9.58

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher nicht alles schlecht im Budget, überhaupt nicht! Wenn Kollegin Maurer darauf hinweist, dass es deutlich mehr Geld für die Justiz gibt, dass es da viele Planstellen gibt und dass der befürchtete stille Tod der Justiz nicht stattfindet, dann stimmt das.

Sie könnten aber auch dazusagen, dass die größte Gefahr für die Justiz Ihr Regierungspartner ist, weil wir nämlich eine Regierungspartei haben, die seit Jahren aktiv die Justiz angreift (Abg. Lukas Hammer: Trotzdem haben wir das Justizbudget!), und einen Bundeskanzler haben, der die Arbeit der Justiz aktiv behindert, und zwar deswegen, weil die Justiz gegen die ÖVP ermittelt. (Abg. Steinacker: Geh bitte!)

Seit über einem Jahr rückt Bundeskanzler Nehammer die E-Mails aus dem Bundeskanzleramt zwischen der Kommunikationsabteilung und dem Kabinett Kurz nicht heraus. (Abg. Stöger: Das ist ja Beweisunterdrückung!) Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dieser Frage, und er rückt sie seit einem Jahr nicht heraus, und das, obwohl zwei Gerichte gesagt haben, er soll sie herausrücken.

Sagen Sie also nicht nur die halbe Wahrheit, sondern auch die andere Hälfte! (Beifall bei der SPÖ.) Ehrlich gesagt wäre der Justiz geholfen, wenn Sie dafür sorgen würden, dass der Bundeskanzler nicht die Arbeit der Justiz behindert, sondern die Justiz dabei unterstützt, wie das in einem ordentlichen Rechtsstaat der Fall sein sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, es wird etwas für den Klimaschutz gemacht: Ja, das stimmt, das sieht man auch, ein bisschen planlos, aber ja, da gibt es sehr, sehr viele gute Programme, Aufstockung der Mittel für thermische Sanierung – das kann ich sofort unterschreiben. Sagen Sie aber doch auch gleich dazu, dass wir bei den Zielen, zu denen wir uns verpflichtet haben, nämlich auf Ebene der Europäischen Union, bereits um 20 Prozent hintennach sind und sie nicht erreichen werden! (Zwischenruf des Abg. Schwarz. – Abg. Maurer: Wer war denn in früheren Regierungen?)

Wissen Sie, was das am Ende des Tages bedeutet? – Strafzahlungen in Milliar­den­höhe. Sagen Sie dazu, dass der Finanzminister, Ihr Regierungskollege, bereits den Zertifikateankauf vorbereitet – das sehen Sie nämlich, wenn Sie die Budgetunterlagen genau lesen (ein Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberichtes 2024 in die Höhe haltend). Das ist verklausuliert, aber er ist bereit, Geld in die Hand zu nehmen – nicht für Maßnahmen, sondern um uns freizukaufen, weil wir die Klimaziele nicht erreichen. – Sagen Sie dann auch immer beide Seiten dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir das Budget anschauen, dann sehen wir das Versagen der Bundes­regierung bei der Bekämpfung der Teuerung, der Inflation. Es gibt den einen Weg, den fast alle Staaten in Europa gegangen sind, nämlich die hohen Preise an der Wurzel zu bekämpfen und eine Politik zu machen, die die Preise senkt. Wir haben vor zwei Jahren vorgeschlagen, das zu tun – bei den Energie­preisen, bei den Mieten, bei den Lebensmitteln. Fast alle Länder (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!) der Europäischen Union, vor allem die vergleichbaren Länder, haben Maßnahmen gesetzt, damit die Preise nicht so stark steigen.

In Österreich ist man den Weg gegangen, dass man Geld verteilt hat, damit sich die Menschen die hohen Preise leisten können. Da ist wahnsinnig viel Geld verteilt worden, und ja, kurzfristig hat das dazu geführt, dass man sich die hohen Preise leisten konnte. Das Problem ist nur: Die Einmalhilfen gibt es halt nur einmal, die gibt es heuer nicht – für weite Teile der Bevölkerung gibt es heuer nichts (Abg. Eßl: Was ist denn mit der Valorisierung der Familienleistungen? Was ist mit der kalten Progression? Mit der ökosozialen Steuerreform?) –, aber die hohen Preise sind nicht nur geblieben, nein, sie sind weiter gestiegen. Das ist das Versagen der Bundesregierung bei der Teuerung, und das bildet sich hier im Budget ab (das Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberich­tes 2024 neuerlich in die Höhe haltend): Diese Steigerung der Ausgaben ist ja inflationsbedingt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die hohen Energiepreise haben sich nicht nur in die Volkswirtschaft hineinge­fressen, sondern auch ins Budget. Das, was Sie hier vorlegen, ist ja eigentlich in Zahlen gegossenes Versagen bei der Antiteuerungspolitik. Das ist das, was hier steht. Schauen Sie sich doch einfach die Zahlen an! Das können Sie nicht wegreden.

