14.07

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man sagt ja immer, das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Dann ist natürlich der Rechnungsabschluss so etwas wie die Bilanz dieser Politik.

Wenn wir uns die Bilanz der Politik ansehen, dann sehen wir die Einnahmen und die Ausgaben. Einnahmenseitig sieht man einerseits die Steuergeschenke, die die ÖVP-geführte Bundesregierung gemacht hat, indem sie die Konzern­steuer gesenkt hat, das heißt, den Steuerbeitrag der großen Konzerne gesenkt hat. Das bedeutet 1 Milliarde Euro pro Jahr weniger Steuerbeitrag der Kon­zerne für unsere Gemeinschaftskassa.

Man sieht darin, dass alleine im Jahr 2022 die Einnahmen aus der Umsatz­steuer um fast 5 Milliarden Euro gestiegen sind, vor allem aufgrund der Teuerung. Das heißt, dass wir alle bei unseren Einkäufen – egal ob das jetzt bei der Energierechnung, bei der Miete oder im Lebensmittelhandel war – fast 5 Milliarden Euro mehr an Umsatzsteuer bezahlt haben, die der Finanzminister in der Gemeinschaftskassa für uns verwaltet.

Auf der Ausgabenseite sieht man durchaus ein paar wenige Investitionen im Bereich Klimaschutz. Man sieht aber im Bereich Bildung nichts, man sieht im Bereich Gesundheit nichts Wesentliches. Das heißt, dass da auch nicht wirklich investiert wurde.

Unter dem Strich sieht man eine Rekordverschuldung, und zwar eine Rekord­verschuldung, die sich in den letzten Jahren fortsetzt. Alleine in einem einzigen Jahr, seitdem Kurz Bundeskanzler war, hat die Bundesregierung mehr Schulden gemacht als Kreisky in 13 Jahren – nur damit man so ein bisschen die Verhältnisse sieht, die Art und Weise, wie von der ÖVP mit Geld umge­gangen wird.

Sehen wir uns dann den wesentlichen Teil an, nämlich die Frage, die uns alle und vor allem die Menschen, die in Österreich leben, am meisten bewegt: Das ist die Frage, wie mit der Teuerung umgegangen wurde. Da gab es ja im Wesent­lichen zwei Wege, die man gehen kann. Wir als Sozialdemokraten haben dafür plädiert, dass man in den Markt eingreift, denn wenn der Markt nicht funktioniert und das zu absurden oder unleistbaren Preisen führt, dann muss man in den Markt eingreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung von ÖVP und Grünen hat entschieden: Nein, wir greifen nicht in den Markt ein, wir schauen zu, wie sich die Preise entwickeln. Am Anfang haben Sie gesagt, wir als Opposition, als SPÖ seien ja nur hysterisch, weil wir hier auf die Teuerung hinweisen. Dann haben Sie gesagt, wir würden diese herbeireden. – Na ja, so viel Macht möchte ich einmal als politische Partei haben, dass ich gleich eine Inflation, die dann noch dazu andere Länder in Europa auch haben, quasi herbeireden kann.

Die Bundesregierung hat nicht in die Preise eingegriffen, sie ist einen anderen Weg gegangen, nämlich jenen, zuzusehen, wie die Preise explodieren, und dann gar nicht so wenig Geld – das sieht man nämlich auch im Rechnungsabschluss, irgendwo müssen ja diese Schulden herkommen: ganz viel Geld – in die Hand zu nehmen und vor allem Einmalzahlungen zu machen. Das heißt, es hat wahr­scheinlich niemanden gestört, wenn man 100 Euro oder 300 Euro oder auch 500 Euro aufs Konto bekommen hat, weil man damit die unnötig hohe Energierechnung oder die höhere Miete bezahlen konnte – aber halt nur einmal.

Diese Unterstützungsleistungen gibt es jetzt eben nicht mehr, aber die hohen Preise sind nicht nur geblieben, nein, sie steigen nach wie vor. Das ist ja das Unverzeihliche an Ihrer Politik, dass Sie eben nicht in die Preise eingegriffen haben und die Preise nach wie vor explodieren. Ehrlich gesagt ist das auch der Grund, wieso wir angekündigt haben – und das hiermit auch tun –, dass wir Ihnen das Misstrauen aussprechen. (Ruf bei der ÖVP: Schämt euch!)

