9.44

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich hier so zugehört habe, auch bei Ihrer Budgetrede gestern, habe ich mir gedacht: Einer der brutalsten Jobs in dieser Republik nächstes Jahr ist der des Finanzministers oder der Finanzminis­terin, denn was Sie hier machen, ist, was wir auch schon gehört haben: Hinter uns die Sintflut, alles in die Zukunft verschieben! Und der zukünftige Finanzminister oder die zukünftige Finanzministerin muss einmal einen Besen nehmen und das zusammenkehren, was Sie an Scherben verursacht haben, auch und gerade mit diesem Budget. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Klubobmann Wöginger hat einen Appell an uns gerichtet und hat gemeint, man würde dieses Schauspiel hier sehen, die Regierungsparteien würden das Budget loben und die Oppositionsparteien – naturgemäß, haben Sie gesagt – nur kritisieren. Aber wie wäre es, wenn Sie sich an der Objektivität und an der Wahrheit orientieren würden? Faktum ist: Ihr Budget wird auch von sämtlichen Expertinnen und Experten in der Luft zerrissen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Das stimmt ja nicht!) Natürlich gibt es einzelne positive Aspekte, aber der Tenor sämtlicher Experten ist völlig klar: Das ist zukunftsvergessen, Sie schieben alle Probleme in die Zukunft hinein und hinterlassen unseren Kindern einen Schuldenrucksack, der verantwortungslos ist. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Finanzminister, Sie haben gestern ein paarmal den Hausverstand erwähnt. Sie haben immer gesagt: sagt der Hausverstand, sagt der Hausverstand. Ich habe mir dabei nur gedacht: Bitte, wir sind ja nicht in einer Supermarktwerbung, sondern wir sind hier bei einer sehr ernsten Angelegenheit, beim Budget. – Wie wäre es mit finanzpolitischer Kompetenz statt Hausverstand? Wie wäre es mit wirtschaftspolitischer Vernunft statt Hausverstand? Wie wäre es mit wirklich zukunftsgerichteter Politik anstatt dessen, was Sie Hausverstand nennen? (Beifall bei den NEOS.)

Wie soll man optimistisch sein? Ich habe das gestern auch in den sozialen Medien geteilt. Da kriegt man die Budgetpräsentation (einen Ausdruck in die Höhe haltend): „Mit Optimismus für Österreich: Wohlstand erhalten. Zukunft gestalten.“, und dann kommt das (einen Ausdruck mit einem Säulendiagramm in die Höhe haltend): die größten Schulden, die es in diesem Land je gegeben hat. Sie werden am Ende dieser Periode, Ihrer gesamten Regierungszeit ein unglaubliches Ausmaß von 105 Milliarden Euro Schulden hinterlassen – Ihren Kindern, meinen Kindern, den Jungen, allen Kindern in diesem Land und auch noch den Enkelkindern.

Ihre Rhetorik mag eine andere sein. Als ich Ihnen gestern zugehört habe, habe ich teilweise den Eindruck gehabt, Sie reden möglicherweise über ein anderes Budget, aber nicht über das Budget, das Sie uns hier vorlegen: diese tiefroten Zahlen. Sie üben sich in ein bisschen Rhetorik, geben Interviews wie Maggie Thatcher, aber das, was Sie vorlegen, was Sie hier machen, das ist brutal Hugo Chávez und nichts anderes – Dr. Jekyll and Mr. Hyde als Finanzminister. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Die Frau Herr wird sich freuen!)

Allein die Zinszahlungen, die unser Land für die Schulden wird tätigen müssen, belaufen sich auf 10 Milliarden Euro. Es kommen wie gesagt – es ist schon angesprochen worden – immer neue Schulden dazu.

