16.18

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Ja, die Europäische Union ist eine Wertege­meinschaft, und das sind wir nicht zuletzt aufgrund unserer gemeinsamen Werte. Es ist klar, dass diese Werte nicht an den europäischen Grenzen oder in unserem Fall an den österreichischen Grenzen Halt machen. Wir sind aber natürlich auch eine Interessengemeinschaft. Unseren Wohlstand verdanken wir einem europäischen Markt, der seit Langem gemeinsame wirtschaftliche Interessen vertritt, und ein gemeinsames Lieferkettengesetz vertritt sowohl unsere Werte als auch unsere Interessen.

Ich hoffe, dass niemand hier im Saal will, dass wir Produkte nur deshalb billig kaufen können, weil anderswo Kinder zur Arbeit gezwungen werden oder Menschen mit krebserregenden Inhaltsstoffen ungeschützt hantieren müssen. Da bezahle ich selber – und ich glaube, da sind wir uns einig – lieber etwas mehr, damit diese Produkte nicht mit Leid und Elend erkauft werden.

Das alles ist aber nicht nur eine Gefühlsduselei. Wenn unsere Produktions­stan­dards irgendwo anders auf der Welt missachtet werden, dann bedeutet das auch, dass unsere Produzentinnen und Produzenten preislich einfach nicht mit­hal­ten können. Wenn wir verlangen, dass in Europa nur Produkte verkauft werden können, die auch unseren Werten entsprechen, dann schützen wir ja damit auch unsere Unternehmen vor unlauterer ausländischer Konkurrenz.

Man darf dieses doch sehr noble Unterfangen jetzt aber auch nicht naiv angehen. Es kann ja nicht sein, dass die Politik die Aufgaben von Regulatoren dann einfach den Unternehmen umhängt. (Abg. Kopf: Genau!) Gerade bei kleinen Unternehmen, bei mittleren Betrieben muss man schon sehr genau hinschauen, wie viel Einfluss etwa ein österreichischer Importeur auf die Produktionsstan­dards eines riesigen Produzenten im doch sehr intransparenten China hat.

Wir müssen sehr genau darauf achten, dass bei diesen Gesetzen auch die Due Diligence – also vor allem das Due in Due Diligence – ein deutlicheres Gewicht hat, nämlich die Verpflichtung, das so zu gestalten, dass die Rahmen­bedingungen so sind, dass es unseren Unternehmen einfach auch zumutbar ist – nämlich auch zumutbar gemessen an ihrer Position in einer Lieferkette. Volkswagen beispielsweise kann sich sehr schnell eine Compliancefirma leisten, die genau das für sie erledigt, aber unsere KMUs können das einfach nicht. (Beifall des Abg. Scherak.)

Beim Zulieferer eines kleinen Ersatzteiles muss man nämlich ganz genau hinschauen, ob die Kosten mit der Wirtschaftsaktivität dort überhaupt zu verantworten sind. Wenn wir nicht wollen, dass dieses Gesetz die kleinen Betriebe aus dem Markt drängt, dann müssen wir einfach auch schauen, wie wir dieses Gesetz bauen.

Um ein Beispiel zu nennen: Stellen Sie sich einmal eine Schneiderei vor, die Reiß­verschlüsse kauft. Die braucht sie, um für die Kunden Reißverschlüsse ausbessern zu können. Woher soll diese kleine Schneiderei wissen, wo auf der Welt und unter welchen Umständen dieser Reißverschluss produziert worden ist, ob das mit Leid und Elend und schlechten Umweltstandards ver­knüpft ist? – Das kann sie einfach nicht wissen!

Es gibt für mich noch einen weiteren wichtigen Punkt: Es darf im finalen Text auch keine Möglichkeiten für Zivilklagen geben, denn anderenfalls bekommen wir ganz schnell eine internationale Klagsindustrie mit Anwaltskanz­leien, die ganz genau schauen, wo man am schnellsten Geld herausholen kann. Wenn wir mit dem Lieferkettengesetz einen solchen Markt für Klagen schaffen, dann werden die einfach kommen, und bezahlen werden die Kleinen, weil die sich einfach nicht wehren können. Die haben nicht die Luft, nicht die finanziellen Kapazitäten, um sich diesbezüglich zu wehren.

Mein Appell beziehungsweise unser Appell lautet also, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen sehr genau darauf achtet, dass diese Gesetze einfach so formuliert sind, dass die Verantwortlichkeiten ganz genau geregelt sind und dass man diese auch dorthin legt, wo sie hingehören, und auch die Kapazitäten der betroffenen Unternehmen berücksichtigt.

Ich wünsche allen einen schönen Sommer. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lukas Hammer.)

16.22