21.05

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wer schulpflichtige Kinder hat oder hatte, weiß, dass so ein Schulstart eine finanzielle Belastung für viele Familien ist, so auch dieses Jahr: Die Schulartikel sind gegenüber 2022 um 10 Prozent teurer geworden. Auch die Nachhilfe belastet immer mehr Familien in Österreich: Eine Studie der Arbeiterkammer hat ergeben, dass die Eltern im Schuljahr 2022/2023 121 Millionen Euro für die Nachhilfe ausgegeben haben.

Die Regierung rühmt sich, dass das Schulstartgeld von 100 Euro auf 105,80 Euro erhöht wurde, also um 5,80 Euro für die Familien, für die betroffenen Kinder. Wollte man die Teuerung abfangen, müsste es mindestens 110 Euro betragen.

Bei der Sozialberatung der Arbeiterkammer tritt das Problem auf – ich nenne es eine Tragödie –, dass immer mehr Kinder Wochen nach Schulbeginn weder eine Schultasche haben noch wichtige Unterrichtsutensilien besitzen. Wir wissen auch, dass die Folgen der Teuerung längst den Mittelstand erreicht haben und diesen belasten. Wenn der österreichische Bundeskanzler meint, dass man doch nur statt in Teilzeit ganztags arbeiten gehen solle, dann muss man eindeutig klarstellen: Die meisten Betroffenen haben keine Wahl, vor allem in ÖVP-regier­ten Bundesländern, wo es keine elementarpädagogischen Bildungseinrich­tun­­gen gibt, die ganztägig, ganzjährig und gratis sind, und sind mit dieser Situation völlig überfordert. (Abg. Hörl: ... denn du?)

Die Kinderarmut in Österreich greift um sich, das hat auch die Volkshilfe dokumentiert, und ich möchte auch die Aussagen des Bundeskanzlers bezüglich warmer Mahlzeiten für betroffene Kinder bei einer Fast-Food-Kette nicht näher kommentieren. Ich kann nur so viel sagen: Die ÖVP empfiehlt armutsbetrof­fenen Kindern billiges Fast-Food-Essen, die SPÖ will für jedes Kind ein Recht auf ein warmes und gesundes Mittagessen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gratis Mittagessen für Kinder an Kindergärten und Schulen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert alle notwendigen Schritte zu setzen, um österreichweit allen Kindern an elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen sowie Schulkindern ein kostenfreies, gesundes, qualitativ hoch- und vollwertiges Mittagessen anbieten zu können. Den jeweiligen Trägern von elementarpäda­gogischen Bildungseinrichtungen sowie den Schulerhaltern sind dabei seitens des Bundes die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.“

*****

Zum Schluss möchte ich, aufgrund dieses Videos, das viral ging, in dem der Bundeskanzler in einer Vinothek über arme Menschen sein Urteil fällt, nur sagen, dass die Österreicherinnen und Österreicher von einem Kanzler regiert werden sollten, der die Menschen mag, sie respektiert und nicht verachtet (Rufe bei der ÖVP: Doskozil! Bla-bla-Babler!), und das gilt vor allem, wenn es um die Perspektiven und die Zukunft unserer Kinder geht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Tanzler, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

Betreffend gratis Mittagessen für Kinder an Kindergärten und Schulen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 30 Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3593/A(E) der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Teurer Schulstart (2216 d.B.)

“Ich bin weltoffener Christdemokrat. Ich bin jemand, der die Zukunft Österreichs engstens mit der Zukunft Europas verbindet. Ich stehe für die Mitte und den sozialen Zusammenhalt in der Mitte”. Das ist einer der Gründe, die Othmar Karas letzte Woche dafür nannte, warum er nicht mehr für die ÖVP bei der anstehenden Europawahl kandidieren wolle. Er machte damit unmissverständlich klar: der Kurs der ÖVP hat nichts mehr mit diesen Wertehaltungen zu tun. Karas sieht in der Volkspartei keine Heimat mehr und bestätigt offen, dass jede Stimme für die ÖVP eine Stimme für ein schwarz-blaues Österreich ist.

Was wir in der Sozialdemokratie Solidarität nennen, bezeichnen Christlich-Soziale als Nächstenliebe. Beide meinen damit, dass breite Schultern mehr tragen und im gesellschaftlichen Zusammenhalt die größte Kraft liegt. Uns eint die tiefe Überzeu­gung, dass die Werte, die wir privat unseren Kindern weitergeben, auch für ganz Österreich gelten sollen: Dass wir jemandem die Hand reichen, wenn er stürzt und nicht auf ihn herabschauen. Weil man weiß, dass im Gemeinsamen und im gesellschaftlichen Zusammenhalt eine große Kraft liegt.

Christlich-Soziale haben in der Vergangenheit allerdings in der ÖVP viel ertragen müssen. Diese hat den ur-österreichischen Anspruch aufgegeben, dass wir einander nicht egal sind in Österreich, sondern aufeinander schauen. In SMS-Nachrichten konnten alle Österreicher:innen bereits in hässlichen Worten nachlesen, dass sich die ÖVP als Lobbyorganisation für die Superreichen versteht.

Vor kurzem kam nun der Tropfen, der das Fass für viele von Ihnen zum Überlaufen gebracht hat. In einem Video äußert sich Bundeskanzler und ÖVP-Bundespartei­vorsitzender Karl Nehammer verächtlich über Frauen, die in Teilzeit arbeiten, um ihre Kinder zu betreuen. Er empfiehlt Hamburger als warmes Mittagessen für armutsbetroffene Familien. Er macht vor seinen Parteifreunden klar: die ÖVP möchte niedrigere Löhne für die arbeitenden Menschen.

