentationszwänge.

2.         Bürokratie vereinfachen, indem sie gebündelt, digital und userfreundlich wird. Schluss mit tausend Listen und parallelen Verwaltungsprogrammen.

3.         Bürokratie delegieren, indem wir das Verwaltungspersonal aufstocken, damit Lehrer:innen sich ganz den Schüler:innen widmen können.

Volle Schulautonomie bedeutet, dass Schulen und Lehrer:innen nicht mehr jeden Schritt dokumentieren und rechtfertigen müssen. Die Bildungsdirektion wird als Behörde abgeschafft und als unterstützende, beratende Serviceeinrichtung neu gegründet.

Userfreundliche digitale Schulverwaltung heißt, dass Bund und Länder sich auf EIN Schulverwaltungsprogramm einigen. Dieses muss einfach, verlässlich und user­freund­lich alle Verwaltungsvorgänge abdecken, damit Lehrer:innen nicht mehr händisch Listen zu führen und Informationen einzutragen haben, die andernorts schon vorhan­den sind.

Verwaltungspersonal aufstocken ermöglicht, dass Lehr:innen lehren und Verwal­tungs­kräfte die administrativen Arbeiten übernehmen. Erste Schritte in diese Richtung wurden vom Bund, der Stadt Wien und anderen bereits unternommen, doch bei weitem nicht alle Schulen verfügen bereits über Verwaltungsmitarbeiter:innen. Hinzu kommt, dass ein mittleres Management - bspw. mit Abteilungsleiter:innen, wie sie an HTL üblich sind - für große Schulen aller Schularten hilfreich wäre.

Schule muss ein Ort sein, wo man gerne hingeht - wo Schüler:innen gerne lernen und Lehrer:innen gerne arbeiten. Gelingen wird das mit Vertrauen statt Kontrolle, mit Autonomie statt Bürokratie, mit einer zeitgemäßen Arbeitsteilung - jede:r macht das, wofür er/sie ausgebildet ist - und indem die Ressourcen so eingesetzt werden, dass sie den Schüler:innen zugute kommen, statt sie in bürokratischem Leerlauf zu veraus­gaben. Das sind wir den Kindern, den Steuerzahler:innen und unserer Zukunft schuldig!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, ein Reformpaket vorzubereiten, mit den Ländern zu verhandeln und umzusetzen, mit dem Schulen, Schuldirektor:innen und Lehrer:innen von der erdrückenden Bürokratie im Schulsys­tem befreit werden, damit sie sich ihrer Kernaufgabe - der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen - widmen können. Dazu braucht es Veränderungen entlang der drei Leitlinien "Bürokratie vermeiden", "Bürokratie vereinfachen" und "Bürokratie dele­gie­ren":

1.         Nach dem Prinzip "Vertrauen statt Kontrolle", das sich bei den "Bildungs-Europameistern" Estland und Finnland bewährt hat, erhalten Schulen volle Autono­mie in organisatorischer, personeller, finanzieller und pädagogischer Hinsicht. Kontroll- und Dokumentationszwänge werden abgelöst von Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit. Die Bildungsdirektionen werden als Behörde abgeschafft und als unterstützende, beratende Serviceeinrichtung neu gegründet.

2.         "Digital und userfreundlich" werden Verwaltungsabläufe vereinfacht. Sämt­liche administrative Tätigkeiten werden in EIN einheitliches Schulverwaltungs­programm zusammengefasst, Doppelgleisigkeiten beendet und die "Zettelwirtschaft" auf ein Minimum reduziert. Einfache Strukturen, Automatisierung und userfreund­liche Oberflächen erleichtern die Arbeit.

3.         Nach dem Motto "Lehrkräfte lehren, Verwaltungspersonal administriert" werden die verbleibenden Verwaltungstätigkeiten an administratives Personal delegiert, das weiter aufgestockt wird. Zusätzlich bekommen größere Schulen aller Schularten ein Mittleres Management, um allen Lehrer:innen die direkte Zusam­menarbeit mit einer Führungskraft zu ermöglichen und Schulleitungen für die pädagogische Entwicklung der Schule freizuspielen. 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antragssteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile nun Frau Abgeordneter Mag.a Meinl-Reisinger als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Klubobfrau.