Der nächste Punkt, zu den Steuern: Ich habe gestern hier gesagt, dass der Beitrag der Steuern auf Arbeit und Konsum, das heißt, von 95 Prozent der Bevölkerung – Arbeitern, Pensionisten, Angestellten, Lehrern, Vertragsbediens­teten, Selbstständigen et cetera –, in den nächsten Jahren im Vergleich zu dem, was der Finanzminister vor einem Jahr gesagt hat, um 13 Milliarden Euro steigen wird und der Beitrag von Kapital und Vermögen um 13 Milliarden Euro sinken wird. Sie sagen, das verstehen Sie nicht – dann lesen Sie bitte (das Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberichtes 2024 neuerlich in die Höhe haltend) diesen Strategiebericht! Schlagen Sie Seite 72 auf, denn da wird das ganz genau dargestellt – das sind die Regierungszahlen.

Der Finanzminister legt das hier vor. Ich habe gesagt, der Beitrag der Arbeit steigt um 3 Milliarden Euro – okay, es sind 3,3 Milliarden, ich gebe zu, ich habe abgerundet. Ich habe gesagt, der Beitrag des Konsums – also wenn wir einkaufen gehen, das betrifft die breiten Massen, vollkommen egal, jede Pensionistin, jeden Lehrer, jeden kleinen Selbstständigen – beträgt 10,3 Milliarden Euro. (Abg. Michael Hammer: Ist ja positiv, wenn die Umsatzsteuer steigt!) Ich gebe zu, ich habe nur 10 Milliarden gesagt, ich habe abgerundet, weil ich halt abrunden will. Es ist in Wahrheit noch schlimmer.

Das heißt, der Steuerbeitrag der breiten Massen steigt um mehr als 13 Milliarden Euro. (Abg. Strasser: Das ist ja ein Zeichen für die Kaufkraft!) – Nein, das ist ein Zeichen für die Ungerechtigkeit des Steuersystems (Beifall bei der SPÖ – Abg. Strasser: Nein! Das ist ein Zeichen für die Kaufkraft! Sie verdrehen da die Tatsachen! – Abg. Steinacker: Er versteht’s nicht besser! – Abg. Strasser: Das ist die Konsequenz der Steigerung der Kaufkraft!) und dafür, dass Sie hier nicht Politik für die Menschen, die arbeiten gehen, machen, sondern für die, die über Kapital und Vermögen verfügen.

Schauen Sie auf die andere Seite: Was ist denn mit den Beiträgen der Konzerne? (Abg. Steinacker: Die zahlen doch auch Steuern, um Gottes willen! Tun Sie nicht immer so, als würden die keine Steuern zahlen! – Abg. Strasser: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was ist mit den Beiträgen der Millionäre? Was sind die Steuern auf Kapital und Vermögen? Im selben Bericht steht hier: 7,5 Milliarden Euro weniger Beitrag von den Konzernen als noch vor einem Jahr von Ihnen angekündigt, 2 Milliarden Euro weniger bei der KESt, 7,5 Milliarden Euro weniger bei der KöSt. (Ruf bei der ÖVP: Die Wirtschaft stagniert!) Schauen Sie die GrESt an, die ImmoESt: Das sind die Steuern auf Kapital und Vermögen, und der Beitrag aus diesen sinkt um 13 Milliarden Euro. (Abg. Steinacker: Aber Steuern zahlen wir schon vom Gewinn, oder?) Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können drauf stolz sein, dass wenige Reiche weniger Beitrag zahlen, während die vielen mehr und mehr zahlen müssen. Ich sage Ihnen aber: Das ist der falsche Weg, und das führt auch nicht dazu, dass es hier in Österreich wirtschaftlich bergauf geht. (Abg. Kirchbaumer: ... Konzerne ...! – Ruf bei der ÖVP: Also Wertschöp­fung ist ...!) Nein, wir haben bereits jetzt das schlechteste Wirtschafts­wachs­tum in Westeuropa, nämlich das höchste Minus auf der einen Seite.

Schauen Sie sich doch nur Ihren eigenen Bericht an! Sie vergleichen das mit den anderen Ländern, und wissen Sie, was man da sieht? – Ein einziges Land von den Ländern, die Sie als Regierung zum Vergleich heranziehen, macht höhere Schulden als wir – eines, alle anderen deutlich geringere. Egal – Sie vergleichen das, nicht ich. Sie vergleichen das mit Schweden, mit den Niederlanden, mit Dänemark, mit Deutschland. Die haben alle eine geringere Verschuldung. (Abg. Meinl-Reisinger: Dänemark hat 2 Milliarden Schulden gemacht in fünf Jahren, Österreich 105 Milliarden!)