Das haben sich die Österreicherinnen und Österreicher nicht verdient. Österreich sollte von einem Kanzler regiert werden, der die Menschen mag, sie respektiert und nicht verachtet. Das gilt vor allem dann, wenn es um die Perspektive und Zukunft unserer Kinder geht. Kanzler Nehammer hat völlig empathielos, menschenverachtend und abgehoben über eine traurige Tatsache geurteilt, für die er obendrein noch selbst verantwortlich ist. Nämlich, dass in Österreich jedes fünfte Kind von Armut bedroht ist, obwohl Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist. Tendenz steigend. Denn Österreich hat immer noch die höchste Inflationsrate in ganz Westeuropa, die Teuerung ist in Österreich so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Immer mehr Menschen arbeiten immer härter und können sich trotzdem das Leben kaum noch leisten. Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Teuerung völlig versagt. Es wäre die Aufgabe dieser Bundes­regierung, den Wohlstand zu schützen und steigende Armut zu verhindern. Türkis-Grün hat es jedoch im gesamten letzten Jahr nicht verstanden, Maßnahmen zu setzen, um die Rekordteuerung in Österreich zu drücken. Gerade die Lebensmittel­preise sind in den letzten Monaten massiv angestiegen.

Das verdeutlicht auch eine neu erschienene Studie des NPO-Kompetenzzentrum an der Wirtschaftsuniversität Wien. Inflation und Armut haben beispielsweise die Nachfrage nach der kostenlosen Lebensmittelhilfe der Tafel Österreich drastisch erhöht – alleine im Vorjahr um bereits 40 Prozent.

Familien mit mehreren Kindern, Armutsbetroffene, Alleinerziehende und Geringver­diener:innen haben mit den stark gestiegenen Preisen besonders zu kämpfen. Inzwischen hat sich die Situation bereits so weit verschärft, dass selbst die Ernährung betroffen ist. Schilderungen aus der Sozialberatung der Volkshilfe lassen die Dramatik erkennen, wenn Eltern das Geld für eine gesunde, ausgewogene Ernährung ihrer Kinder fehlt. Jeden Tag eine warme Mahlzeit zur Verfügung zu haben, ist für sie nicht selbstverständlich. Genau diese Menschen verachtet die ÖVP und Kanzler Nehammer, obwohl er und seine Partei eigentlich seine eigene Politik verachten sollte, die Menschen in den Ruin treibt und die Perspektiven hunderttausender Kinder ruiniert.

Ein gesundes Essen ist in der frühkindlichen Entwicklung auch aus gesundheitspoliti­schen Gründen wichtig. Der Schulbesuch ist gratis, auch die Schulbücher wurden unter Kreisky gratis, weil eine gute Bildung für Kinder die Voraussetzung für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist und dem Staat später Kosten in der Arbeitslosigkeit erspart. Dasselbe gilt aber für ein gesundes Essen. Auch hier spart man sich langfristig Kosten im Gesundheitssystem. Es gibt damit aber auch mehr Zeit für Eltern und Kinder. Für den Job bei den Eltern, aber auch für das gemeinsame Familienleben und es gibt nichts wichtigeres als gemeinsame, stressfreie Zeit mit den Kindern.

Neben der physischen ist aber auch die soziale Dimension von Ernährung in den Blick zu nehmen. Kostenlose, hochwertige Mittagessen in der Schule führen letztendlich zu einem um drei Prozent höheren Lebenseinkommen. Dies besagt eine in „The Review of Economic Studies" veröffentlichte Studie der Universitäten Lund und Stockholm (Schweden führte schon in den 1940er-Jahren ein kostenloses Schul­mittagessen ein, Finnland zog nach). Das Gratis-Essen fördere demnach die Gesund­heit und führe zu einer besseren Bildung, inklusive mehr Studienanfänger:innen. Kinder aus ärmeren Familien profitieren besonders stark.1

Es lässt sich somit sagen, dass aus medizinischer, ernährungswissenschaftlicher, sozialer und pädagogischer Sicht, ein kostenfreies, qualitativ hoch- und vollwertiges Mittagessen eine wichtige Rolle für die Gesundheit, aber auch für den Bildungs- und Lernerfolg spielt.2

Um die Ernährungssituation der Kinder in Österreich zu verbessern und in Anbetracht der zu erwartenden Verschlechterung der Situation aufgrund der allgemeinen Teuerung, braucht es dringend Maßnahmen vonseiten des Bundes. Der kostenfreie Zugang zu einem qualitativ hoch- und vollwertigen Mittagessen wäre hierfür ein umsetzbarer erster Schritt.

Derzeit befinden sich in ganz Österreich rund 1 Mio. Kinder in Kinderbetreuung, Volksschulen oder in der Unterstufe. Die Kosten für ein österreichweites gesundes Mittagessen für Kinder betragen damit etwa 900 Mio. €. Das ist weniger Geld, als die schwarz-grüne Regierung für die Senkung von Konzernsteuern pro Jahr ausgegeben hat. Hier zeigt sich klar, wer für wen Politik macht. Mit der Rücknahme der Senkung der Konzernsteuern könnte ein Gratismittagessen ohne Probleme finanziert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert alle notwendigen Schritte zu setzen, um österreichweit allen Kindern an elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen sowie Schulkindern ein kostenfreies, gesundes, qualitativ hoch- und vollwertiges Mittagessen anbieten zu können. Den jeweiligen Trägern von elementarpädago­gischen Bildungseinrichtungen sowie den Schulerhaltern sind dabei seitens des Bundes die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.“

1 Gratis-Schulessen erhöht Lebenseinkommen (pressetext.com)

2 Richtlinien in Europa - Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (nqz.de)

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Martina Kaufmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.