16.11

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es gibt eine Dringliche Anfrage der SPÖ zu bearbeiten, und sie ist dringlich, weil der Verfassungsgerichtshof erst am Dienstag erkannt hat, dass die gesetzliche Basis für die Covid‑19-Finan­zie­rungsagentur des Bundes, kurz Cofag, verfassungswidrig war. (Abg. Kaniak: Nicht nur das! – Die Abgeordneten Greiner und Krainer: Und ist!)

Da in der Debatte einige Dinge über den Haufen geworfen werden, was ja nicht unüblich ist, würde ich gerne zwei Dinge tun: Als Erstes würde ich gerne die verschiedenen Themen auseinanderdröseln, als Zweites würde ich mich dann gerne ein bisschen in der Geschichte zurückbewegen, und zwar in die Zeit, als die Cofag gegründet und die gesetzliche Basis geschaffen wurde. Insbesondere die Abgeordneten Krainer und Hafenecker, meine Vorredner, werden das, glaube ich, sehr spannend finden. Ich bitte also darum, bis zu diesem Punkt die Geduld zu bewahren.

Also erstens: Es wird oft so getan, als hätte die Cofag die ganzen Coronahilfen abgewickelt (Abg. Herr: Nur die Hälfte! 50 Prozent!); das ist natürlich nicht so, sondern es war nur ein Teil der Coronahilfen. In Summe waren es über 40 Milliarden, 12 Milliarden davon wurden über die Cofag abgewickelt. Der größte Teil war die Kurzarbeit, das ist über das AMS abgewickelt worden. Die Wirtschaftskammer, fast alle Ministerien, vom Landwirtschaftsministerium bis zu Kunst und Kultur, haben eigene Fonds gehabt, mit denen sie spezifische Zielgruppen mit Hilfen unterstützt haben. Das Finanzministerium, dem man das alles quasi hätte umhängen wollen, hat selbst Hilfen in der Höhe von 9, 10 Milliarden Euro abgewickelt – das waren Steuerstundungen, die Umsatz­steuersenkung, Verlustrücktrag und, und, und. Es hat in dieser Zeit verschiedene Maßnahmen und auch einen Haufen Arbeit gegeben, und deshalb sollte man das auch in diesem Kontext sehen. Es geht nicht um die Corona­hilfen, es geht nur um einen Teil davon.

Es geht nicht einmal um diesen Teil der Coronahilfen, denn womit sich der Verfassungsgerichtshof nicht beschäftigt hat, ist das, worum es hier in der Debatte immer geht, nämlich wie hoch, wie treffsicher und wie schnell die Hilfen waren. Den wirtschaftlichen Teil hat er nicht unbedingt behandelt. Ich möchte trotzdem noch kurz darauf eingehen, weil es ja doch immer wieder Thema ist, und zwar deshalb, weil sich zeigt, dass die Hauptquelle der Überförderung der Umsatzersatz im November 2020 und Dezember 2020 war. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Wie war denn damals, als wir diesen Vorschlag eingebracht haben, die Situation? – Falls Sie sich nicht mehr erinnern können: Ich kann die Zitate von Herrn Matznetter, Herrn Schellhorn und Herrn Fuchs noch aus der Lade ziehen, ich habe sie alle hier. Es ging nicht schnell genug, es hätte noch mehr sein müssen und die Kriterien hätten noch weiter zurückgeschraubt werden müssen. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) Der Umsatzersatz war zu klein für Sie, er war zu klein. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das stimmt einfach nicht! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Schneller: ja, aber da reden wir ja von einem Jahr!) – Die Aufregung bitte noch für später aufsparen, es kommt noch dicker!

Um diese wirtschaftlichen Fragen ist es dem VfGH ja nicht gegangen, sondern es ging um eine rechtliche Frage, nämlich ob die gesetzliche Basis der Abwick­lungsstelle, der Cofag, verfassungskonform war oder nicht. Dazu hat der Verfas­sungs­gerichtshof jetzt entschieden, dass es sich bei den Aufgaben, die diese Abwicklungsstelle übernommen hat, um so wesentliche Aufgaben gehandelt hat, dass es sozusagen zentrale, hoheitliche Aufgaben waren und dass diese deshalb nicht an eine privatwirtschaftlich ausgegliederte Institution hätten ausgelagert werden dürfen.

