13.40

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier über eine notwendige Novelle des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes. Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Gesetz in Teilen aufgehoben, und uns liegt nun eine Novelle, ein Reparaturversuch der Bundesregierung dieses Gesetzes vor.

Um es kurz zusammenzufassen: Wir werden dieser Novelle nicht zustimmen, und zwar aus folgendem Grund: Dieses gesamte Gesetz und auch die Zielsteuerungsvereinbarungen, die der Bund mit den Ländern geschlossen hat, erfüllen nicht einmal ansatzweise die Vorgaben und Ziele, zu denen sie ursprünglich implementiert worden sind. Deshalb lehnen wir auch diese kleine Reparatur, die heute hier debattiert wird, grundsätzlich ab und verweisen darauf, dass es schon längst notwendig wäre, dieses gesamte Regelsystem im Rahmen des Finanzausgleichs und der Zielsteuerung-Gesundheit neu aufzusetzen.

Dass dieses System gescheitert ist, sage nicht nur ich. Wir hatten ja im letzten Gesundheitsausschuss – Herr Minister, Sie wissen das, Sie waren dabei – die Monitoringberichte der Landeszielsteuerungskommissionen vorliegen und haben diese debattiert. Was da drinnen gestanden ist, das war mehr als ernüchternd, das war katastrophal, denn kein einziges der groß proklamierten Ziele wurde erreicht: Weder wurde die Versorgung im niedergelassenen Bereich verbessert – die Versorgungsdichte durch Kassenärzte hat immer weiter abgenommen – noch konnte die Inanspruchnahme der Spitäler reduziert werden; nein, der Drang in die Spitalsambulanzen und in den intramuralen Bereich hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt.

Und wenn man glaubt, dass zumindest der Kostendämpfungspfad, der gleichfalls in der Zielsteuerung drinnen steht, eingehalten wird, dann wird man auch diesbezüglich eines Besseren belehrt. Am gravierendsten ist da das Beispiel des Bundeslandes Wien, das diesbezüglich ganz unverfroren ausweist, dass in den vergangenen drei Jahren der Kostendämpfungspfad, also die vorgegebene Kostensteigerung von 3,2 Prozent pro Jahr, um mehr als das Dreifache überschritten wurde.

In diese Situation, Herr Bundesminister, sind wir vor allem auch deshalb gekommen, weil diese Bundesregierung in den letzten drei Jahren den Finanzausgleich und die Vorgaben im Rahmen der Zielsteuerung-Gesundheit einfach vollkommen unkritisch weiter fortgeschrieben hat.

Wenn man Sie jetzt beim Wort nimmt, Herr Bundesminister Rauch, sieht man Folgendes: Sie haben vor einigen Monaten – im heurigen Frühling war es – gesagt, der Finanzausgleich bietet eine historische Chance, um das Gesundheits­system zu reformieren, und es wird von Ihnen keinen einzigen Cent extra geben, wenn es nicht verbindliche Zusagen, Zielvorgaben und eine Reform des Gesundheitssystems gibt.

Was ist passiert? – Vor wenigen Wochen haben Sie sich mit Finanzminister Brunner hergestellt und haben nicht die Ziele und die große Reform verkündet, sondern Sie haben einen Finanzrahmen verkündet. Die Länder wissen jetzt, sie kriegen knapp 1 Milliarde Euro mehr Geld für den Gesundheitsbereich. (Abg. Kassegger: Ein Finanzminister, der ..., das geht nicht so!) Konkrete Ziele, Verpflich­tungen, Sanktionsmöglichkeiten? – Fehlanzeige, nicht vorhanden.

Damit nicht genug zementieren Sie damit im Endeffekt auch noch die ungünstige Patientensteuerung mit ein, denn zwei Drittel der Gelder gehen wieder an die Spitäler und an die Länder für den Betrieb der Spitäler, und nur ein Drittel ist für den niedergelassenen Bereich vorgesehen – und als kleines Bonmot am Rande: Für die Sicherheit der Arzneimittelversorgung sind ganze 3 Millionen Euro vorgesehen. Ein Bereich, der von der Prioritätenreihung für die Gesundheitsver­sorgung im Gesamtbudget auch der Sozialversicherungen ungefähr gleich groß ist wie die ärztliche und Spitalsversorgung, wird da mit 3 Millionen Euro abgespeist, und das trotz der aktuellen Probleme.

