13.52

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Fürst, da Sie jetzt denselben Satz, den Sie auch in der vorigen Debatte gesagt haben – nämlich: „Davon haben die Opfer nichts“ –, wiederholt haben, muss ich Ihnen entgegnen: Es tut mir leid, aber da unterscheiden wir uns zur Gänze.

Wenn Sie sagen, dass Opfer, wenn man ihrer gedenkt, nichts davon haben – was auch dazu führt, dass Ihr Parteiobmann gestern bei der Gedenkminute nicht dabei war (Abg. Herbert: Was ist das jetzt wieder für eine ...?) –, dann zeigen Sie, Frau Kollegin Fürst, und Ihre gesamte Fraktion eine menschenverachtende Haltung. Der Opfer zu gedenken ist menschliche, christliche Schuld und Verant­wortung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Herr und Blimlinger. – Abg. Loacker: Dieses Argument kannst du in der Kirche bringen!)

Meine Damen und Herren, bevor ich jetzt noch näher in die Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt einsteige, möchte ich mit einem Dank und vor allem einer Wertschätzung beginnen: Zuerst möchte ich mich bei Herrn Prof. Weniger bedanken, der heute leider nicht hier sein kann, aber vor dem TV-Schirm sitzt und der sich so dafür eingesetzt hat, dass wir es endlich umsetzen können, Ehrenzeichen abzuerkennen, wenn die Täter diese nicht verdient haben und auch – und das sage ich im Zusammenhang mit diesem Gesetz – wenn solche Menschen sie nie verliehen bekommen würden, wenn sie eben noch nicht gestorben wären. Das stellen wir mit diesem Gesetz klar.

Mein zweiter Dank gilt der Partei der NEOS, denn deren Abgeordnete haben diesen Antrag als Erste eingebracht. Und mein dritter Dank gilt der Frau Bundesministerin und der Präsidentschaftskanzlei und ihren Bediensteten, die intensiv um den Text dieser Vorlage gerungen haben, sodass wir sie heute beschließen können: die Vorlage für ein Gesetz, das es möglich macht, schweren Straftätern, Nazis und – wie Sie, Frau Kollegin Fürst, auch gesagt haben – Kinderschändern Ehrenzeichen abzuerkennen.

Ich möchte ganz klar sagen, auch im Hinblick auf den vorigen Tagesordnungs­punkt: Es ist unsere kompromisslose Pflicht, uns unserer Geschichte zu stellen und Ehrungen an Mitwirkende der NS-Diktatur abzuerkennen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Der Anlassfall war Hans Globke – dies sei nur auch festgehalten, um für die Zuseherinnen und Zuseher den Konnex zu bringen, den Frau Kollegin Fürst hier so sehr zu verneinen versucht hat. Hans Globke war ein Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze. Hans Globke hat das J, das in die Pässe der Juden eingeprägt wurde, konzipiert. Hans Globke ist lange nicht als einer, der dem NS-Regime gedient hat, erkannt worden. Hans Globke hat einem späteren deutschen Bundeskanzler gedient und war Teil einer Delegation, als eine österreichische Delegation den damaligen Bundeskanzler Adenauer besucht hat. Damals war es üblich, dass Mitglieder der Delegation, die man besucht, Ehrenzeichen der Republik Österreich bekommen, und ein solches Ehrenzeichen hat Hans Globke damals bekommen, als noch niemand wusste – das war im Jahr 1956 –, dass er ein Mittäter der NS-Diktatur war. Er erhielt das Große goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. Er wurde danach für seine Taten verurteilt, wurde sogar zu lebenslanger Haft verurteilt.

Daher, Frau Kollegin Fürst: Sie haben im Verfassungsausschuss gesagt, Sie stellen sich gegen die „Demontage der eigenen Geschichte“. Es habe einmal einen Zeitpunkt gegeben, wo die Verleihung eines Ehrenzeichens als richtig angesehen wurde. – Das waren Ihre Worte, aber es ist genau das, Frau Abgeordnete Fürst: Es ist das Negieren, das Nichtwissenwollen und das Weg­ducken. Es ist genau das, was zwischen Ihnen und einem verantwortungs­­vollen Umgang mit unserer Geschichte steht.

Wenn Sie noch in Ihre eigene Geschichte geschaut hätten, Frau Kollegin Fürst, dann wüssten Sie: Im Jahr 2001 haben wir hier schon ein Gesetz verändert – damals waren weder Sie noch ich hier im Nationalrat, aber trotzdem war es ein wichtiger Punkt –, wir haben Heinrich Gross das Ehrenkreuz aberkannt. Heinrich Gross war jener Arzt am Steinhof, der die Kinder am Spiegelgrund zu Tode gebracht hat. Damals haben Sie es noch als richtig empfunden, dass wir das damalige Ehrenzeichengesetz entsprechend abändern, damit ihm diese Auszeich­nung aberkannt wird. Wenn Sie sich an damals erinnern könnten, dann würden Sie heute auch zustimmen.

Meine Damen und Herren, Ernst Hauschka hat gesagt: „Die Ungerechtigkeit der Geschichte besteht darin, dass wir die gleichen Augen und Ohren haben wie unsere Vorfahren, obwohl wir weit mehr hören und sehen als sie.“ – Dieses Mehr-Hören-als-damals, Frau Kollegin Fürst, würde ich Ihnen sehr empfeh­len.

Liebe, geschätzte jüdische Gemeinde! Es ist beschämend, dass wir den heutigen Beschluss nicht einstimmig fassen können. Trotzdem schaffen wir ihn. Ich sage Ihnen: Wir gehen den Weg kompromisslos. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Muna Duzdar. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.