Deshalb hat der VfGH im betreffenden Gesetz, dem ABBAG-Gesetz, mit dem die Gründung der Cofag geregelt worden ist, folgende fünf Regelungen als verfassungswidrig erkannt und sie aufgehoben – es ist sehr wichtig, dass Sie das mitverfolgen, denn ich komme dann später noch einmal darauf zurück –: Es sind § 2 Abs. 1 Z 3, § 2 Abs. 2 Z 7, § 2 Abs. 2a, § 3b Abs. 2 und § 6a. Das ist im ABBAG-Gesetz aufgehoben worden, das ist sozusagen der kritische Punkt. (Abg. Deimek: Was heißt das auf Deutsch? Muss ich jetzt das Gesetz lesen? – Abg. Ottenschläger: Als Abgeordneter ...!)

Jetzt kommen wir zur Frage, wie es denn zu diesen verfassungswidrigen Bestimmungen gekommen ist. Kollegin Herr, in Ihrer Dringlichen Anfrage sagen Sie, dass mit dem Erkenntnis jetzt amtlich sei, was alle drei Oppositionsparteien seit Jahren kritisieren. (Abg. Herr: Ja, der Rechtsanspruch fehlt!) Tatsächlich könnte man meinen, das wäre ein Paradebeispiel dafür, was rauskommt, wenn die Regierungsfraktionen mit ihrer knappen Mehrheit und trotz Kritik und massiven Widerstands der geeinten Opposition so ein Gesetz durchpeitschen – aber war das so? (Rufe bei der SPÖ: Ja! Abg. Meinl-Reisinger: Ja!)

Ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht und mir das einmal angeschaut. Wer die fünf Paragrafen sucht: Sie wurden in einer Novelle des ABBAG-Gesetzes am 15. März 2020 im Nationalrat beschlossen. Und wer hat das beschlossen? – Sie haben es beschlossen, Frau Herr. (Abg. Herr: Mit Abänderungsanträgen!) Sie haben es beschlossen, Herr Krainer. (Abg. Krainer: In dritter Lesung! Und was war in der zweiten Lesung?) Sie haben es beschlossen, Herr Hafenecker. Als der Herr Präsident gefragt hat, wer dem zustimmt, sind Sie aufgestanden. (Abg. Krainer: Könnts ein bissl ehrlich sein! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, vor allem ein bisschen Parlamentarismus ...!) – Dazu kommen wir gleich. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.)

Auch Kollege Scherak, der mich heute in der Früh noch gefragt hat, wie das denn sein kann und ob wir uns nicht in den Boden schämen würden, dass wir verfassungswidrige Bestimmungen beschlossen haben, war dabei und hat dem zugestimmt. Also bitte einmal schlecht fühlen, lieber Niki! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Kannst du dich erinnern, wie das war? Wie war denn das damals? – Abg. Meinl-Reisinger: Was haben wir denn gesagt in der Debatte?)

Ich habe ja schon darauf gewartet, dass der Widerspruch kommen wird, und Herr Abgeordneter Krainer hat es sogar schon in seiner Rede vorweggenommen: Das waren damals ja alles Sammelnovellen. – Das ist ja tatsächlich ein berech­tigter Einwand. Es war ein Riesenpaket mit allen möglichen Maßnahmen, und da hat man als Oppositionsfraktion halt sozusagen aus Staatsräson oder aus politischer Verantwortung zugestimmt, obwohl man vielleicht einzelne Teile, nämlich wahrscheinlich genau diese fünf Paragrafen, die jetzt gehoben worden sind, abgelehnt hat. (Abg. Stöger: Signalisiert haben wir’s! – Abg. Herr: ... in Anträgen verschriftlicht! – Abg. Matznetter: ... Nein, der Jakob Schwarz hat dagegen gestimmt!)