Wir haben einen Antrag vorbereitet, nämlich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm, Mag. Gerald Hauser, Rosa Ecker und weiterer Abgeordneter betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“, und der hat einen sehr starken inhaltlichen Zusammenhang mit den Problemen in der Zielsteuerung-Gesundheit, denn der erste Punkt befasst sich eben mit der Evaluierung des Österreichischen Struktur­plans Gesundheit und des gesamten Stellen- und Personalbedarfs sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Spitalsbereich, und der zweite Punkt behandelt das Gehaltsproblem, die Entlohnung der Beschäftigten in diesen beiden Bereichen.

Die Evaluierung dieser beiden Bereiche ist ganz essenziell und eigentlich ausschlaggebend dafür, was Sie mit den Ländern vereinbaren sollten und wie die Gesundheitsversorgung für die Österreicher ausschauen sollte.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:

- Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens

- Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen

- Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens

- Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung

- Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung

- Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes“

*****

Sehr geehrter Herr Bundesminister, um es zusammenzufassen: Das bisherige System der Zielsteuerung-Gesundheit hat seine Aufgabe bei Weitem nicht erfüllt, man könnte sogar sagen, es ist kläglich gescheitert und es bedarf eines Neuanfangs. Dieser Neuanfang kann aber nicht so aussehen, dass wir jetzt ein zusätzliches Finanzierungssystem vom Bund über alle Ebenen drüber­stülpen, die Komplexität noch weiter erhöhen und die Steuerarbeit noch weiter verschlechtern, sondern wir brauchen da tatsächlich einen Neustart.

Lösen Sie Ihr Versprechen ein! Machen Sie das, was Sie im Frühling angekündigt haben, und kübeln Sie den ganzen Rest, den Sie jetzt vorhaben! Das österreichische Gesundheitssystem und die Patienten und Versicherten hätten es verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm, Mag. Gerald Hauser, Rosa Ecker MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend 6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels

eingebracht im Zuge der Verhandlung über Top 9.) Bericht des Gesundheits­ausschusses über die Regierungsvorlage (2207 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – (G-ZG) geändert wird (2225 d.B.) in der 233. Sitzung des Nationalrats am 18. Oktober 2023.

Der Bund und die gesetzliche Krankenversicherung haben gemeinsam mit den Ländern, im Rahmen derer kompetenzrechtlichen Zuständigkeiten, die integrative partnerschaftliche Zielsteuerung-Gesundheit für die Struktur und Organisation der österreichischen Gesundheitsversorgung fortzuführen und weiterzuentwickeln.

Die Konkretisierung dieser Zielsteuerung-Gesundheit hat auf Grundlage vergleich­barer wirkungsorientierter qualitativ und quantitativ festzulegender Versorgungsziele, Planungswerte, Versorgungsprozesse und -strukturen und Ergebnis- und Qualitäts­parameter zu erfolgen. Darauf aufbauend ist als integraler Bestandteil die Finanzzielsteuerung fortzuführen und weiterzuentwickeln. (§ 1 Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit 2017)

Gerade im Spitalsbereich haben sich seit 2012 mit der Einführung der EU-Arbeits­zeitrichtline die Bedingungen für Ärzte und Gesundheitspersonal zum Negativen gewendet. Die Corona-Krise und der Umgang der Regierung mit den Spitals­mitarbeitern hat ihr Übriges dazu getan, dass eine Selbstkündigungswelle folgte, Pflegekräfte in andere Berufe abwanderten und viele ältere Beschäftigte vor­zeitig in die Pension drängten.

Die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem medizinischen Personalmangel lassen sich in drei Bereiche einteilen: Personalmangel, die Leistungsebene sowie Komplexität von Finanzierung und Entscheidungskompetenz.

Im Bereich Personal müssen die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und die strukturellen Probleme gelöst werden. Dazu müsste für eine ordentliche Personalplanung der österreichische Strukturplan Gesundheit evaluiert werden, ebenso wie die regionalen Strukturpläne. Aber auch die überbordende Dokumentationspflicht und bürokratische Dauerbelastungen verschärfen die Situation. Bezüglich der Arbeitszeiten im Gesundheitswesen braucht es mehr Planungssicherheit für die Beschäftigten mit verbesserter Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Der Pensionierungswelle könnte man kurzfristig durch Anreize zur Weiterbe­schäf­tigung und eine temporäre Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzte entgegenwirken. Besonders rasch wäre auch eine Integration der Wahlärzte in das öffentliche Gesundheitssystem mit einer Möglichkeit der „Doppeltätigkeit“ als Wahl- und Kassenarzt wirksam. Mittelfristig können bundesweit einheitliche Stipendien für Medizinstudenten eine Lösung sein, durch die sich junge Ärzte zur Annahme einer Kassen- oder Spitalsstelle verpflichten. Angepasste Ausbil­dungskapazitäten bei den Fachärzten, Anreize für Mangelfächer und ein Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin stellen weitere richtige Schritte dar.