Ich frage Sie jetzt ganz ernsthaft: Wo ist da die Zukunft? Was machen Sie konkret an Zukunftsinvestitionen? – Was Sie hier machen, ist das, was Sie die letzten Jahre gemacht haben. Es ist angesprochen worden: Aufgrund einer wirklich schlechten Coronapolitik mit unglaublich vielen Lockdowns, die so keine anderen Länder gemacht haben und die die Wirtschaft ruiniert haben, haben Sie dann gesagt: Euch wird gegeben werden! Ihr Vorgänger hat in einem Interview wie ein feudaler Gutsherr gesagt: Euch wird gegeben werden!, und Sie haben das Motto „Koste es, was es wolle“ ausgerufen. Seitdem, seit Jahren machen Sie in der Bundesregierung nur eines: Sie bewerfen jedes Problem, das Sie sehen, mit Geld. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt ein Problem in der Bildung – Geld; ein Problem da – Geld: Förderung, Förderung, Förderung, Förderung; aber strukturell, das heißt, dass Sie die Menschen entlasten, die Wettbewerbsfähigkeit stärken, die Wirtschaftskraft unseres Landes stärken, was jetzt so dringend notwendig wäre, dazu findet sich kaum etwas in diesem Budget. Ich zeige Ihnen das auch einmal ganz kurz (einen Ausdruck mit einem Säulendiagramm in die Höhe haltend) – abgesehen davon, dass Sie sich selber immer rühmen, dass wir das dritthöchste Volumen bei den Antiteuerungsmaßnahmen haben; man könnte das auch bei den Coro­namaßnahmen sagen –: Wir befinden uns hier in einer Gruppe von Ländern wie Griechenland, Polen, Ungarn, Portugal. Was ist eigentlich mit den Ländern, mit denen wir uns vergleichen wollen – Dänemark, Schweden, vielleicht auch Deutschland? – Deutschland hat nicht annähernd so viele Teuerungshilfen ausgezahlt und hat nicht annähernd so eine hohe Inflationsrate.

Sie wirtschaften unser Österreich sukzessive ab und katapultieren uns damit in ein Feld, in dem wir wirklich nicht sein wollen: mit Polen, mit Griechenland, mit Ungarn – anstatt dass wir sagen: Österreich könnte das Land in der Mitte Europas sein, das den skandinavischen Weg geht, den übrigens viele sozialde­mokratische Regierungen gegangen sind. (Beifall bei den NEOS.)

Auch was das Thema Strukturmaßnahmen betrifft – ich habe mir das ange­schaut; Sie haben ja das in dieser Budgetpräsentation gestern geschickt –: Kurzfristige Maßnahmen – und siehe da, noch heuer überwiegen kurzfristige Maßnahmen. Es ist schon gesagt worden: Das verpufft, das landet ja nicht nachhaltig in der Geldbörse der Menschen. Die wollen mehr Netto vom Brutto haben, die wollen, dass ihnen der Staat, der Finanzminister nicht so viel Geld aus der Tasche zieht. Sie aber haben ihnen Gutscheine gegeben, Boni gegeben – das verpufft alles!

Dann sind da strukturelle Maßnahmen angeführt – ja, die Abschaffung der kalten Progression, aber wir erinnern uns: nicht zu 100 Prozent abgeschafft, und noch einmal, es ist keine Entlastung, die Menschen zahlen nicht weniger Steuern. Sie verzichten nur darauf, dass die Menschen, durch die Inflation getrieben, zukünftig mehr Steuern zahlen. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Dann führen Sie die Valorisierung der Sozialleistungen an. Das ist durchaus eine gute Sache, strukturell ist das aber nur eines: Ausgaben treibend. Das heißt, es ist überhaupt keine strukturelle Reformmaßnahme, die in irgend­einer Weise dafür Sorge trägt, dass unsere Kinder wirklich alle Chancen haben.

