22.29

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir behandeln jetzt auch einen Antrag der Abgeordneten Strasser, Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychi­schen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“.

Uns ist allen bewusst, wie es in diesem Antrag steht, dass die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern eine schwere Arbeit ist, eine körperliche Arbeit ist, eine stark psychisch beanspruchende Arbeit ist und dass durch diese Arbeit natürlich auch psychosoziale Probleme auftreten, die man auch behandeln muss. Wenn man sich diesen Antrag anschaut, dann kann man dort auf Seite 2 feststellen, dass im Jahr 2022 875 Bäuerinnen und Bauern ein Service dieses Sorgentelefons in Anspruch genommen haben, und da eben viel Hilfe geleistet wird.

Ich denke aber, es ist auch notwendig, mehr in diesem psychosozialen Bereich zu tun. Da wäre es notwendig, auch eine ausreichende Zahl an Behandlungsplätzen für psychisch erkrankte Menschen zu haben, denn es steht in diesem Antrag gleichfalls drinnen, dass es eben ein Unwohlsein und eine Angst davor gibt, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen. Wir bräuchten auch kurzfristig klinisch-psychologische Behandlungen als Kassenleistung, denn auch das sind Maßnahmen, die von vielen Bäuerinnen und Bauern, wie es in diesem Antrag steht, nicht angenommen werden.

Wir brauchen auch langfristig einen Masterplan: Psychisch gesundes Österreich aller PSY-Berufe, das sind Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen oder klinische Psycholog:innen, damit man diese Probleme, die diese Bäuerinnen und Bauern haben, aufarbeiten kann.

Ich denke aber, dass wir diese Maßnahmen nicht nur für die Bäuerinnen und Bauern hier in Österreich brauchen, sondern wir brauchen diese Maßnahmen für alle Bewohnerinnen und Bewohner Österreichs, für alle Menschen, die psycho­soziale Probleme haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“, eingebracht im Zusammenhang mit TOP 24 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbar­machung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Forderungspunkte der Petition „Für eine bessere Versor­gung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufs­verbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP rasch vollinhaltlich umzusetzen und über die Fortschritte der Umsetzung dem Nationalrat jährlich zu berichten.“

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Ich denke, dieser Entschließungsantrag, Herr Minister, und speziell für dich, lieber Georg Strasser, ist ein Antrag, der den Bauern und Bäuerinnen hilft. Das ist ein Antrag, der allen Menschen in Österreich hilft. Ich setze voraus, dass auch ihr diesem Entschließungsantrag zustimmen werdet, weil er auch im Sinne eures Entschließungsantrages ist, der auch beschlossen werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

22.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“

eingebracht im Zusammenhang mit TOP 24 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Sichtbar­machung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäue­rinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiter­führung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons."

Die psychischen Herausforderungen sind in Österreich sowohl für Landwirtinnen und Landwirte, als auch jede andere Berufsgruppe gestiegen. Die gesamte Bevölkerung hat durch die Krisen der letzten Jahre verstärkt gelitten.

Beinahe sämtliche psychische Erkrankungen befinden sich im Vormarsch. Kein Wun­der, in einer Welt, die so beschleunigt ist wie noch nie, in einer Welt in der permanente und digitale Vernetztheit zu mehr Einsamkeit und Isolation führt. Die zunehmenden Anforderungen in der Arbeitswelt, immer mehr in immer kürzer werdender Zeit leisten zu müssen, führen zu Belastungen. Immer mehr Menschen berichten, dass sie sich erschöpft und müde fühlen. Immer mehr Menschen sagen, dass sie sich „ausgebrannt“ fühlen. Beeinträchtigungen des Wohlbefindens sowie der psychischen und körperlichen Gesundheit sind sehr häufig geworden und haben negative Folgen wie beispielsweise Krankheiten oder eine eingeschränkte Arbeits­fähigkeit.

Vor allem in den letzten Jahren steigt die Zahl jener Menschen, die sich wegen psychi­scher Erkrankungen im Krankenstand befinden oder frühzeitig in Pension gehen, deutlich an. Diese drastische Zunahme verursacht beträchtliche Kosten und stellt eine der großen Herausforderungen für das Gesundheits- und Sozialsystem in Österreich dar.

Während 1995 noch „nur“ 10,8% aller Invaliditätspensionen auf psychische Krank­heiten als Ursache zurückzuführen waren, waren es 2011 bereits 32,1%. 1 Ähnlich hat in Österreich auch die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen zugenommen.

Österreich hat in der Betreuung psychisch erkrankter Menschen großen Aufhol­bedarf. 20.000 Menschen haben daher die Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP unterschrieben, um diesen Missstand aufzuzeigen.