Deswegen darf ich auch gleich formell folgenden Antrag einbringen:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ver­sagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung wegen ihres Totalver­sagens in der Teuerungskrise“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden Entschließungs­antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretär:innen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Die Bevölkerung hat Ihnen das Vertrauen schon lange aufgekündigt, und wer es nicht schafft, nach zwei Jahren dafür zu sorgen, dass irgendwo in Österreich Preise fallen – im Gegenteil, im August ist die Inflation sogar noch einmal gestiegen, wir haben die höchste Inflation in Westeuropa, die dritthöchste Inflation in der gesamten Eurozone, das drittschlechteste Wirtschaftswachstum –, der hat ehrlich gesagt das Vertrauen nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin gespannt, ob ÖVP und Grüne noch immer Vertrauen in diese Bundes­regierung haben – wir haben es schon lange nicht mehr. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung wegen ihres Totalversagens in der Teuerungskrise

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11 / Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2022 (III-942/2189 d.B.)

Begründung

Seit zwei Jahren steigen die Preise enorm. Dennoch weigert sich die Bundesregierung beharrlich, wirksame Gegenmaßnahmen zu setzen. Dies zeigt sich auch deutlich im Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2022. Die Rekordinflation in Österreich hat zu unfassbaren Mehreinnahmen alleine aus der Umsatzsteuer von fast 5 Milliarden Euro geführt. Der Anstieg ist aufgrund der Schwäche des privaten Konsums fast ausschließlich auf den ungebremsten Preisanstieg zurückzuführen. Statt durch entschlossene Markteingriffe endlich unsere Leute zu entlasten, präsentiert die schwarz-grüne Koalition laufend neue Mogelpackungen. Diese sind entweder von vornherein ungeeignet, die Lage zu verbessern. Oder noch schlimmer: sie heizen das Problem sogar weiter an.

Die Bilanz der schwarz-grünen-Regierung ist katastrophal:

•          Österreich ist seit acht Monaten das Land mit der höchsten Inflationsrate in Westeuropa – im Sommer ist die Inflationsrate sogar noch einmal gestiegen.

•          Der Durchschnittshaushalt gibt mittlerweile 500 € pro Monat für den Lebensmitteleinkauf aus. Das sind um rund 1.000 € mehr pro Jahr als die Deutschen.

•          Österreich ist das Land mit der drittschlechtesten Wirtschaftsentwicklung in der gesamten Eurozone.

•          Ein Drittel der Menschen in Österreich beklagt Einkommensverluste.

•          Jede:r Vierte kann sich das Wohnen nicht mehr leisten.

•          760.000 Menschen sind nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen.

•          Ein Drittel der Österreicher:innen konnte sich heuer keinen Urlaub leisten.

Die höchste Inflationsrate in Westeuropa ist kein Zufall. Sie ist hausgemacht. Seit zwei Jahren warnt die SPÖ vor dieser Entwicklung. Hochrangige Vertreter:innen der Regierungsfraktionen haben dies als „Inflationshysterie“ abgetan. Über Vorschläge der SPÖ für Markt- und Preiseingriffe – wie in anderen Ländern –  wurde von der Regierungsbank herab gespottet.

Image

Die „Maßnahmen“ der Koalition blieben unterdessen wirkungslos: Die Einmalzahlungen sind verpufft, das Preisniveau bleibt hoch und die Preise steigen immer weiter. Die SPÖ hat die Regierungsparteien deshalb vor dem Sommer aufgefordert, das Parlament nicht in die Sommerpause zu schicken. Die SPÖ wollte nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen und endlich einen gemeinsamen, breit getragenen Plan zur Entlastung auf den Weg zu bringen. Der Antrag wurde von der Koalition aber abgelehnt. Im Regierungsurlaub ist zwei Monate lang nichts geschehen. Das erwartbare und traurige Ergebnis: Auch im August war Österreich das Land mit der höchsten Inflationsrate in Westeuropa. Die Teuerung ist sogar erneut auf 7,4% gestiegen.