Ein Thema muss ich ansprechen, und das ist natürlich die Frage der Ausgaben für die Pensionen. Wir alle wollen, dass alle Menschen, und übrigens auch noch unsere Kinder und Enkelkinder, sich darauf verlassen können, dass sie im Alter eine ordentliche Absicherung haben. Was haben meine Kinder davon, was haben die Kinder in unserem Land davon, dass sie jetzt von den Grünen als Wahl­zuckerl, an dem die Steuerzahler ersticken werden, um insgesamt – Gesamtkos­ten – 0,5 Milliarden Euro ein Klimaticket geschenkt bekommen, wenn sie keine ausreichenden Bildungschancen haben, wenn sie keine ausreichenden Ausbildungschancen haben, wenn sie zu viel an Steuern zahlen, wenn sie wissen, dass sie sich nichts mehr aufbauen können (Abg. Schwarz: Jeder Euro in Klimaschutz ist ...!), dass sie nur schwer in der Lage sein werden, den Wohlstand der Eltern und Großeltern irgendwie zu erwirtschaften? Die meisten Jungen sagen darauf ja: Ich bin sicher, ich kriege keine Pension mehr! (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Matznetter.) Das ist eure zukunftsorientierte Politik für Achtzehnjährige? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Maurer: Das ist das, was dich am meisten aufregt!) – Um 0,5 Milliarden Euro, wobei ihr uns ein Defizit von 20 Milliar­den Euro hinlegt, gutscheinmäßig das Klimaticket zu verschenken? (Zwischenruf des Abg. Schwarz.)

Ich finde das Klimaticket super, aber es ist ein Verkaufsschlager! Wie kommen meine Kinder dazu, dass sie das finanziert bekommen, als Wahlgeschenk in einem Wahljahr? (Abg. Kickl: Müssen sich die Alten auch tätowieren lassen?) Ich finde das wirklich verantwortungslos!

Seit fast 25 Jahren ist jetzt die ÖVP für die Politik, insbesondere auch die Politik im Finanzministerium, verantwortlich. Was Sie uns hinterlassen – denn ich gehe davon aus oder ich hoffe, dass die ÖVP nicht mehr den Finanzminister stellen wird –, verursacht einen wirklich atemberaubenden Zukunftsraub. Das ist, was passiert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schmuckenschlager und Kirchbaumer.) Dringend nötige Reformen, die auch die Leistungen für die Menschen besser machen würden, bleiben auf der Strecke. (Abg. Wöginger: Pensionskürzungen – ja, was willst denn? – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Ich möchte an noch etwas erinnern, was Sie gestern gesagt haben: Sie haben selber angesprochen, dass dieses Aufstiegsversprechen in Österreich nicht mehr zählt, und das ist fatal, wenn ein großer Teil der Menschen sagt: Ich kann mir eigentlich in diesem Land durch meine eigene Leistung und Arbeit nichts mehr aufbauen, ich kann mir kein Eigentum schaffen!, et cetera. – Sie haben aber nicht gesagt, was Sie zu tun gedenken. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Der einfachste Weg, das zu tun, ist, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Wirtschaft zu stärken, vor allem den Menschen mehr Geld in der Tasche zu lassen (Abg. Schnabel: Genau das machen wir!) und sie wirklich nachhaltig – nachhaltig! – zu entlasten und zu schauen, dass die Steuern auf Arbeit auf deutlich unter 40 Prozent kommen. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das ist nämlich eine Möglichkeit, wie man wieder mehr Netto vom Brutto hat (Abg. Michael Hammer: Wird Zeit, dass der Schellhorn kommt ... Wirtschaftskompetenz!) und auch in der Lage ist, sich selber wieder etwas aufzubauen. (Abg. Schmuckenschlager: Da applaudiert nicht einmal die eigene Partei!)

Ich glaube, Herr Gust Wöginger hat dann am Schluss noch gesagt – nein, Sie (in Richtung Bundesminister Brunner) haben das gestern gesagt! –, es sei ja leicht, wenn man nur rede und nicht Verantwortung trage. – Wissen Sie, ich glaube, es ist hoch an der Zeit, dass Sie nicht mehr Verantwortung tragen, denn das, was Sie hier tun, ist wirklich zukunftsvergessen und verantwortungslos, und deshalb werden wir heute auch wieder unseren Neuwahlantrag debattieren. (Beifall bei den NEOS.)

9.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte sehr.