10.54

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich - - (Abg. Scharzenberger: ... Staatssekretärin!) Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! (Abg. Scharzenberger: Na also!) Ich glaube, die Situation ist wirklich zu ernst, um sie schönzureden. (Beifall bei der SPÖ.)

Man macht den Menschen nicht Mut, indem man ihnen Sand in die Augen streut, Herr Bundeskanzler. (Abg. Hanger: ... aber schon noch zählen, oder?) Sie haben – ich muss Sie leider korrigieren – in Ihrer Rede mehrfach Falsch­informationen verbreitet – leider! (Abg. Lindinger: Die Einzigen, die Falschinfor­mation verbreiten, seids ihr!)

Erstens: Sie sagen, die Inflation ist im Sinken, die Richtung ist richtig. – Die Inflation ist im August in Österreich wieder gestiegen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundeskanzler Nehammer: Habe ich ja gesagt! – Rufe bei der ÖVP: Zuhören! Oje, nicht aufgepasst!)

Zweitens: Sie sagen – ich habe gut zugehört –, bei den Arbeitslosenzahlen performen wir so gut. (Abg. Höfinger: Jedes Argument geht euch ab!) – Die Arbeitslosigkeit ist im August in Österreich wieder gestiegen: 11 000 Menschen mehr. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundeskanzler Nehammer: 200 000 offene Stellen!)

Sie sagen, dass in anderen EU-Ländern die Wirtschaftsperformance ja so viel schlechter ist: Wir sind Drittletzter in der Eurozone, und natürlich droht auch für Österreich ein Wirtschaftseinbruch, wenn wir es nicht schaffen, die Nachfrage zu stabilisieren. (Abg. Wöginger: Die haben wir stabilisiert!)

Sie sagen, die Opposition rede Krisen herbei – das ist wirklich verantwortungslos angesichts dieser Situation, in der wir immer noch die höchste Inflation in Westeuropa haben. Die Wahrheit ist den Menschen schon zumutbar. Ich glaube, es ist wichtig, auch in einfachen Worten herunterzubrechen, wovon wir hier sprechen: Ist es naturgegeben, dass die Inflation in Österreich so hoch ist? – Nein! Hätte man etwas dagegen tun können? – Ja!

Wir sind in der Aktuellen Europastunde, deshalb lade ich uns alle ein, eine Reise zu unternehmen: In der Schweiz sind die Energiepreise für Haushalte reguliert, dort orientiert man sich an den tatsächlichen Herstellungskosten. In Österreich schreiben die Energiekonzerne wahnsinnige Gewinne auf Kosten unserer Leute.

In Spanien hat man übrigens die Mieten gedeckelt – bei 2 Prozent wirksam. In Österreich verdienen sich Immobilienspekulant:innen weiterhin eine goldene Nase auf Kosten der Mieter und Mieterinnen.

In Frankreich wurde bei den Banken eingegriffen – vielleicht (in Richtung Bundeskanzler Nehammer, der mit Staatssekretärin Plakolm spricht) hören Sie zu. Das sind viele Beispiele dafür, wie Länder vorgezeigt haben, wie man es macht. (Beifall bei der SPÖ.) In Frankreich gibt es ein staatlich reguliertes Konto mit Fixzinssätzen. In Österreich haben die Banken im letzten Jahr 10 Milliarden Euro an Gewinnen verzeichnet, während für die Sparer und Sparerinnen genau nichts übrig bleibt. (Abg. Kirchbaumer: Wenn alles so super ist, warum wanderst dann ...? Unglaublich! Nestbeschmutzer seids ihr!)

In Deutschland hat man die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt und gleichzeitig einen Energiepreisdeckel eingeführt. Was passiert in Österreich? – Da werden die Energiekonzerne noch zusätzlich gefördert. Das ist die Situation. (Beifall bei der SPÖ.)

In Portugal und in Polen wurde die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf 0 Prozent gesenkt. Und in Österreich? – Da kostet plötzlich das Mineralwasser um 20 Prozent mehr, da kosten die Zwiebeln um 20 Prozent mehr, und die Kartoffeln sind um 25 Prozent teurer als im Vorjahr. (Abg. Höfinger: Das ist schön! Wie ein Zuckerlladen: Wir nehmen überall eines heraus, das Gesamte sehen wir nicht! Sehr schwach, sehr schwach! Das ist Wirtschaftspolitik! Die Inkompetenz der Wirtschaftspolitik!) Wir können diese Vergleiche ziehen, und wir sehen, dass Österreich deutlich schlechter ausgestiegen ist als sämtliche vergleichbare EU-Länder. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Herr Bundeskanzler, weil Sie sagen, Österreich ist eigentlich besser, sozu­sagen (Abg. Höfinger: Ist es auch!): Ja, Österreich ist besser als diese Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist der Punkt. Die haben wir uns nicht verdient!

Es hätte zig Möglichkeiten, Beispiele gegeben, so viele EU-Länder haben vorgemacht, wie man in die Preisgestaltung eingreifen kann. Sie haben das alles verstreichen lassen. Wobei, was heißt verstreichen lassen? Sie haben dagegengestimmt. Wir bringen seit zwei Jahren Anträge genau dazu ein – Sie haben sich dagegen entschieden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie haben bewusst in Kauf genommen, dass die Inflation steigen wird, Sie haben Hilfeleistung für die Bevölkerung unterlassen – unterlassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist, wie wenn ein Bademeister zuschaut, wie beim Schwimmen einer untergeht, aber er macht halt nichts. Das ist, wie wenn ein Rettungsfahrer sieht, da stürzt einer, aber er fährt halt weiter. Das ist, wie wenn Polizisten sehen, da wird eingebrochen, aber sie drehen sich um und schauen weg. (Abg. Lukas Hammer: So tief, das ist so tief!) Das ist unterlassene Hilfeleistung. Sie haben die Menschen einfach den steigenden Preisen überlassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bringen wir heute einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundes­regierung ein. Lassen Sie mich Ihnen, Herr Bundeskanzler, nur noch eine Zahl mitgeben, eine Zahl der Nationalbank: Im ersten Quartal 2023, heuer, sind 40 Prozent der gesamten Inflation nur auf gestiegene Unternehmensgewinne zurückzuführen – 40 Prozent auf gestiegene Unternehmensgewinne, sagt die Nationalbank!

Es geht also darum: Für wen machen wir hier Politik – weiterhin für Ihre Klientel, die von diesen steigenden Preisen profitiert, oder endlich für die breite Mehrheit der Bevölkerung, die diese Inflation nicht verdient hat? – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kirchbaumer: Die, die Arbeitsplätze brauchen ...!)

10.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.