15.28

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wo stehen wir denn im Bildungssystem? – Wir beginnen einmal bei Pisa: Seit 20 Jahren sind wir im Mittelfeld, Durchschnitt. Wir buttern zwar wie die Weltmeister Geld hinein, aber der Output ist maximal die Mittelmäßigkeit.

Bei der Pirls-Studie, der Lesestudie – vor Kurzem wieder herausgekommen –, sind wir bei den Punkten auch wieder zurückgefallen.

Digitale Grundbildung: Sie haben vorhin schon angesprochen, wie toll sich die Schulen seit Corona in dieser Hinsicht entwickelt haben. Es gab jetzt gerade eine Umfrage unter 800 Lehrerinnen und Lehrern, wie sie selbst ihre digitalen Kompetenzen einschätzen. Dabei ist herausgekommen: Zwischen Befriedigend und Nicht genügend würden sich die Lehrerinnen und Lehrer selbst ein­schät­zen. – Also nicht besonders berauschend, würde ich sagen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Mega Bildungsstiftung hat Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer befragt: Das Schulsystem wird mit Befriedigend, also mittelmäßig, bewertet.

Es gibt 300 Unilehrer, die Ihnen vor Kurzem einen Brief geschrieben haben und sich gegen die von Ihnen angedachte Reform des Lehramtsstudiums ausgesprochen haben, sie sagen, dass das überhaupt nichts am Lehrermangel ändern wird.

Ich frage mich: Wie viele Erhebungen, wie viele Studien, wie viele Berichte aus der Praxis wollen Sie eigentlich noch durchtauchen, bis Sie irgendwann irgendwo tätig werden? (Beifall bei den NEOS.)

Wie viele Bildungsabbrecher müssen noch rauskommen, wie viele Jugendliche, die nicht sinnerfassend lesen können, soll die Schule noch ausspucken und wie viele Lehrerinnen und Lehrer sollen entnervt das Handtuch werfen, bis Sie verstehen und zur Kenntnis nehmen, dass sich nicht nur bei kleinen Schrauben im Bildungssystem etwas verändern muss, sondern dass wir wirklich Grund­legendes verändern müssen, grundlegende bildungspolitische Reformen einlei­ten müssen?

Wir haben selbst eine Umfrage gemacht und 700 Lehrerinnen und Lehrer haben mitgemacht. Beate Meinl-Reisinger, unsere Klubobfrau, hat bereits darüber gesprochen und ein paar Ergebnisse erwähnt. Was herausgekommen ist und was man nicht oft genug erwähnen kann, ist: Bürokratie, Bürokratie, Bürokratie, wohin das Auge reicht. Neun von zehn Befragten wünschen sich, dass etwas verändert wird, um den Arbeitsalltag zu erleichtern. Auf die Frage, ob es Tätig­kei­ten gibt, die viel Zeit in Anspruch nehmen, aber wenig Nutzen haben, sagen auch 90 Prozent Ja, nämlich: Noten da und dort eintragen, Anwesenheit doppelt eintragen, doppelte und dreifache Bearbeitung von irgendwelchen Verwaltungs­listen, unnötige wöchentliche Statistiken, auch Leermeldungen sind dabei.

Das saugen sich die Lehrerinnen und Lehrer doch nicht einfach aus den Fingern. Es ist ja nicht so, dass sie dort sitzen und irgendetwas hinschreiben, damit sie etwas antworten. 80 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sagen, unsere Schul­verwaltung ist ineffizient, aufgebläht und schwerfällig. Sogar Ihr Partei­freund Paul Kimberger beziehungsweise die Pflichtschullehrergewerkschaft hat gestern Folgendes veröffentlicht – es ist leider zu wenig Zeit, um den ganzen Brief vorzulesen –: „die Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovationen stoppen [...] den sonderpädagogischen Förderbe­darf mit all seinen Facetten an die realen schulischen Notwendigkeiten anpassen [...] Verwaltung und Bürokratie auf das unbedingt Notwendige reduzieren“.

Der besonders schöne Satz ist – das schreibt die Lehrergewerkschaft! –: „Moderne Bildungssysteme stellen besonders hohe Anforderungen an alle im System befindlichen Pädagoginnen und Pädagogen. [...] In Österreich scheint man das noch nicht ausreichend erkannt zu haben.“ (Beifall bei den NEOS sowie Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich frage – es gibt so viel Evidenz, es gibt so viele Berichte aus der Praxis, und Sie sitzen hier, stoisch nach vorne blickend, als ob Sie das nichts angehen würde (Abg. Salzmann: Wo soll er denn hinschauen?) –: Worauf warten Sie denn? Setzen Sie doch endlich auf Vertrauen statt Kontrolle, und nicht immer nur auf: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist viel besser!, so wie es die ÖVP immer macht. (Beifall bei den NEOS.)