Die strukturelle und personelle Leistungsebene bezieht sich auf den Umstand, dass das österreichische Gesundheitswesen in den letzten Jahren immer „spitals-lastiger“ geworden ist. Die Zahl der Primärversorgungszentren, die für Entlastung sorgen könnten, ist aber noch immer weit davon entfernt, Kapazitäten aus den Spitälern übernehmen zu können, hinzu kommt ein weiter schwindender Anteil an kassen­ärztlichen Ordinationen. Es bedarf aber auch einer Ausweitung und Aufwertung der Kompetenzen aller Gesundheitsberufe, um eine größere Akzeptanz und eine Entlastung der jeweiligen höherwertigen Berufe zu schaffen. Wir benötigen auch eine Lenkung der Patientenströme in die richtige Richtung, nämlich in die Gesundheits­versorgung vor Ort in den niedergelassenen Bereich, um eben die Spitäler zu entlas­ten.

Der Versuch einer Lenkung der Finanzierung des Gesundheitssystems ist in den letzten Jahren über die Landeszielsteuerung und 15a-Vereinbarung mit mäßigem Erfolg unternommen worden. Für eine effiziente Mittelverwendung und Lenkung der Patientenströme bedarf es einer Verknüpfung der Finanzierung und der Entschei­dungskompetenz. Durch die föderalen Strukturen erscheint das aber fast unmöglich zu sein. Aber nur eine Finanzierung aus einer Hand wäre langfristig die effizienteste Möglichkeit, die Steuerbarkeit des Gesundheitssystems herzustellen und die vorhandenen Mittel bestmöglich einzusetzen.

Was es jetzt braucht, ist ein umsetzungstauglicher Maßnahmenkatalog, der folgende Eckpunkte umfasst:

1.         Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens

•          Überarbeitung des regionalen Strukturplan Gesundheit mit Priorität auf „Niedergelassene Versorgung“ und Reduktion der Abweichungstoleranz von 30 % auf 15 %

•          Einheitliche Festlegung des Personalschlüssels für Spitäler

•          Berücksichtigung von Pensionswelle und Ausbildungskapazitäten

2.         Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen

•          Auszahlung geleisteter Überstunden

•          Auszahlung der vollen versprochenen Pflegeprämie und Erweiterung des Bezieherkreises – SV- und steuerfrei!

•          Verbesserung aller Gehaltschemata und Anrechnung von Vordienstzeiten

3.         Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsbildern des Gesundheitswesens

•          Abbau administrativer Tätigkeiten, ggf. Verlagerung ins Sekretariat

•          Überarbeitung der Berufsbilder à Anerkennung und Aufwertung der Tätigkeit

•          FA Allgemeinmedizin à „Einzelträger“- PVE

4.         Weiterbeschäftigung älterer Ärzte und Erweiterung der Ausbildung

•          Weiterbeschäftigung schafft Zeit für adäquate Ausbildung

•          Aufhebung der 70-Jahre-Grenze für Kassenärzte

•          Zusätzliche Ausbildungsstellen und temporäre Aufhebung der Ausbilder-Quote

•          Bedarfsorientierte Festlegung der Studienplätze

5.         Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung

•          Schnellste Möglichkeit, mehr Studienabsolventen in das öffentliche Gesundheitssystem zu bekommen

•          Bundesweit einheitlich, um Bieter-Wettbewerb zu verhindern und Planbarkeit zu gewährleisten

•          Bindet Absolventen der österreichischen Medizin-Unis, die besser in das bestehende System integrierbar sind als Auswärtige

6.         Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem, Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbots

•          Sofort versorgungswirksam, da Qualitäten und Infrastruktur vorhanden

•          ½ und ¼-Verträge zusätzlich zur Wahlarzttätigkeit

•          Ermöglichung z.B. Kasse – Allgemein Arzt und FA Wahlarzt und umgekehrt

•          (4.208 Ärzte mit Doppelqualifikation!)

Darüber hinaus sind auch mittel- und langfristige Reformschritte notwendig:

Langfristige Reform des Gesundheitssystems

•          Ausbau der wohnortnahen Versorgung: Hausarzt, PVZ NEU, Facharzt, Pflege

•          Spezialisierung der Spitäler

•          Ausbau von Pflege und Reha

•          Patientenlenkung (primär durch Positiv-Anreize)

•          Fortsetzung der SV-Reform, Hebung der Potentiale

•          Finanzierung aus erster Hand, gegenüber Zwischenschritten

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:

•          Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens

•          Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen

•          Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens

•          Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung

•          Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung

•          Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.