Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Die österreichische Wirtschaft ist in der letzten Zeit ja von einigen Krisen gebeutelt worden. Wie, glauben Sie, geht es mit der österreichischen Wirtschaft weiter?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 290/M, hat folgenden Wortlaut:

„Die österreichische Wirtschaft war zuletzt von mehreren Krisen gebeutelt, wie geht es wirtschaftlich in Österreich weiter?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Die österreichische Wirtschaft steht ja auch im europäischen Vergleich sehr, sehr gut da. Wir haben kräftige Jahreswachstumsraten, 4,6, 4,9 Prozent – also fast 5 Prozent im letzten Jahr, 4,6 Prozent im Jahr 2021. Also die österreichische Volkswirtschaft hat sich durchaus sehr, sehr gut erholt, auch von der Pandemie – das ist das Erste.

Wir waren weit über dem europäischen Schnitt, was das Wachstum betrifft; wir waren auch weit über Deutschland, was das betrifft. Nur als Beispiel: Für den Tourismus, der natürlich in Österreich eine ganz besondere und große Rolle spielt, war der Mai 2023 der zweitbeste Mai überhaupt nach 2018. Also da sieht man, das läuft relativ rund und gut.

Auch die Beschäftigung stieg in den ersten fünf Monaten an: Gegenüber 2022 haben wir 56 000 zusätzliche Personen in Beschäftigung, also auch das läuft gut.

Wir haben ja jetzt die Prognosen, die von den Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforschern Ende Juni veröffentlicht worden sind: Auch da ist das Positive, dass die Rezession nicht eintreten wird, wie das in anderen Staaten durchschlägt – beispielsweise leider wieder Deutschland, was ja für uns auch nicht sehr positiv ist. Bei uns werden Wachstumsraten von 0,3 bis 0,5 Prozent – je nachdem – erwartet.

Also diese Rezession, die Insolvenzwelle, ist Gott sei Dank nicht so ein­ge­treten, wie sie von vielen befürchtet worden ist, natürlich auch Dank der Maßnahmen, die wir gesetzt haben, um den privaten Konsum auch ent­sprechend hoch zu halten. Der private Konsum stützt auch wesentlich stärker als in Deutschland dieses Wachstum und die Wirtschaft insgesamt. Jetzt gehen die Experten und Expertinnen davon aus, dass vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahres und auch 2024 die Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen wird. Auch bei der Inflation ist mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen. Das Wifo prognostiziert für 2024 einen Rückgang auf 3,8 Prozent.

Also: Das Wachstum ist zu niedrig, wir hätten gerne ein höheres, und wir tun alles dafür, dass dieses Wachstum nach oben geht, aber es ist wie gesagt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine sehr, sehr positive Entwick­lung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Finanzminister, Ihre Beant­wortung hat auch schon einen Teil meiner Zusatzfrage beantwortet. Zuerst die Pandemie, dann die Energiekrise, die Teuerung: Der Staat Österreich hat sehr viel Geld in die Hand genommen, im privaten Bereich wie auch im wirtschaft­lichen Bereich.

Ich sage immer: Zahlen sind Fakten, das sind keine Geschichten. Wie steht Österreich im internationalen Vergleich, konkret im Verhältnis zu Deutschland, wirklich da? Ist das Geld im Vergleich gut investiert worden, oder wie sehen Sie das?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, die Zahlen lügen nicht, vollkommen richtig. Die reale Wirtschaftsleistung Österreichs im ersten Quartal war um 3,5 Prozent über dem Vorpandemieniveau – also gegenüber dem vierten Quartal 2019 –, in der Eurozone waren es im Durchschnitt 2,2 Pro­zent, also wir sind da deutlich darüber. In Deutschland ist die Wirtschaftsleistung im vergleichbaren Zeitraum leider sogar um 0,5 Prozent zurückgegangen.

Österreich hat sich also besser entwickelt als die Eurozone und sich auch wesentlich von der Entwicklung Deutschlands abgehoben. Das ist ja auch interessant – wir sind sehr stark von den deutschen Märkten, von Deutsch­land insgesamt abhängig –, das ist sehr bemerkenswert, weil die Bundesrepublik ja unser wichtigster Handelspartner ist und dementsprechend auch einen sehr wichtigen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs insgesamt darstellt. Das ist sehr bemerkenswert.

Da ist insbesondere die österreichische Industrie sehr positiv hervorzuheben, und auch da gibt es eine sehr erfreuliche Entwicklung. Die Industrie­produktion war zuletzt um fast 30 Prozent höher als noch im Jahr 2015, wäh­rend in Deutschland, weil wir natürlich immer Vergleiche heranziehen müssen, im gleichen Zeitraum die Leistung um 4 Prozent zurückgegangen ist. Also auch da sieht man: Im europäischen Vergleich, im Vergleich zu Deutschland liegen wir doch wesentlich besser.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte.

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Die Finanzmarktaufsicht hat im Vorjahr die sogenannte KIM-Verord­nung erlassen und damit die Regeln für die Vergabe von privaten Wohn­baukre­diten massiv verschärft. Mittlerweile sind die Zinsen ebenfalls massiv gestiegen, und dadurch wurde die Schaffung von Eigentum gerade im privaten Bereich ja fast verunmöglicht. Die Prognosen sagen mittlerweile, dass die Bauwirtschaft nicht nur leidet, sondern dass sie bis Jahresende komplett einbrechen wird.

Herr Bundesminister, wie werden Sie dieser Entwicklung entgegentreten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank. – Ja, auch ich finde, dass das ein sehr wichtiges Thema ist. Ich habe meine Meinung dazu schon öffentlich kundgetan, und auch hier kundgetan, was ich davon halte, nämlich nicht sehr viel, hat doch die KIM-Verordnung zu einer Verschärfung am Wohnkreditmarkt insgesamt geführt. Da geht es ja um Empfehlungen des Finanzmarktstabilitätsgremiums, die dann an die FMA, an die unabhängige Behörde, weitergegeben werden: Empfehlungen werden ausgesprochen und die FMA hat das umzusetzen.

Das ist eine unabhängige Behörde, ich kann nur meine Meinung kundtun, aber meine Meinung ist klar: Ich glaube, dass man noch weitere Anpassungen vornehmen müsste. Es wurden im April bereits einige Anpassungen vorgenom­men. Das ist gut. Da ist es um Zwischenfinanzierungen gegangen, die erleichtert werden; es ist um Zuschüsse gegangen, die ins Eigenkapitel mitein­berechnet werden. Das ist durchaus positiv, aber aus meiner Sicht noch zu wenig. Ich glaube, dass die FMA da noch einen Schritt machen müsste und zu weiteren Erleichterungen beitragen müsste.

Mein Zugang – oder das, was ich tun kann – ist, darauf hinzuweisen, dass sich in den letzten Monaten auch die Rahmenbedingungen geändert haben. Sie haben das richtigerweise angesprochen: Das Zinsniveau ist ein anderes, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Deswegen sollte man auf diese Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen, auf diese Veränderungen Rücksicht nehmen. Das versuche ich der FMA immer zu sagen. Sie ist eine unabhängige Behörde; ich hoffe, mit vereinten Kräften gelingt es, dass sie dann einmal zu entsprechender Einsicht kommt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte sehr.