11.59

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bin froh, dass die Regierungsbank jetzt richtig besetzt ist. Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsicht­bar.“ – Wer kennt es nicht, dieses Zitat aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry? Es wird Sie jetzt vielleicht verwundern, dass ich meine Rede zu einer so staubtrockenen Materie wie jener, um die es bei Tagesordnungspunkt 3 geht – die Änderung der Zivilprozessordnung –, mit einem poetischen Zitat beginne.

Die Erklärung ist ganz einfach: Es geht darum, dass wir die gesetzlichen Voraus­setzungen schaffen sollen, damit Verhandlungen, in denen eben Zivilrechte gegeneinander abgehandelt werden, per Videoübertragung durchgeführt werden können. Das Video überträgt ein Bildsignal, das wir sehen können, und ein akustisches Signal, das wir hören können. Es ist aber so, dass ein Zivilprozess wesentlich darauf aufgebaut ist, die Wahrheit zu finden, und dass ein wesentliches Beweismittel zur Wahrheitsfindung die Parteienvernehmung ist.

Aufgrund meiner Berufserfahrung – ich bin nach wie vor aktiv, es ist nicht lange her, dass ich die letzte Zivilprozessverhandlung gemacht habe – kann ich Ihnen versichern, dass es ein wesentlicher Unterschied ist, ob es eine Video­vernehmung ist, wie wir sie während der Pandemie durchgeführt haben, oder eine Vernehmung in Präsenz. Da spürt man ganz anders, ob ein Mensch sich sicher ist, ob eine Person gerade versucht, Ausflüchte zu finden, die Realität anders darzustellen, und das ist ein Prozess, der für die Wahrheits­findung sehr, sehr wichtig ist. Daher will ich nicht in die Hurrastimmung, wie toll und super es jetzt ist, dass wir diese Verhandlungen per Video durchführen können, einstimmen.

Das soll nicht bedeuten, dass wir dem Projekt insgesamt negativ gegenüber­stehen. Es gibt durchaus Verhandlungen – und in diesem Gesetzespaket sind ja noch andere Verfahrensarten vorgesehen –, bei denen es nicht so sehr um die Wahrheitsfindung geht, sondern darum, irgendein Prozedere abzuhandeln, Standpunkte zu klären. Da sind wir gegenüber dem, dass man das in einer Videokonferenz erledigt, durchaus aufgeschlossen. So ganz allgemein aber gibt es eben Unterschiede. Dort, wo der Wahrheitsfindung eine ganz wesentliche Bedeutung zukommt, würden wir uns wünschen, dass die Entscheidung, ob die Verhandlung in digitaler Form oder in Präsenz durchgeführt wird, von der Zustimmung der Parteien abhängig gemacht wird und es nicht so ist, dass eine Partei gegebenenfalls Widerspruch erheben muss.

Es gilt insbesondere für das Eheverfahren – und § 460 im Reformpaket sieht das ja Gott sei Dank vor –, dass die Zustimmung beziehungsweise der Widerspruch nur dann möglich ist, wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Das sollte aber allgemein und für alle Verfahrensarten gelten, weil eine unvertre­tene Partei, die noch nie mit einem Gericht zu tun gehabt hat, einfach beim besten Willen nicht beurteilen kann, was es bedeutet, wenn in der Ladung drin­nen steht: Es ist beabsichtigt, die Verhandlung in Form einer Videokonferenz durchzuführen.

Was bedeutet das? Ist das jetzt wichtig? Wie schaut das aus? – Da braucht es Praxis, da braucht es Erfahrung. Diese kann nur ein rechtsberatender Beruf bereitstellen, daher sollte die Regelung auf alle streitigen Zivilprozessverhand­lun­gen und auch auf die außerstreitigen Verhandlungen ausgedehnt werden. Da das im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist, werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen.

Noch in aller Kürze zu Tagesordnungspunkt 4, dem Virtuelle Gesellschafterver­sammlungen-Gesetz: Auch da haben wir Bedenken, ich kann mich den Argumenten von Kollegen Stefan im Wesentlichen anschließen. Wir meinen, dass es Gesellschafterversammlungen gibt, speziell im GmbH-Bereich, bei denen das kein Problem ist, aber bei börsennotierten Aktiengesellschaften sollte nicht die Möglichkeit bestehen, dass – sofern das Gesetz in Kraft tritt – eine kleine Gruppe von Kernaktionären sofort eine Satzungsänderung beschließt und sagt: Nur mehr virtuell! – Da sollte zumindest die hybride Form zwingend vorgesehen werden, sodass es auch Kleinaktionären nach wie vor möglich ist, in Präsenz an einer Hauptversammlung teilzunehmen, dem Vorstand direkt Fragen zu stellen und, und, und. Da kommt wieder die Erfordernis nach unmittelbarer Kommunikation, die wir einfach brauchen, die digital nicht ganz ersetzt werden kann, zum Ausdruck.

Ein allerletzter Punkt noch zum Antrag der SPÖ: Dieser enthält wirklich tolle Dinge, die ich der SPÖ nie zugetraut hätte. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Vor allem die Idee, Gläubigerforderungen in Beteiligungskapital umzuwandeln, ist eine schöne Sache. Es ist aber ein Punkt drinnen, der für uns nicht infrage kommt: dass man wieder in das System, in dem die Forderungen des Fiskus bevorrechtet sind, zurückfällt. Ich denke, das ist etwas zu kurz gegriffen. Die Insolvenzrealität ist die, dass kleine Handwerker oft ihrerseits in Zahlungsprob­leme kommen, weil sie einen großen Forderungsausfall haben. Sie haben für einen Bauträger gearbeitet, der in Konkurs geht, und sie schauen dann durch die Finger.

Die tun sich viel, viel schwerer damit, einen Forderungsausfall wegzustecken, als der Fiskus. Deswegen war es schon vor vielen, vielen Jahren eine gute Ent­scheidung des Gesetzgebers, dass die Abgabenforderungen nicht mehr bevorrech­tet sind, sondern gleich behandelt werden wie alle Insolvenzforderungen. Ich denke, die Allgemeinheit kann so einen Forderungsausfall leichter ertragen als ein kleiner Unternehmer, der dann selber in Zahlungsschwierigkeiten kommt. Daher werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.06

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.