Es gibt da ein Instrument – Kai Jan Krainer hat das ja schon ausgeführt –, das uns Abgeordneten für genau diesen Fall zur Verfügung steht, nämlich den Abänderungsantrag. Jetzt haben tatsächlich – man kann es ja gar nicht glauben – der Finanzsprecher der SPÖ, Herr Kai Jan Krainer, und der Finanzsprecher der FPÖ, Abgeordneter Fuchs, einen solchen Abänderungsantrag eingebracht, in dem genau all diese Regeln von der Cofag-Gründung rausgestrichen worden sind – oder nicht.

Gerade Sie, Herr Krainer – ich habe Ihren Abänderungsantrag hier (das genannte Dokument in die Höhe haltend), Sie haben uns vorhin ein Gschichtl erzählt –, Sie stochern da wild im Nebel herum, Sie haben alle möglichen Ideen, was Sie in diesem Gesetz ändern wollen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: So proaktiv habe ja nicht einmal ich für die Cofag gestimmt. Er ist mit seinen Mitarbeitern das ganze Gesetz durchgegangen und hat dann gedacht: Na ja, Rechtsanspruch wäre schon super, aber bei der Sonder­betreuungszeit für die Arbeitnehmer:innen, nicht für die Unternehmen, die da einen Antrag stellen. Oder: Finanzämter wären schon wichtig, aber beim Covid-Krisenbewältigungsfonds – der ist nicht gehoben worden, die Cofag ist gehoben worden. Sie sind also gut unterwegs: von fünf möglichen Punkten null getroffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Krainer: Da müsste man halt sinnerfassend den Antrag lesen! – Abg. Matznetter: Ihr glaubt, ihr kommt damit durch, bei dem Desaster?!)

Abgeordneter Fuchs ist besser – auch er hat einen Abänderungsantrag mit allen möglichen Änderungen eingebracht; sehr spannend, was er da alles gerne hätte –: Er hat einen Treffer. Der Rechtsanspruch, in dem Fall an der richtigen Stelle, ist von Abgeordnetem Fuchs gekommen: Gratulation!

Die NEOS haben nur einen Entschließungsantrag eingebracht. Sie hätten gerne die Rücklagen von der Wirtschaftskammer für die Förderungen verwendet, was auch keine Überraschung ist, waren aber sonst mit diesem Paket eigentlich zufrieden.

Ich will jetzt niemandem einen Vorwurf machen. Es war damals der 15. März – das war ein Tag vor dem ersten Lockdown, zwei Tage nachdem er beschlossen worden ist –, wir sind alle beieinander gesessen, einen Tag zuvor war der Ausschuss, und wir haben Stress gehabt, wir haben das hinkriegen müssen. Ich bin dankbar dafür, dass alle mitgestimmt haben, dass man diese Verantwortung übernommen hat, aber wenn man schon so laut: Skandal!, ruft, dann macht man sich doch bitte vorher die Mühe und schaut, ob man nicht selbst Teil dieses Skandals ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Jetzt noch einmal insbesondere an die SPÖ, weil sich das wirklich wie ein roter Faden durch die letzten Jahre zieht: Wenn wir bei den Wählerinnen und Wählern da draußen jetzt den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber, nämlich wir alle hier, ein bissel ang’rennt ist und wir Dinge machen, die eigentlich nicht sehr sinnvoll sind – wem wird das denn bei der nächsten Wahl wahrschein­lich nützen?

Es zieht sich durch die Teuerungsdebatte und es zieht sich auch durch diese Geschichte: Es hilft euch nichts! (Abg. Matznetter: Dann hättets endlich Schluss gemacht mit denen! Ganz einfach: Schluss, aus, erledigt!) Es zahlt bei anderen ein, und die sind ruhig und freuen sich darüber. Ich bitte darum: Lasst das! Ein Strategiewechsel würde jetzt helfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja lächerlich! Man soll nichts mehr kritisieren, weil es der FPÖ helfen könnte?! – Abg. Herr: Die Opposition darf nicht mehr arbeiten aus Angst vor der FPÖ, oder was? Entschuldigung! Dann schaffen wir die Opposition ab, weil die Grünen haben Angst vor der FPÖ! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja eine Selbstaufgabe: Wir dürfen nichts sagen, sonst wächst die FPÖ!)

16.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.