14.15

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben also gerade gehört, mit dem moralischen Zeigefinger vorgetragen, dass man gegen bestimmte Anträge nicht stimmen darf und keine andere Meinung dazu äußern darf, weil man sonst menschenver­achtend – ein völliger Fehlgriff des Herrn Kollegen Gerstl – oder „beschämend“ ist. Das ist eine Diskussion im Parlament über einen Antrag in einer Demo­kratie! Ist das wirklich Ihr Ernst? (Beifall bei der FPÖ.)

Glauben Sie nicht, dass man Dinge schlicht und einfach auch anders sehen kann? Die Auseinandersetzung mit der Geschichte findet nicht nur statt, indem man Straßen umbenennt, Denkmäler stürmt. Auch Ihre Parteigänger werden ja weggeräumt, wenn es nicht passt. Damit setzt man sich mit der Geschichte nicht wirklich gut auseinander. Denkmalsturm, den Kopf des letzten Kaisers abzuschlagen, das war nie eine sinnvolle Auseinandersetzung. Und wir - - (Abg. Lopatka: Vom Strache-Orden hat man auch noch nichts gehört!)  Wie bitte? Von einem Strache-Orden habe ich noch nichts gehört. Ist Herr Strache verurteilt? – Nein? Herr Lopatka, ist er verurteilt? (Abg. Lopatka: Nein! – Abg. Kickl: Eine Vorverurteilung also!) – Also aus moralischen Gründen müssten wir ihn aberken­nen, alles klar, genau das ist die Denkweise. (Beifall bei der FPÖ.) Lopatka sagt, wenn es moralisch nicht passt, dann aberkennen wir Orden, und genau deswegen stehen wir unter anderem auch hier, weil wir die Dinge anders sehen; a30llein diese Totschlagargumente, die da jetzt gekommen sind!

Schauen wir uns doch ein bisschen um! Da gibt es zum Beispiel einen Herrn Julius Tandler, einen großen Sozialwohlfahrtspolitiker des Roten Wien, eine tolle Persönlichkeit. Es gibt sogar eine Medaille, die die Stadt Wien vergibt, die Julius-Tandler-Medaille. Was aber hat Julius Tandler auch gemacht? – Er war ein großer Eugeniker, das heißt, er war begeistert dafür, dass man unwertes Leben vernichtet. Er hat gesagt: Was kosten „30.000 Vollidioten“ Deutschland? Wie viele Millionen Mark kosten die? Und warum müssen gesunde Menschen durch diese unwerten Menschen leiden? – Das ist Julius Tandler! Die Medaille, die seinen Namen trägt, vergeben Sie bis heute.

Sie werden in die Waagschale werfen: Julius Tandler war eine tolle Persön­lich­keit, hat so viel für Wien gemacht, hat so viele tolle Dinge geleistet! (Abg. Hafenecker: Er hat sogar einen eigenen Platz!)  Das sei Ihnen auch zugestanden, aber bitte hören Sie auf, alles aus der Vergangenheit nur so moralisierend zu betrachten! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist unglaublich billig und das kann sich so schnell ändern. Werden da jetzt alle Orden und Ehrenzeichen mit einer Verurteilung automatisch aberkannt? Ist das so? Wie viele Leute aus Ihren Reihen trifft das vielleicht auch? Ist das jetzt so? Wer ist dann noch ein Vorbild? Und wie schnell kann sich das ändern, dass etwas ein Vorbild ist?

Politiker der Fünfziger-, Sechzigerjahre des vorherigen Jahrhunderts haben ganz anders gesprochen, haben sich ganz anders ausgedrückt, haben Begriffe verwendet, die heute verpönt sind. Wollen Sie das alles an diesem Zeigefinger aus der Gegenwart messen? Wollen Sie jetzt alles umschichten? – Nein! Auseinandersetzung mit der Geschichte heißt – ja – darüber nachdenken, wie es dazu gekommen ist, dass jemand ein Ehrenzeichen bekommen hat. Wie war die Gesellschaft damals? Was hat sie vielleicht dafür für Argumente gehabt? Vielleicht gibt es auch gute Argumente, aber vielleicht war es auch wirklich nur fehlgeleitet, dass die Gesellschaft etwas ganz anders gesehen hat.

Wir leben aber auch im Heute und wir machen heute auch Fehler. Ich warte nur darauf, was in zehn Jahren darüber gesagt wird, dass eine Impfpflicht einge­führt wurde – vielleicht, dass es ein unglaublicher Wahnsinn war. Das könnte nämlich auch sein, und es könnte sein, dass alle Menschen, die daran beteiligt waren, vielleicht aus irgendeinem Grund als menschenverachtend oder was auch immer betrachtet werden. (Abg. Wurm: Beschämend war das!)

Ich würde da einfach aufpassen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist wichtig, und wir stellen uns dem. Wir wollen sie eben nicht revidieren, wir wollen sie nicht auslöschen und sagen: Ungeschehen, hat ja gar nicht stattgefun­den; wir räumen jetzt die Denkmäler weg und benennen die Straßen um!, und so weiter. Damit hat das nicht stattgefunden!

Die Geschichte war daher immer moralisch, immer gut, aber wo fangen wir an? Bei Kaiser Franz Joseph – wie viele Tote hat er zu verantworten? – oder ich weiß nicht, wo fangen Sie an? Wir müssen das alles in einen Zusammenhang setzen und uns darüber unterhalten. Wenn Sie aber jetzt hier beginnen, zu sagen, man darf die Dinge nur in einer bestimmten Art und Weise sehen und nur in einer bestimmten Art und Weise hier abstimmen, weil man sonst menschen­verachtend, schäbig oder sonst etwas ist, dann hört sich alles auf.

Daher bin ich entsetzt über die bisher verlaufene Diskussion und ersuche Sie, einfach zu beachten und anzuerkennen, dass wir die Dinge anders betrachten und dass das keine moralische Wertung ist, sondern dass wir zu einem anderen Schluss gekommen sind, wie wir damit umgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.20