Geben Sie den Schulen Autonomie! Vertrauen Sie den Direktorinnen und Direk­toren, den Lehrerinnen und Lehrern, dass diese selber Entscheidungen treffen können, was an ihren Schulstandorten gut ist! Das können die, glauben Sie mir das. Sie haben selber auch einige Lehrerinnen und Lehrer in Ihren Reihen, die werden das ja hoffentlich bestätigen.

Zweitens: Befreien Sie die Schulen von unnötiger Bürokratie! Machen Sie die Schulen digital und userfreundlich, auch für die Lehrkräfte! Sie haben gerade gesagt, es gibt ein einheitliches Schulverwaltungssystem. Nein, da machen auch mehrere andere Bundesländer nicht mit: Steiermark, Oberösterreich, die haben auch eigene. Das ist doch ein finanzieller Wahnsinn und ein bürokratischer Nonsens, dass in einem kleinen Land wie Österreich verschiedene Schulverwal­tungs­systeme im Umlauf sind. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Nur in Wien! Nur Wien ist anders!)

Ermöglichen Sie (Abg. Salzmann: Martina, nur Wien hat ein anderes!), dass endlich jeder für das eingesetzt wird, wofür er oder sie ausgebildet ist. Ein Lehrer wollte Lehrer werden – er wollte nicht Schulsozialarbeiter werden, er wollte auch nicht Schulpsychologe und auch nicht Verwaltungskraft werden. All das aber müssen Lehrerinnen und Lehrer heute in den meisten Fällen machen, weil Sie in den letzten Jahrzehnten einfach nur weggeschaut haben (Abg. Salzmann – in Richtung SPÖ weisend –: Jahrzehnte? Die sind aber da drüben, gell, die Jahrzehnte!) und gedacht haben, die tauchen da schon durch. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Die Jahrzehnte sind da drüben!)

Weil da auch die Personalvertreter sitzen: Machen Sie die Schule endlich für Kinder und Jugendliche (Abg. Salzmann: Die Jahrzehnte sind da drüben, Martina, du weißt es!) – und nicht für die ÖVP oder den ÖAAB. Dafür ist die Schule nicht gemacht. (Abg. Meinl-Reisinger: Bravo!) Das hat sich vielleicht noch nicht herum­gesprochen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Was ist das für ein Blödsinn? Kandidiert halt einmal bei der Personalvertretungswahl! – Abg. Salzmann: Vielleicht haben sie keine Stimmen! – Abg. Wöginger: Das war ein Witz!)

Stellen Sie sich doch, Herr Minister, bei jeder Maßnahme, die Sie setzen, die Frage: Ist das gut für die Kinder? – Wenn Sie es nicht eindeutig mit Ja beantwor­ten können, dann lassen Sie es! Dann lassen Sie es einfach weg, denn dann ist es nicht für die Kinder! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Jetzt seid ihr zuerst ... mit der Gewerkschaft und dann dagegen! Was wollt ihr eigentlich? Seid ihr jetzt für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Wofür seid ihr jetzt? Wofür seid ihr? Für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Sagt es! Seid ihr für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Das ist die Frage!)

Wir wissen, dass Sie nicht allein verantwortlich sind für all das, was wir jetzt im Bildungsbereich zu reformieren hätten. Dafür sind nicht Sie allein verantwortlich, sondern dafür sind Ihre Vorgänger und Vorgängerinnen von SPÖ und ÖVP verantwortlich, die in den letzten Jahrzehnten einfach nur ideologische Macht­kämpfe im Bildungsbereich betrieben haben und den Blick auf die Kinder und Jugendlichen total verloren haben und da überhaupt nichts für die gemacht haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Nur schlechtreden! – Abg. Salzmann: Gut, dass es in Wien anders ist! In Wien ist alles viel besser offen­sicht­lich!)

Wofür Sie aber verantwortlich sind: Sie sind jetzt für die Bildungspolitik ver­antwortlich. Die Zukunft von vielen Kindern hängt von Ihrem Tun, von dem, was Sie jetzt machen, ab. Für ganz, ganz viele Kinder zeigt sich jetzt, ob sie eine Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, oder nicht. Das hängt von Ihren Maßnahmen ab, die Sie setzen.

Ganz ehrlich: Trauen Sie sich einfach! Trauen Sie sich etwas zu! Wir helfen Ihnen auch gerne. Die Politik ist kein Ponyhof – vielleicht haben Sie das gedacht, bevor Sie von der Uni gekommen sind, dass das so ist. Man schneidet nicht nur rote Bändchen durch und eröffnet nicht nur irgendwelche neuen – vielleicht energie­effizienten – Schulgebäude. Ihr Vorgänger war zwar auch nicht der große Visionär, aber er hatte zumindest eine Meinung. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte. (Abg. Scherak: Jetzt kommt die Lehrergewerkschaft, die sagt uns, wie’s geht! – Abg. Loacker: Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter, Jessas Maria! – Ruf: Aber Herr Loacker!)