Sie sagen, Sie werden in den nächsten vier Jahren 70 Milliarden Euro Schulden machen. Seit 20 Jahren bin ich hier. Ich habe noch nie ein Budget gesehen, in dem es in vier Jahren keinerlei Maßnahmen gibt und man immer bei den 3 Prozent anstreift – immer ganz knapp; ich glaube, runtergerechnet auf die 3 Prozent, auf lange Sicht. Wer weiß, ob die Zahlen überhaupt stimmen? Wir analysieren das erst im Detail (Abg. Michael Hammer: Am Renner-Institut, oder wo? Momentum-Institut? – Abg. Greiner: ... wird ja alles ..., Analyse beim Renner-Institut ...!), aber Sie lehnen sich an die 3 Prozent an und sagen: Ich halte die 3 Prozent Schuldenquote ein!

Was ist denn eigentlich mit dem ausgeglichenen Haushalt über den Konjunktur­zyklus? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei den NEOS.) Das ist ja an und für sich die Idee einer nachhaltigen Budgetpolitik. Das haben Sie alle über Bord geworfen. (Abg. Wöginger: Ein Roter, der spart, das gibt’s in der ganzen Republik nicht! – Ruf bei der ÖVP: Auf der ganzen Welt nicht! – Abg. Meinl-Reisinger: Das sollte dir zu denken geben!)

Es gibt im Maastrichtvertrag nicht nur ein einziges Kriterium, die 3-Prozent-Regel, sondern es gibt auch die Verschuldungsregel. Da sagt man, man soll nicht mehr als 60 Prozent des BIP Schulden haben – wir haben 77 Prozent. Es gibt eine Regel, die sagt, wenn man über 70 Prozent ist, muss man pro Jahr 1 Prozent der Verschuldung abbauen. (Abg. Kirchbaumer: Aber die Mehrwertsteuer ...!) Um wie viel bauen Sie sie ab? – Um gar nichts, null. Sie halten nicht einmal die Maastrichtkriterien ein. (Ruf bei der ÖVP: Na doch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist bitte die vollkommene Aufgabe jeder Budgetpolitik. Das ist mein 21. Budget in diesem Haus (Abg. Michael Hammer: Kennst dich aber noch nicht aus! – Abg. Steinacker: Da solltest es schon besser wissen!), aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. (Abg. Wöginger: Auch das ist falsch, denn wir haben Doppelbudgets gehabt! Es stimmt einfach nichts! – Abg. Steinacker: Zählen kann er nicht! Rechnen schon gar nicht!) Zeigen Sie einmal irgendeine Regierung her, die so ein Budget vorgelegt hat! Ehrlich gesagt: Es ist am besten – da muss ich Kollegin Meinl-Reisinger recht geben –, wenn wir neu wählen, denn wir brauchen hier auf der Regierungsbank Menschen, die ihren Job machen, und Sie machen Ihren Job nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Disoski und Schwarz.)

Ich sage Ihnen, man kann den Job besser machen, und wir würden den Job wesentlich besser machen als Sie, denn wir würden dafür sorgen, dass die Preise im Energiebereich, im Mietbereich und bei den Lebensmitteln endlich sinken, sodass nicht diese hohe Inflation da ist. (Abg. Kirchbaumer: ... Steuern senken ...! – Abg. Schmuckenschlager: Das sieht man in Wien sehr gut!)

Wir würden ehrlich gesagt die Prioritäten anders setzen, nicht noch einmal Milliarden – Milliarden! – an Konzerne geben für Energiepreise, die wir ohnehin schon an der Kassa bezahlt haben und die wir noch einmal zahlen müssen. (Abg. Schmuckenschlager: Wien-Energie! – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Zu Ihren intelligenten Zwischenrufen: Es ist schade, dass die alle mitgeschrieben werden, denn es ist eigentlich peinlich für das Parlament, dass bei den Zwischenrufen ein derartiges Niveau wie bei Ihnen herrscht – das muss man Ihnen auch sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Na geh, da musst du reden! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das hier ist ganz, ganz ernst – das hier ist das Budget! Für irgendwelche polemischen Zwischenrufe ist wirklich kein Platz. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Steinacker: Wir werden dich daran erinnern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie sollten einmal die eigenen Regierungsunterlagen lesen, dann würden Sie diese Regierung feuern, weil diese Regierung ihre Arbeit nicht macht. (Abg. Schmuckenschlager: So viel zur Polemik!) Es ist Zeit, dass hier Leute sitzen, die ihre Arbeit machen können. Ich sage Ihnen eines: Wir als SPÖ können es besser. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Strasser: Wer wäre denn das? Der Babler, oder wer ist das dann? – Ruf bei der ÖVP: Der Doskozil! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.08

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.