Der Bericht zu psychischen Krankheiten in Österreich (2017) „Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich“ weißt in seiner Conclusio (aus der repräsentativen Stichprobeuntersuchung) unter anderem aus:

„Psychische Erkrankungen sind in Österreich häufig“, sie „kommen unter anderem häufiger bei finanziellen Sorgen und bei der Versorgungpflicht für ein langdauernd erkranktes Familienmitglied vor“. „Es gibt Anlass zur Sorge, dass 57,5% der psychisch Kranken keinerlei Behandlung für ihre Krankheit erhielt.“2

Dies deckt sich mit Feststellungen auf europäischer bzw. internationaler Ebene. Im Jahr 2017 rückte die WHO anlässlich des Weltgesundheitstags Depressionen ins Blickfeld. Diese sind mittlerweile führende Ursache für Behinderungen und Mitverur­sacherin von rund 128.000 Selbsttötungen, die jährlich in der Europäischen Region laut WHO stattfinden. 3 Insgesamt litten rund 40 Millionen Menschen in der Euro­päischen Region an depressiven Störungen. Doch „obwohl Depressionen behandelt und vermieden werden könnten, erhalten mindestens 75% der unter schweren Depressionen leidenden Menschen keine angemessene Therapie,“ sagte WHO Regionaldirektorin für Europa Dr. Zsuzsanna Jakab.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive gilt zu bedenken: „Psychische Erkrankungen verursachen sowohl für den einzelnen Betroffenen als auch für die Gesellschaft insgesamt hohe Kosten.“4

In einer unter der Regie der WHO durchgeführten Studie wurden die jährlichen weltweiten Kosten von Depressionen und Angststörungen neulich auf über 1 Billion US-Dollar geschätzt. „Nicht zu handeln wäre teuer, denn die wirtschaftlichen Kosten von Depressionen und anderen psychischen Störungen sind in erster Linie wegen der Fehlzeiten und der verringerten Produktivität enorm,“ sagte Dr. Dan Chis­holm, Leiter des Programms für psychische Gesundheit am Regionalbüro.

Während in Österreich die Zahl der Betroffenen seit Jahren zunimmt, gibt es bei der Versorgung in Österreich massive Lücken. Monatelange Wartezeiten - gerade für Kinder und Jugendliche - sind keine Seltenheit. Ein verspäteter Behandlungsbeginn führt jedoch bei Betroffenen zu mehr Leid und verursacht eben zudem im Gesund­heits- und Sozialsystem Zusatzkosten in enormer Höhe.

Die Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkran­kungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP stellt daher drei konkrete Forderungen auf:

1. Ausreichend Behandlungsplätze für psychisch erkrankte Menschen. Wir fordern ambulante Behandlungsplätze für eine Vollversorgung ohne Wartezeit und auf hohem Qualitätsniveau. Im Zentrum: Der Auf- und Ausbau der Kassenplätze für Klinische PsychologInnen, PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen.

2. Kurzfristig: Klinisch-psychologische Behandlung als Kassenleistung. Klinisch-psychologische Behandlung wirkt effizient. Das belegen wissenschaftliche Studien. Während klinisch-psychologische Behandlung im stationären Bereich (Kranken­anstalten) längst etabliert und gesetzlich seit 1993 verankert ist, gibt es das Angebot klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung im niedergelassenen Bereich noch immer nicht. Obwohl damit eine massive Versorgungslücke auch in den ländlichen Gebieten rasch und hoch qualitativ zu schließen wäre. Durch die Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung ins Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz (ASVG) wird der dringendste akute Versorgungsbedarf für Menschen mit psychischen Erkrankungen gedeckt.

3. Langfristig: „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ aller PSY-Berufe. Egal, ob PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen oder Klinische PsychologInnen - jede Pro­fession leistet ihren wichtigen Beitrag zur Verbesserung der psychischen Versorgung in Österreich. Klar ist daher: Diese Verbesserung kann nur langfristig und unter Einbindung aller PSY-Berufe und gemeinsam mit der Politik erfolgen. Wir schlagen deshalb die gemeinsame Erarbeitung eines „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Forderungspunkte der Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP rasch vollinhaltlich umzusetzen und über die Fortschritte der Umsetzung dem Nationalrat jährlich zu berichten.“

[1] Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6-7. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

2 Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 165. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

3 http://www.euro.who.int/de/media-centre/events/events/2017/04/world-health-day-2017-depression-lets-talk/news/news/2017/04/world-health-day-open-dialogue-about-depression-is-needed-to-raise-awareness,-build-understanding-and-reduce-stigma

4 Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.