Das Versagen der Bundesregierung bedroht mittlerweile auch die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Frieden: Mittlerweile steigt jeden Monat die Arbeitslosigkeit. Der Einzelhandel verzeichnet in Österreich ein reales Minus, weshalb immer mehr Einzelhändler Konkurs anmelden müssen. Der Grund: Die Öster­reicher:innen müssen sich in ihrem Konsum auf die wesentlichen Dinge des Lebens beschränken: Wohnen, Nahrungsmittel und Energie. Das Wirtschaftswachstum stagniert, eine Rezession steht vor der Tür.

Die Daten der Statistik Austria zeigen eindeutig, dass es unseren Leuten schlicht und einfach an allen Ecken und Enden an Geld fehlt:

Im ersten Halbjahr 2023 ging der Konsum im österreichischen Einzelhandel deutlich zurück. Insgesamt ist der Einzelhandel real um 3,8% geschrumpft. Rechnet man den Lebensmittelbereich heraus, ist der Einzelhandel in Österreich sogar um 5,4% zurückgegangen. Der reale Konsum schrumpft laut den Wirtschaftsforscher:innen des Wifo ebenfalls. Die Menschen konsumieren heute also bereits weniger als vor einem Jahr.

Der Grund ist eindeutig: Die Rekordinflation in Österreich. Und für diese trägt die alleinige Schuld die Bundesregierung. Sie sieht tatenlos zu, wie unseren Leuten von Lebensmittelkonzernen und Spekulant:innen das Geld aus der Tasche gezogen wird. Demgegenüber stehen x-fache Beispiele aus anderen Ländern, wie mit entschlos­senen Markteingriffen mit großem Erfolg gegengesteuert wurde:

•          In der Schweiz sind Energiepreise für Haushalte reguliert und orientieren sich an den Herstellungskosten. In Österreich schreiben die Energiekonzerne auf Kosten unserer Leute weiter Rekordgewinne.

•          In Frankreich wurden die Mieten wirksam gedeckelt. In Österreich verdienen sich Immobilienspekulant:innen am Leid der Mieterinnen und Mieter eine goldene Nase.

•          In Deutschland hat man die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt und gleichzeitig einen Energiepreisdeckel eingeführt in anderen Ländern wurde die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gesenkt oder gänzlich gestrichen. In Österreich erhalten die Energiekonzerne noch zusätzliche Förderungen.

Möglichkeiten hätte es genug geben. Doch die schwarz-grüne Bundesregierung war entweder unwillig oder unfähig. Diesen Luxus einer überforderten Regierung kann sich unser Land schon lange nicht mehr leisten: Denn das Nichtstun der Regierung hat weitreichende Folgen für die Menschen, aber auch den Wirtschafts­standort. Ausbaden müssen dies nun unter anderem die Sozialpartner bei den anstehenden Lohnverhandlungen.

Die schwarz-grüne Bundesregierung hat zum wiederholten Male alle Warnungen der Opposition ignoriert. Eine Sondersitzung zur Teuerung ist ohne Ergebnis verstrichen, weil die Regierung keinen einzigen Vorschlag zur Preissenkung der SPÖ aufgegriffen hat. Man hat einen „Schmähpreisdeckel“ präsentiert, den man der Bevölkerung als Mietpreisdeckel verkauft. Es ist ein Deckel der über der pro­gnosti­zierten Inflations­rate liegt. Die Mieten sind bereits um 25% gestiegen. Statt die Steigerungen zurückzunehmen, schlägt die Regierung vor, dass die Mieten in den nächsten drei Jahren wieder um bis zu 15% erhöht werden.

Die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen hat mehrfach bewiesen, dass sie nicht in der Lage oder willens ist, die Teuerungskrise im Sinne der Menschen und des Wirtschaftsstandortes erfolgreich zu bekämpfen und die Inflation zu dämpfen. Die Inflation steigt, die Wirtschaft schrumpft und die Konzerne schreiben Rekordgewinne, während immer mehr Menschen in Österreich nicht wissen, wie sie mit ihrem Einkommen das Auslangen finden. Österreich kann sich eine Regierung des Nichts­tuns, des Streits und der gegenseitigen Blockade in dieser Situation nicht mehr leisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretär:innen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt."

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Misstrauensantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Oh, Verzeihung, Mag. Andreas Hanger gelangt zuerst zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.